7. April 2011 – Fast jeder Lateinschüler, der mit Caesars Gallischem Krieg „malträtiert“ wird, benutzt noch heute mehr oder weniger heimlich die Übersetzung von Marieluise Deißmann-Merten. Eine solche Breitenwirkung haben nur wenige Althistoriker entfaltet: Wer kann schon auf eine zweistellige Auflagenzahl seiner Werke blicken?
Marieluise Deißmann-Merten am 20. Mai 2008
Die 1935 geborene Marieluise Deißmann-Merten studierte Alte Geschichte, Latein und Germanistik zunächst in Frankfurt am Main, dann an der Universität Bonn. 1964 wurde sie bei Hermann Strasburger mit einer Arbeit über Fides Romana bei Livius promoviert. Anschließend ging sie in den Schuldienst und legte ihr Staatsexamen ab, wechselte aber 1967 als Akademische Rätin an die Universität Freiburg im Breisgau, wo sie später zur Akademischen Oberrätin ernannt wurde. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1997 widmete sie sich vor allem der Lehre, die ihr sehr am Herzen lag, und betreute die 1961 angekaufte Münzsammlung des Erlanger Geheimen Oberbaurats Heinrich Wefels. Obwohl sie zur Numismatik eher wie die „Jungfrau zum Kinde“ gekommen war, wie sie immer wieder betonte, bildete doch gerade dieses Feld einen festen Platz in ihrer akademischen Lehre. Mit großem Engagement widmete sie sich der Ordnung, Bestimmung und Inventarisierung der Münzsammlung, die sich beim Ankauf in einem schlechten Zustand befand, und nutzte sie in regelmäßigen „Numismatischen Übungen“. Daneben betreute sie die Studierenden in Studienangelegenheiten, war zeitweise Frauenbeauftragte der Fakultät und initiierte gemeinsam mit Gudrun Gehrke und Renate Zoepffel den Aufbau der Uni-KITA. Gerade dieses soziale Engagement und ihre menschliche Wärme haben Marieluise Deißmann-Merten stets ausgezeichnet.
Trotz dieser vielfältigen Tätigkeiten hat sie Zeit gefunden, auch wissenschaftlich produktiv zu sein. Ihre 1990 erschienenen Daten zur antiken Chronologie und Geschichte sind noch heute ein unschätzbares Instrumentarium für Geschichtsstudenten und ihre vielen Beiträge im Kleinen Pauly erlauben nach wie vor einen kompetenten und schnellen Überblick über unterschiedliche althistorische Aspekte. In dem wichtigen Sammelband von Jochen Martin und August Nitschke zur Sozialgeschichte der Kindheit hat sie den Beitrag zur Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland verfasst, der auch heute noch als grundlegend gelten darf.
Nach ihrer Pensionierung zog Marieluise Deißmann-Merten nach Berlin. Seit Mai 2005 war sie an jeweils zwei Tagen in der Woche als Freiwillige Mitarbeiterin am Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin tätig. Sie nahm ihre Tätigkeit in einer Zeit des Aufbruches im Münzkabinett auf. Im Jahr zuvor war die Sanierung des Münzkabinetts als eigener Bauabschnitt im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel mit einer spektakulären Eröffnung abgeschlossen worden. Nun galt es, die neue Dauerausstellung einzurichten. Mit Karsten Dahmen, der ebenfalls im selben Jahr die Arbeit aufgenommen hatte, teilte sie sich über Jahre das sog. Volontärszimmer. Gerade für die jungen Nachwuchswissenschaftler, studentische Praktikanten und Hilfskräfte wurde die Arbeit mit den beiden „Ds.“ Dahmen und Deißmann zu einem unvergesslichen Erlebnis. Was an tutorialer Betreuung an den Massenuniversitäten gelegentlich zu kurz kommt, hier war sie zu finden, und zu einigen der Studenten entstanden langjährige Freundschaften. Sich selbst stellte Marieluise Deißmann-Merten nie in den Vordergrund. Bei den gelegentlich hitzigen Diskussionen reichte allerdings ein Blick auf ihr feines Lächeln, um die kurz zuvor mit Leidenschaft vorgetragene Position noch einmal zu überdenken. Seit Anfang 2006 steht dem Münzkabinett eine webbasierte Datenbank www.smb.museum/ikmk zur digitalen Publikation der Bestände zur Verfügung. Marieluise Deißmann-Merten nahm seitdem an diesem zentralen Projekt des Münzkabinetts teil und war an über 3.000 Münzeinträgen beteiligt. Dabei brachte sie vor allem Ihr Wissen zur Römischen Republik und Kaiserzeit mit kenntnisreichen Kommentaren ein.
Marieluise Deißmann-Merten verstarb nach längerer Krankheit am 12.2.2011 in Frankfurt am Main. Die Mitarbeiter des Münzkabinetts vermissen sie und werden ihr ein ehrendes Angedenken bewahren.
von Peter Franz Mittag und Bernhard Weisser