von Rainer Albert
11. August 2011 – 1111 war ein in vielfacher Hinsicht dramatisches und zugleich zukunftsweisendes Jahr für die deutsche Geschichte: Zum Jahresbeginn sah es zunächst so aus, als ob König Heinrich V. in Geheimverhandlungen mit Papst Paschalis II. den langjährigen Investiturstreit beenden könne, der 1077 mit Heinrichs IV. „Gang nach Canossa“ einen nicht für möglich gehaltenen Höhepunkt erreicht hatte. Aber das Bekanntwerden des Verhandlungsergebnisses führte in Rom zu solchen Unruhen, dass sogar die für den 12. Februar 1111 angesetzte Kaiserkrönung Heinrichs V. abgebrochen werden musste. Heinrich erzwang die Krönung schließlich am 13. April 1111. Am 7. August 1111 ließ Heinrich V. dann seinen 1106 verstorbenen Vater Heinrich IV. im Kaiserdom zu Speyer bestatten – eine Aktion, mit der er auch zum innenpolitischen Frieden betragen wollte, hatte er doch seinen Vater zur Abdankung gezwungen. Am 7. und am 14. August 1111 gewährte Heinrich V. in zwei am Dom in Monumentalinschriften angebrachten Urkunden den Speyerer Bürgern weitgehende Rechte, wofür in aller Zukunft dem Todestag Heinrichs IV. gedacht werden sollte. „Mögen auch die Speyerer Privilegien von 1111 diese Innovationen [z. B. freie Vererblichkeit des Besitzes, bürgerliche Freiheitsrechte, Rechtssicherheit] nicht eigentlich ,erfunden‘ haben, so dokumentieren sie diese doch erstmals in umfassender Weise und spiegeln damit einen stadtrechtlichen Standard […], der sich als grundlegend erweisen sollte für den Siegeszug des mittelalterlichen Städtewesens.“ (Kurt Andermann: Die Speyerer Privilegien von 1111. In: Die Salier. Ausstellungskatalog, Essayband. Speyer 2011, S. 177).
Diese Ereignisse vor 900 Jahren und die 1061, vor 950 Jahren, erfolgte Weihe des Speyerer Domes waren der Anlass für Bistum und Stadt Speyer, das Jahr 2011 als „Salierjahr“ zu begehen und ihm u.a. eine umfassende Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu
widmen.
Um den Medailleur-Nachwuchs in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern, entstand in Zusammenarbeit der Numismatischen Gesellschaft Speyer mit der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale und gefördert von der Volksbank Kur- und Rheinpfalz in Speyer das Projekt „Kunstmedaille Salierjahr 2011“. Betreut von Carsten Theumer, Halle, reichten mehrere Studenten Arbeiten zur Prämierung ein.
Die Jury des Wettbewerbs und zwei Preisträger von l. n. r.: Hansjörg Eger, Oberbürgermeister der Stadt Speyer; Prof. Dr. Alexander Koch, Direktor des Historischen Museums der Pfalz; Carsten Theumer, Anna Scheibner, Stefan Bading, Rudolf Müller in Vertretung für Heinz Kuppinger, Vorstandsmitglied der Volksbank Kur- und Rheinpfalz; Dr. Rainer Albert, Vorsitzender der Numismatischen Gesellschaft Speyer, und Werner Schnieller, ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Speyer.
Sechs Objekte sind während der Salier-Ausstellung in Speyer im Historischen Museum der Pfalz ausgestellt und können käuflich erworben werden (Bestelladresse: Numismatische Gesellschaft Speyer, Hans-Purrmann-Allee 26, 67346 Speyer), sie werden hier zum Teil mit den Worten der jeweiligen jungen Künstler vorgestellt.
1. Preis: Bianka Mieskes
Medaille, ca. 12 cm Durchmesser, gegossen von der Künstlerin, Verkaufspreis 200 €
Im Kontrast zum dargestellten historischen Bezug auf der Vorderseite – der Salierkönig Konrad II. legte den Grundstein für den Dom zu Speyer, der König ist mit seiner Grabkrone vor dem (heutigen) Dom zu sehen – zeigt die andere Seite der Medaille ein ganz persönliches, freies, assoziatives Bild: Eine gefühlte Weite und Ruhe, die man in der Natur immer wieder findet und in der Stadt oft vermisst, die einlädt, nach innen zu schauen. Die kleinen Steinstapel am Wasser können Zeichen eines meditativen Moments sein, ein Raum für neue Ideen und Visionen. Die Menschen sind der Grundstein der Gesellschaft, durchaus geprägt von der Geschichte dieses Landes: Im Hintergrund ragen frei die Türme des Speyerer Domes und lokalisieren so doch auch die Rückseiten-Darstellung.
Bianka Mieskes wurde 1981 in Rumänien geboren und lebt seit 1986 in Deutschland, 2001 bestand sie in Mössingen das Abitur und studierte anschließend in Tübingen, absolvierte eine Ausbildung im Bildhaueratelier Beck, Filderstadt, wurde baden-württembergische Landessiegerin 2005 im Praktischen Leistungswettbewerb für Steinbildhauer und setzte anschließend ihr Studium in Halle fort.
2. Preis: Anna Scheibner
Medaille, ca. 8 cm Durchmesser, gegossen von der Künstlerin, Verkaufspreis 180 €
Auf der einen Medaillenseite steht ein kleiner Junge mit zu großer Reichs-Krone. Ein Kind, das König spielt? Der Traum von Macht? Heinrich IV. war noch keine 6 Jahre alt, als er nach dem Tod des Vaters Heinrich III. nominell König wurde; die Zeit seiner Regierung unter Vormundschaft war geprägt von erbitterten Machtkämpfen der Großen des Reichs.
Auf der anderen Medaillenseite sind vier kämpfende Gestalten ineinander verschränkt. Vier Könige/Kaiser zählten zum Geschlecht der Salier, sie definierten das Herrschen neu, verteidigten
ihre Macht, geschickt, effektiv, mit aller Härte, mitleidlos. Kann man anders herrschen? Ist das der Preis der Macht?
Die beiden Medaillenseiten sind verbunden durch den Satz (nach André Malraux): MAN KANN MIT DER MACHT NICHT FLIRTEN, MAN MUSS … / SIE HEIRATEN.
Anna Scheibner bestand 2001 das Abitur am Gymnasium Dorf Mecklenburg und studiert seit 2003 Bildhauerei an der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale bei Prof. Bernd Göbel. Bereits 2004 gewann sie den 1. Preis des Wettbewerbes „Spielplastik im Amtsgarten Halle“, 2007 den 1. Preis des Wettbewerbes zur Gestaltung des „Deutschen Archivpreises“, den 1. Preis „Hallescher Archivdank“, den 1. Preis „Neujahrsgabe“ des Halleschen Kunstvereins und 2008 den Förderpreis des Deutschen Medailleurpreises.
3. Preis: Stefan Bading
Plakette, ca. 9,7 x 18,5 cm, gegossen vom Künstler, Verkaufspreis 350 €
Medaillen müssen in die Hand genommen werden! Wie anders soll man sonst das Geheimnis der Rückseite lüften? Für den Künstler hat eine Medaille nicht nur einen visuellen Reiz, sondern sie muss im wahrsten Sinne des Wortes begriffen werden. Auf diese Weise entsteht ein ganzheitliches Erlebnis, bei dem nicht nur Motiv und Komposition, sondern auch die Haptik, die eventuelle Scharfkantigkeit der Struktur oder eine Abgegriffenheit erfahren werden, selbst das Gewicht spielt eine Rolle. Der Begriff Medaille wird hier dadurch erweitertet, dass sie zu einem bespielbaren Objekt wird. Sie ist nicht mehr ein stilles Zeitzeugnis (strenge Ansicht des Domes von oben auf der Vorderseite), sondern macht durch Geräusche und Bewegungen, die beim Betrachten entstehen, auf sich aufmerksam: der ganze Dom wird auf der Rückseite zur Grablege. Die Geschichte kann spielerisch erlebt werden. Soll doch nach des Künstlers Wille Heinrich V. im Jubiläumsjahr seiner Krönung einmal richtig klappern. Dazu sind einzelne Teile des Skeletts mit Nieten beweglich verbunden und können so die Klappergeräusche erzeugen. Aber keine Angst, der Dom steht fest!
Der 1977 in Ilmenau geborene Stefan Bading absolvierte nach seiner Schulzeit von 1995 bis 1998 eine Lehre zum Steinmetz- und Steinbildhauer in Leinburg (bei Nürnberg), war 1999 bis 2003 auf der traditionellen Wanderschaft („Walz“), arbeitete anschließend als Bildhauer und studiert seit 2007 an der Burg Giebichenstein.
Sonderpreis des Speyerer Oberbürgermeisters: Julia Baum
Medaillenobjekt, ca. 20,7 x 14,5 cm, gegossen und montiert von der Künstlerin, Verkaufspreis 350 €
Drei Bronzesäulen stellen (mit Schrift oder Bild) die drei Säulen bzw. Standpfeiler der Stadt Speyer dar: Zum einen die Jahreszahl 1111, die Verleihung weitgehender Bürgerrechte an die Stadt durch Kaiser Heinrich V., dann die Krone Kaiser Konrads und schließlich der Dom, das heutige UNESCO-Weltkulturerbe – insgesamt eine zeitgemäße Übersetzung der Medaille in eine fortgeschrittene Form. Die Plastik bietet Beweglichkeit und Transparenz, der Rahmen den Raum, in dem die drei Säulen wirken können. Dieser Rahmen wird als städtischer Lebensraum begreifbar, der durch seine Offenheit Möglichkeiten zur Entfaltung bietet und Perspektiven für die Zukunft eröffnet.
Julia Baum, Jahrgang 1987, bestand 2006 ihr Abitur in Frankfurt (Oder) und absolvierte anschließend mehrere Theaterhospitanzen. 2008 nahm sie das Studium der Bildhauerei an der Burg Giebichenstein in Halle (Saale) auf, 2010 konnte sie das Grundstudium abschließen.
Julia Schleicher
Plakette, ca. 7,4 x 12,5 cm, gegossen von der Künstlerin, Verkaufspreis 200 €
In Gedichtform gibt Julia Schleicher die beste Beschreibung ihrer Wettbewerbsarbeit selbst:
Die Macht ist ein schwieriges Spiel.
Zwei sind zu viel,
einer zu wenig.
Wie wird man sich einig?
Es geht nicht zusammen,
es geht nicht alleinig!
Pack schlägt sich,
Pack verträgt sich –
Anders geht’s eh’ nicht!
Die 1983 in Köln geborene Julia Schleicher legte 2002 das Abitur ab, ihr anschließendes Studium führte 2007 zunächst zum Diplom im Fach Theaterplastik an der HfBK Dresden, seit 2007 studiert sie Bildhauerei bei Prof. Bernd Göbel und Prof. Bruno Raetsch an der Burg Giebichenstein in Halle (Saale).
Natalie Tekampe
Domobjekt, ca. 7,5 x 10 cm, gegossen von der Künstlerin, Verkaufspreis 180 €
Eingefasst von der kaiserlichen Grab-Krone bildet der Dom zu Speyer auf der Vorderseite des kleinplastischen Objekts gleichermaßen Fundament und schützende Stadtmauer. „900 JAHRE BÜRGERFREIHEIT“ weist ausdrücklich den Weg vom kaiserlichen Privileg zur Freien Reichsstadt.
Auf der Rückseite ist am rechten Rand über dem Haupteingang des Domes die Goldene Tafel mit den Privilegien der Bürgerfreiheit zu erkennen. Die Menschen jubeln und tanzen vor Freude, mehrere Gestalten sind an der Langseite des Domes zu erkennen. Ein kleiner Teil der Krone ragt noch auf diese Seite, doch der Dom steht frei. Es gibt hier weder ein stützendes noch ein einengendes Fundament. – So wie alles seine zwei Seiten hat.
Natalie Tekampe, geboren 1983, erlangte die Fachhochschulreife an der FH für Gestaltung München, wo sie eine Ausbildung zur Holzbildhauerin mit dem Gesellenbrief abschloss. Anschließend absolvierte sie Praktika für Bühnenplastik an Berliner Theatern. 2006 nahm sie das Studium der Bildhauerei in Halle bei Prof. Bernd Göbel auf. Bereits 1996 erhielt sie einen ersten Preis für die Darstellung einer Tierherde in einem Wettbewerb der Auszubildenden im 2. Lehrjahr der städtischen Berufsfachschule für das Holzbildhauerhandwerk in München. 2007 gewann sie den Wettbewerb für das Zeichnen des Existenzgründerpreises des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, 2010 errang sie den Förderpreises des Deutschen Medailleurpreises.