von Björn Schöpe
29. Juni 2017 – Wissenschaft lebt von provokanten Theorien und Diskussion. Ziel guter Forschung ist daher nicht das endgültige Beantworten der großen Fragen, sondern Beiträge beizusteuern, die als solide Grundlage für weitere Arbeiten dienen können, kritische Fragen zu stellen, die zum Nachdenken anregen. In diesem Sinn ist der schmale Band zu den „Königsbrakteaten der Stauferzeit im Reichsland zwischen Saale und Mulde und in der Oberlausitz“ ein exzellenter Beitrag zur Erforschung des behandelten Gebietes.
Klaus Thieme (+), Ewald Hausmann, Königsbrakteaten der Stauferzeit im Reichsland zwischen Saale und Mulde und in der Oberlausitz. Katalog 4 (2016) der Freiberger Münzblätter. Freiberg, 2016. 14,8 x 21 cm. 139 S., Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß. Paperback. 20 Euro zzgl. Verpackung und Porto.
Klaus Thieme hat sich jahre-, ja jahrzehntelang mit der Bearbeitung der Brakteaten in der Münzsammlung der Universitäts-Bibliothek Leipzig beschäftigt. Während er einen Teil des Bestandes neu ordnete, lernte er die dort versammelten Stücke so gut kennen, dass ihm Details auffielen, die auch der aktuelle Forschungsstand seiner Meinung nach nicht erklärte. Irgendwann fühlte er sich berufen, seine Vermutungen schriftlich auszuarbeiten. Über diese Arbeit verstarb er leider 2013. Glücklicherweise war das Manuskript so weit fortgeschritten, dass es dank des Einsatzes von Ewald Hausmann noch abgeschlossen werden konnte.
Thieme weist in seiner Einleitung darauf hin, dass die letzte gründliche Monografie zum Thema Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen ist. Heinrich Buchenau, der damalige Bearbeiter, legte die Messlatte hoch. Doch hier liegt auch eine Krux. Einerseits wurde mehrere Jahrzehnten nach dem Erscheinen von Buchenaus Werk klar, dass neue Funde eine erneute Bearbeitung notwendig machten, andererseits wollte sich niemand mit dem Standardwerk messen. Das Ergebnis war ein weitgehender Stillstand in der Erforschung dieses Gebietes der mittelalterlichen Numismatik.
In seiner Bescheidenheit weist Klaus Thieme darauf hin, dass seine Arbeit nicht Buchenaus Analysen ersetzen sollen. Ja er betont, dass ein Hauptkritikpunkt an seinem Buch darin bestehen kann, dass er selbst sich nur auf den verhältnismäßig schmalen Leipziger Bestand an entsprechenden Brakteaten beschränkten musste. Und dennoch wirft Thieme seinen Hut in den Ring, um eine Neudiskussion des Themas anzuregen. Dafür alleine gebührt dem Verfasser der größte Respekt. Oft genug werden wissenschaftliche Publikationen hinausgezögert, weil die Autoren nicht wagen, ihre Thesen unperfekt zu präsentieren. Dabei ist doch letztlich jede Arbeit nur ein Schrift auf dem weiteren Weg des Erkenntnisgewinns.
Eine zentrale These Thiemes lautet: Es gab in dem von ihm untersuchten geografischen Territorium nicht nur die allgemein anerkannten Prägestätten Altenburg und Saalfeld. Seiner Ansicht nach erklären sich Unterschiede bestimmter Münztypen nur schlüssig, wenn man eine weitere königliche Prägestätte in Zwickau annimmt. Dafür zieht er neben im engen Sinne numismatischen Argumenten auch historische und archäologische Hinweise hinzu.
Auf eine ausführliche numismatische Analyse folgt der Katalog, in dem nahezu jeder Typus bebildert ist, und der alle wichtigen Angaben verzeichnet, die zur weiteren Beschäftigung nötig sind. Verschiedene Anhänge zu den Münzstätten und Beischlägen runden das Werk ab.
Manches Argument wird nicht unwidersprochen bleiben, der Autor selbst lädt immer wieder zum Widerspruch ein, fordert auf, weiteres Material hinzuzuziehen und seine Arbeit nur als ein Steinchen im Mosaik zu betrachten. Doch damit stapelt er tief. Thomas Arnold, Leiter des Arbeitskreises Sächsische Münzkunde in der Sächsischen Numismatischen Gesellschaft e.V., erfasst in seinem Geleitwort den Wert des Buches treffend, wenn er auch den Wert der Forschungsarbeit von Nichtprofis betont: „Die hier vorgelegte Arbeit führt einen wichtigen neu entdeckten Sachverhalt vor Augen, sie zeigt aber auch wie numismatisch gearbeitet wird, was Numismatiker außerhalb der kleinen Schar der Professionellen zu leisten vermögen und schließlich, was für Wissensschätze in der numismatischen Sammlung der Leipziger Universitätsbibliothek noch schlummern, die es noch zu erschließen gilt.“
Die Veröffentlichungen sind zu beziehen über die Freiberger Münzfreunde e.V. und den stellvertretenden Vorsitzenden Hans Friebe, Tschaikowskistraße 85, 09599 Freiberg bzw. per E-Mail.