von Björn Schöpe
25. Mai 2017 – Kennen Sie Guillaume Apollinaires „Flaneur in Paris“? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen sich Künstler noch die Zeit, ziellos durch ihre städtische Umgebung umherzuwandern, sich von ihrer Umgebung inspirieren zu lassen, Eindrücke aufzusaugen. Und mitunter verewigten sie dieses Flanieren literarisch wie Apollinaire. Daran fühlte ich mich erinnert, als ich das kuriose Buch „Elogio della numismatica“ von Damiano Cappellari las.
Damiano Cappellari, Elogio della numismatica. Elogium Nummophiliae. Edizioni AlboVersorio, Mailand 2015. 200 S. durchgehend farbig illustriert. Paperback, 18,8 x 21 cm. ISBN: 978-88-99029-11-1. 20 Euro.
Gleich auf den ersten Blick fielen mir zwei Dinge auf. Erstens: Das Inhaltsverzeichnis lässt zunächst keine inhaltliche Struktur erkennen. Und zweitens: Das Buch ist verfasst in einem Italienisch, das oft poetisch ist, bisweilen selbstironisch und stets wie eine leicht antiquierte gelehrte Hochsprache wirkt, die die Rückbesinnung auf die großen Meister der Vergangenheit zum Ausdruck bringt.
Der junge Italiener führt in seinem zweiten Buch aus, warum er zwischen „Numismatik“ und „Numophilie“ unterscheiden möchte: Während die Numismatik auch weitgehend emotionslos als nüchterne Wissenschaft betrieben werden könne, betone er mit der Nummophilie die Begeisterung für Münzen, welche ihren Anhängern eigene Welten eröffnen. Natürlich polemisiert der Autor damit, doch man wird ihm eine solche Definition nicht übelnehmen, so ungezwungen begeistert und begeisternd durchzieht sein ganzes Buch letztlich nur eines: die Liebe zu Münzen.
Wiederholt scheinen zentrale Frage auf: Was erhofft man sich von der Nummophilie und was sagt sie über die Nummophilen aus, ja was ist eigentlich das Wesen dieser Leidenschaft? Ist sie „ein Spiel, durch das man ein Stück seiner selbst zu finden hofft?“, „Appetit der Augen“ oder gar „ein See von Quecksilber, in dem wir nackt schwimmen und mit den Lungen unseres Geistes rudern“?
Die Zitate machen klar – das ist kein numismatisches Buch, das sich in ein gängiges Muster einordnen lässt. Es lebt von seiner bezaubernden Sprache und lässt sich eher aus der Negation beschreiben: Dieses Elogium ist keine Einführung in die Numismatik, keine Analyse eines historischen Themas, kein Handbuch und auch kein Katalog. Es ist nichts weniger als eine Liebeserklärung. Und wie es in der Liebe zwischen Menschen ist, zeigt sich auch zwischen den Deckeln dieses Büchleins, dass die Liebe zu den Münzen gar keinen „Sinn“ hat (oder haben muss), sie ist einfach.
Der Text ist gespickt mit Zitaten aus der vor allem italienischsprachigen Literatur von der Renaissance bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Wenn Cappellari mithilfe derartiger Fachbücher Münzen des Titus untersucht, so gewinnen wir kein neues historisches Wissen. (Eher sollte man auf der Hut sein, hinter den modernen Wissensstand zurückzufallen.) Aber wir lesen, welchen Zugang man zu diesen geprägten Objekten haben kann – nicht muss.
Cappellari hat sein Buch im Untertitel als ein „Elogium Nummophiliae“ bezeichnet. Tatsächlich stehen im Mittelpunkt weniger die Münzen, sondern die Liebe zu den Münzen. Die Liebe, die sich von der Geldanlage dadurch unterscheidet, dass das Ankaufen für den Nummophilen der leichteste Teil des Hobbys ist. Die harte Phase des geistigen Sichaneignens beginnt erst danach, Münzen wollen verstanden und durchdrungen werden. Von Anfang bis Ende kennzeichnet das Buch der radikal subjektive Zugang des Verfassers. Seine Annäherung mag wissenschaftlich wenig ergiebig sein, aber sie ist doch eine ungemein mitreißende Liebeserklärung an sein Hobby. Dies verdeutlicht vielleicht am besten die Frage gegen Ende, die sich so mancher „Nummomane“ (auch so eine von Cappellaris Neuschöpfungen) stellen mag: „Warum bemerke ich eigentlich erst jetzt, dass ich meine Münzen mit derselben Verwunderung und der gleichen Gefühlsregung betrachte, wie ich meine schlafende Ehefrau abends nach einem Arbeitstag ansehe?“