von Ursula Kampmann
6. April 2017 – Am 7. August 2015 erhielt der russische Rondenproduzent Gurt den Zuschlag, sämtliche deutschen 1- und 2-Eurocent-Ronden herzustellen. Es ging um eine gute halbe Milliarde 1-Eurocent-Ronden mit einer Optionsmenge von bis zu 950.000.000 sowie um eine knappe halbe Milliarde 2-Eurocent-Ronden mit einer Optionsmenge von bis zu 840.000.000 Stück. Grundlage der Vergabe war das günstigste Angebot – natürlich mit den üblichen Einschränkungen. So braucht es unter anderem eine Erklärung, dass das Lieferunternehmen seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie aller Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen nachgekommen ist. Dann gibt es natürlich die üblichen Embargos und politischen Sanktionen, denen Russland unterworfen ist.
Wenn es um die Preisgestaltung geht, hat Gurt zahlreiche Vorteile. Russische Löhne sind äußerst konkurrenzfähig mit einem durchschnittlichen Bruttolohn von rund 500 Euro monatlich im Jahr 2015. Die Energiepreise liegen ebenfalls wesentlich niedriger als in anderen Ländern. So konnte Gurt für diesen Auftrag einen Preis bieten, der so niedrig war, dass das gesamte Auftragsvolumen, das normalerweise zwischen den beiden günstigsten Anbietern aufgeteilt wird, allein an Gurt ging.
Dagegen wurde von der Freiberger EuroMetall Einspruch erhoben. Der Einspruch erfolgte, so die Pressestelle des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, unter anderem auf Grund des Russland-Embargos. Man habe „sämtliche rechtlich relevante Aspekte umfangreich geprüft. Insbesondere wurden auch die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union, insbesondere bezüglich der Krimkrise, detailliert bewertet. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die entsprechenden Verordnungen Lieferungen aus der EU betreffen, nicht aber den Import der gegenständlichen Münzplättchen. Der Anwendungsbereich der gegenständlichen Verordnungen war also nicht eröffnet. Auch weitere personelle oder sachliche Verflechtungen bzw. Gründe, die einer Zuschlagserteilung mit Blick auf EU-Recht, insbesondere bestehende Wirtschaftssanktionen, entgegenstehen könnten, konnten nicht festgestellt werden.“
Damit umgeht die Pressestelle elegant die Tatsache, dass es wohl nicht nur um das Embargo ging. Insiderkreise sprechen davon, dass die Firma Gurt in atemberaubende Korruptions- und Steuerhinterziehungsaffären verwickelt war. Dafür sollen dem BADV russische Zeitungsberichte in Übersetzung vorgelegen haben.
So berichtete die Moskow Post im Februar 2015 darüber, dass Gurt in Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Geldmitteln bei der Herstellung von Ronden für Goznak verwickelt ist. Es soll sich um Beträge in Höhe von einer halben Million Rubel handeln. Wie das gemacht wurde, berichtet der Journalist Nikolaj Polikarpov: „Es stellte sich heraus, dass 2008 FGUP Goznak die Anlagen an die Gurt langfristig vermietet hatte. In den Jahren 2009-2011 gewann die Gurt zehn Mal in Folge die Ausschreibungen zur Herstellung von Münzrohlingen, wofür sie von Goznak vertragsgemäß 4,1 Mia. Rubel erhielt. Die Gesellschaft Gurt hatte Verträge mit der Torgovaja kompanija Avanti, Tehnoservicegroup, Kommerzkapital und einer Reihe sonstiger Firmen abgeschlossen, die sich als Briefkastenfirmen herausstellten. Im Laufe der Vorermittlungsprüfung stellte der Ermittlungsausschuss ferner fest, dass die Geschäftsleitung der Gurt statt die Münzrohlinge selbst zu produzieren, diese bei der ZAO D&K und Mezhregionalnaja metallurgicheskaja kompanija bestellte. Diese Unternehmen haben die Münzrohlinge an die Briefkastenfirmen verkauft und diese übergaben die Rohlinge an die Gurt für den Weiterverkauf an Goznak, jedoch bereits zu einem anderen Preis. Insgesamt wurden 3,5 Mia. Rubel aus den von Goznak gezahlten 4,1 Mia. Rubel überwiesen und anschließend als Schwarzgeld bar abgezweigt. Dabei soll der Gewinn der Gurt aus dem Verkaufskommissionsvertrag angeblich lediglich zwischen 1,5 % bis 5 % von dieser Summe gelegen haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Zweck die Steuerumgehung war.“
Eine weitere russische Zeitung, der „Kommersant“ berichtete am 1. Juni 2015 – zwei Monate vor der deutschen Auftragserteilung an Gurt – darüber, dass ein Strafermittlungsverfahren gegen Anatolij Kluban, Generaldirektor von Gurt, eingeleitet worden sei. Er wurde zu dem Zeitpunkt verdächtigt, dem Fiskus 686 Mio. Rubel an Steuern zu schulden und 3,5 Mia. Rubel, der von Gosnak geleisteten Zahlungen als Schwarzgeld bar an den Steuerbehörden vorbei geleitet zu haben. Anklage war allerdings noch nicht erhoben, doch in dem Ermittlungsverfahren fungierte Anatolij Kluban als Verdächtiger. Inzwischen soll, so ein Kenner des russischen Münzmarktes, eine Verurteilung ausgesprochen worden sein.
Verdächtige sind nach deutschem Recht so lange unschuldig, bis ihre Schuld erwiesen ist. Vielleicht waren die Zeitungsartikel aus diesem Grund nicht von entscheidendem Interesse. Die Wirtschaftszeitung juve fasste die Vorgänge folgendermaßen zusammen: „Doch nach Ansicht der 2. Vergabekammer des Bundes brachte die Freiberger Eurometall lediglich Verdachtsmomente vor, die nicht erhärtet werden konnten.“ Die Freiberger Eurometall sah sich jedenfalls gezwungen, ihren Nachprüfungsantrag zurückzuziehen. Der Auftrag ging an Gurt. Die Ronden für die deutschen 1- und 2-Cent-Stücke sollten also in Russland entstehen.
Wie wunderten sich im Sommer 2016 einige Insider der Münzproduktion, dass vor einem bekannten Mendener Galvanik-Unternehmen ein russischer Lastwagen nach dem anderen mit 1- und 2-Cent-Ronden vorfuhr. Die Erklärung fand sich im Internet. Am 4. Juni 2016 war die Galvanik-Anlage von Gurt abgebrannt. Um keine Konventionalstrafen zu riskieren, hatte Gurt kurzerhand eine deutsche Firma beauftragt, die deutschen Ronden, die eigentlich hätten vollständig in Russland produziert werden sollen, zu galvanisieren. Welche Zollprobleme aus dieser interessanten Situation erwachsen sind, mag man sich gar nicht so recht vorstellen.
Wie auch immer, im November 2016 endet eine neue Ausschreibung der BADV für weitere 1- und 2-Cent Ronden. Und das bevor der Vertrag mit Gurt ausgelaufen ist. Was immer das heißen mag…
Dieser Artikel wurde erstmals publiziert im Mint News Quarterly 04 / 2016. Das Mint News Quarterly wird in Zusammenarbeit mit Monea von Currency News herausgegeben. Redakteur ist Ursula Kampmann.