Nachruf auf Maria Radnoti-Alföldi (6.6.1926-7.5.2022)

Maria Alföldi und Peter Berghaus, 1993 in Osnabrück auf einer Tagung. Foto: Frank Berger.
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Nach einem langen erfüllten und ereignisreichen Leben ist Maria Radnoti-Alföldi am 7. Mai 2022 in Frankfurt in Ruhe und sanft von uns gegangen. Sie wurde in Budapest als einziges Kind des Arztes Geza Alföldi und seiner Frau Olga geboren. 1944 machte sie das Abitur und studierte sie bis 1949 an der Philosophischen Fakultät der Universität Budapest, unter anderem bei dem Althistoriker und Numismatiker Andreas Alföldi (1895-1981), der auch ihr Doktorvater war. Schon während ihres Studiums publizierte sie mehrere Aufsätze über die Münzprägung des 4. Jahrhunderts, vornehmlich in den Numizmatikai Közlöny. Ebenfalls während des Studiums lernte sie den Archäologen Aladár Radnóti (1913-1972) kennen. 1947 heiratete das Paar und bekam vier Kinder. Nach dem Studium arbeitete Maria Radnoti-Alföldi bis 1957 in der Münzsammlung des Ungarischen Nationalmuseums. Alljährlich im Wintersemester war sie ab 1950 Lehrbeauftragte an der Universität Budapest. Nach dem Ungarischen Aufstand floh das Paar unter abenteuerlichen Umständen über Wien nach München, zunächst unter schmerzlicher Zurücklassung der Kinder. Erst 1962 war die Familie wieder vereint.

In München war Maria Radnoti-Alföldi von 1957 bis 1962 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsunternehmens „Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland“ (FMRD) tätig, wo sie den Bayrischen Regierungsbezirk Schwaben bearbeitete. Sie habilitierte sich im Sommersemester 1961 an der Universität München für das Fach Antike Numismatik mit der Arbeit „Die constantinische Goldprägung“ (Mainz 1963). In Frankfurt wohnhaft behandelte sie für FMRD die Fundmünzen auf dem Gebiet der Stadt Trier (Berlin 1970). Nach dem Tod von Aladar Radnoti wurde sie 1973 auf dessen Professur berufen, dem heutigen „Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. II.“. Dieses behandelt die Fächer „Archäologie der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde“. Ihr Institut in der Gräfstraße im Frankfurter Stadtteil Bockenheim wurde europaweit zu einem Zentrum der numismatischen Lehre und Ausbildung. Die Zahl ihrer Schülerinnen und Schüler ist Legion. Vor Ort hörte sie knapp und respektvoll auf die Anrede „Chefin“, wobei sie nicht selten ihre Mitarbeiter und Kollegen, wie den Unterzeichneten, mit „mein Alter“ titulierte.

Maria Radnoti-Alföldi stellte 1978 ein grundlegendes zweibändiges Werk unter dem Titel „Antike Numismatik“ vor, in dem sie einerseits Theorie und Praxis des Fachs behandelte und im zweiten Teil eine Bibliographie zusammenstellte. 1991 trat sie 65jährig in den Ruhestand, wozu die Festschrift „Die Münze: Bild – Botschaft – Bedeutung“ mit 30 Fachbeiträgen erschien. Im Ruhestand setzte sie die Bearbeitung der Fundmünzen aus Trier fort und legte von 2006 bis 2008 vier Bände vor. Ihre numismatische Nachfolge traten von 1993 bis 2014 Hans-Markus von Kaenel und ab 2016 Fleur Kemmers an.

Schwerpunkte ihrer Forschung waren die Selbstdarstellung der römischen Kaiser und die Fundmünzenanalyse. Große Verdienste hatte sie um die Wissenschaftsorganisation der Numismatik. Mit ihrem späteren Nachfolger Hans-Markus von Kaenel leitete sie das Griechische Münzwerk der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Desweiteren das Projekt „Fundmünzen der Antike der Akademie der Wissenschaften und Literatur im Mainz. In diesem Projekt gibt es inzwischen in Deutschland 45 Bände, die sie seit 1973 betreut hatte. Zugehörig sind die von Maria Radnoti-Alföldi initiierten Auswertungsbände „Studien zu den Fundmünzen der Antike“, deren Anzahl sich inzwischen auf 23 Bände beläuft.

Maria Radnoti-Alföldi war ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur und Ehrenmitglied der Frankfurter Numismatischen Gesellschaft, der österreichischen Numismatischen Gesellschaft, der Ungarischen Numismatischen Gesellschaft, der Ungarischen Gesellschaft für Altertumsforschung, der Société Francaise de Numismatique und der Commission Internationale de Numismatique. Die American Numismatic Society verlieh ihr 2000 die Archer M. Huntington Medal und die Bundesrepublik Deutschland 1992 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens. Für Maria Radnoti-Alföldi war die internationale Numismatik ihr zuhause, zumal sie neben ihrer Muttersprache ungarisch derart problemlos deutsch, englisch, französisch, italienisch und latein beherrschte.

Die Verstorbene war eine tiefgläubige Katholikin, die ihren Glauben auch aktiv in der Mitarbeit der Frankfurter Bahnhofsmission praktizierte. Notleidende und caritative Organisationen konnten auf ihre Hilfe rechnen. Für die Trauermitteilung wählte ihre Familie, bestehend aus Sohn, Töchtern, Enkeln und Urenkeln, den bezeichnenden Satz des Augustinus „Moneta Christi homo est“ (Münze Christi ist der Mensch), in dem Glaube und Numismatik zusammengeführt sind. Am 20. Mai 2022 fand im Beisein ihrer Familie und einiger Schüler sowie Fachkollegen und Fachkolleginnen auf dem Frankfurter Hauptfriedhof die Trauerfeier und anschließende Beerdigung statt.

 

Nach zahlreichen Anfragen bei ehemaligen Schülern und Mitarbeitern der Verstorbenen dankt die MünzenWoche Frank Berger, uns diesen auch für das „Numismatische Nachrichtenblatt“ vorbereiteten Nachruf in etwas veränderter und kürzerer Fassung zur Verfügung gestellt zu haben.

2016 gratulierte Helmut Schubert Maria Radnoti-Alföldi in der MünzenWoche zum 90. Geburtstag.

Lesen Sie auch den Wikipedia Beitrag zu Maria Radnoti-Alföldi. Dort ist auch eine Auswahl ihrer Schriften aufgeführt.