von Ursula Kampmann
8. August 2013 – Rund 80.000 Jahre Kulturgeschichte auf 2.500 Quadratmetern präsentiert das Landesmuseum Stuttgart seit 2012 in seiner neuen Dauerausstellung. Und darunter befindet sich jede Menge Numismatisches, wie wir bei einem Besuch feststellen konnten.
Ein Blick in die Ausstellung, Abt. Jungsteinzeit. Foto: KW.
Das mit den 80.000 Jahren ist übrigens mehr als ernst gemeint. Die ältesten Spuren einer menschlichen Besiedelung Württembergs stammen aus der Nähe von Bad Cannstatt und dürften ein Alter von rund 240.000 Jahren haben. In den großen Höhlen der Schwäbischen Alb siedelten die Neandertaler während der letzten Eiszeit und schufen Objekte, deren zeitlose Schönheit noch heute den modernen Menschen beeindruckt.
Armspiralen aus dem Depotfund von Ravensburg, 1.900-1.600 Foto: KW.
Nichtsdestotrotz entdeckt man natürlich erste Spuren von einer Art Geld auch in Württemberg erst wesentlich später, und zwar dann wenn es von der Kupfer- in die Bronzezeit geht.
Fragmente eines zypriotischen Kupferbarrens aus dem Depotfund von Oberwilflingen. 14. / Anfang 13. Jh. v. Chr. Foto: KW.
Zahlreiche Hortfunde mit genormten Metallobjekten sind zum Vorschein gekommen. Da gibt es Armspiralen, Spangenbarren, aber auch Bruchstücke eines zypriotischen Kupferbarrens.
Kompletter Kupferbarren – nicht aus Stuttgart, sondern dem Alten Museum in Berlin, 2. Jt. v. Chr., aus dem Meer zwischen der Türkei und Zypern. Foto: KW.
Kupfer aus Zypern hat man in der ganzen Mittelmeerwelt gefunden, wobei Württemberg als Fundort für zyprisches Kupfer ziemlich exotisch ist. Man erwartet diese riesigen, rund 25 Kilogramm schweren Barren in Form einer Ochsenhaut eher in den untergegangenen Schiffen vor den Küsten des östlichen Mittelmeeres.
Zwei Beile vom Langquaider Typ. Foto: KW.
Dann gibt es in Württemberg natürlich noch die verschiedenen standardisierten Beilformen, hier Beispiele vom so genannten Langquaider Typ, die zusammen mit rund 100 Spangenbarren gefunden worden sind.
Materialdepot aus 110 Bronzeobjekten. Foto: KW.
Wie man diese Hortfunde deutet – als Metallvorrat eines Schmieds, der aus Sicherheitsgründen dem Boden anvertraut wurde, oder als kleiner Schatz, den ein reicher Mann vor Tausenden von Jahren als „Notgroschen“ zusammengetragen hat – das bleibt jedem selbst überlassen. Schriftliche Quellen aus der Zeit gibt es natürlich keine.
Keltische Münze nach makedonischem Vorbild, 2.-1. Jh. v. Chr., gefunden bei Nagold, Kreis Calw. Foto: KW.
Auf etwas sichererem Boden befinden wir uns bei den prachtvollen keltischen Münzen, die im Landesmuseum ausgestellt sind. Schließlich war Württemberg ein Zentrum der keltischen Kultur. Man denke nur an die Heuneburg mit ihrer Burgmauer nach mediterranen Vorbildern. Auch der Fürst von Hochdorf, dessen Grab 1978 entdeckt wurde, ist ein gutes Beispiel des Reichtums, den lokale Potentaten mit guten Verbindungen in den Süden anhäufen konnten.
Eisenbarren aus einem Depotfund des 2./1. Jh. v. Chr., Uttenweiler, Kreis Biberach. Foto: KW.
Die Barren sahen inzwischen allerdings etwas anders aus. Wichtig geworden war das Eisen, das man als Spitzbarren im Gewicht zwischen 5,5 und 7,5 Kilo verhandelte.
Eine Vitrine für keltische Münzen. Foto: KW.
Gleich eine ganze Ecke der keltischen Abteilung ist der Münzprägung gewidmet.
Regenbogenschüsselchen des ATVLLOS umgeben von Kreuz- und Büschelquinaren, ca. 100 v. Chr. Foto: KW.
Höhepunkt ist ein Regenbogenschüsselchen, das den Namen „ATVLLOS“ nennt. Natürlich wäre es verlockend, darin einen einheimischen Münzherren zu sehen.
Rekonstruktion einer keltischen Münzwerkstatt. Foto: KW.
Wie diese Münzen hergestellt wurden, darüber gibt eine Zeichnung Auskunft. Man achte dabei weniger auf den Mann im blauen Gewand, der im Vordergrund Münzen prägt – wie man das macht, dürften die meisten Münzfreunde schließlich wissen. Interessanter ist der Mann in der grünen Hose mit der Waage. Er wiegt Goldgranulat ab, um es in die so genannten Tüpfelplatten zu füllen. Darin wurden die Münzschrötlinge hergestellt. Der Mann im braunen Obergewand hält so eine Tüpfelplatte über das Feuer, um so das Granulat zum Schrötling einzuschmelzen.
Tüpfelplatte, gefunden in Gerlingen, Kreis Ludwigsburg, 2./1. Jh. Foto: KW.
Diese Tüpfelplatten hat man praktisch in allen größeren keltischen Siedlungen gefunden.
Römische Münzen. Foto: KW.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Präsentation der römischen Münzen in der Ausstellung. Man sieht deutlich, dass sich hier der Architekt mit seinem Konzept durchgesetzt hat – und die Begeisterung des Architekten für die Schönheit des Kleinen war sichtlich gering.
Interaktives Element zur Numismatik. Foto: KW.
Dafür ist dieses kleine Spiel überaus geglückt. Es gilt, die Münzen richtig zusammenzufügen, um so zu erfahren, was unter einem bestimmten römischen Kaiser in Württemberg geschah.
Domitian und Domitia. Foto: KW.
Dass dabei unter Domitian seine Gattin Domitia abgebildet ist, fällt sowieso nur Eingeweihten auf.
Schatzfund von Köngen, Kreis Esslingen, 3. Jh. n. Chr. Foto: KW.
Jede Menge Schatzfunde des 3. Jh. kamen in Württemberg ans Tageslicht, so der Hort von Köngen mit 615 Antoninianen und Denaren, dessen jüngstes Stück aus der Zeit des Philippus Arabs (244-249) stammt.
Alamannische Schmuckscheibe eines Pferdegeschirrs. Dargestellt ist ein Reiter, der einen Gegner zu Boden streckt. Grabfund aus Pliezhausen, Anfang 7. Jh. Foto: KW.
Hatte schon unter Diocletian die Tauschwirtschaft wieder begonnen, war das Geld während der Völkerwanderungszeit fast vollständig aus Württemberg verschwunden. Nun zeichneten sich reiche Menschen wieder durch andere Dinge wie kostspieligen Schmuck aus.
Der Geldbeutel des Judas mitten in der Gefangennahme Jesu. Passionsrelief aus der Abtei Zwiefalten, um 1520. Foto: KW.
Auch wenn es natürlich im Mittelalter und der frühen Neuzeit viele Münzen gab, stehen die in der Ausstellung nicht im Mittelpunkt. Aber natürlich stößt man trotzdem auf zahlreiche Objekte mit numismatischem Beigeschmack. Das Passionsrelief aus Zwiefalten illustriert z. B. den Vorbehalt, den ein frommer Christ gegen das Geld und seine Verführungskraft hatte.
Der Bischof von Konstanz im Rat Eberhards des Milden. 1575-1583. Foto: KW.
Wesentlich spannender ist es da schon, wenn der Bischof von Konstanz sichtbar seinen Geldbeutel aus dem Gewand zieht. Zu sehen ist diese Darstellung auf einem Bild, das im Auftrag Ludwigs von Württemberg (1568-1593) entstand, der stolz darauf war, dass sein Vorfahre Eberhard der Milde (1392-1417) so bedeutende Herren wie die Bischöfe von Augsburg und Konstanz an seinen Hof zu ziehen vermochte.
Dr. Matthias Ohm zeigt uns die Highlights seiner Sammlung. Foto: UK.
Übrigens nahm sich Herr Dr. Matthias Ohm die Zeit, uns persönlich durch die Ausstellung zu führen. Er ist verantwortlich für das Münzkabinett, Militaria, Waffen und Landeskunde.
Herzog Johann Friedrich von Württemberg, Neujahrs-Medaillen, 1627 (Rückseiten). Foto: Hendrik Zietasch.
Hier zeigt uns Herr Ohm zwei Medaillen, auf deren Rückseite die alte Anlage von Freudenstadt abgebildet ist, die bei einem schlimmen Brand im Jahre 1632 vernichtet wurde.
Plan zum fünfzeiligen Ausbau von Freudenstadt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart N220 B 14, 1 Bl. / Wikipedia.
Noch um 1604 hatte man geplant, die Stadt zu erweitern. Das hier projektierte Schloss im Zentrum des gewaltigen Platzes wurde übrigens nie gebaut.
Holzmodell für eine Porträtmedaille Christophs von Württemberg von Christoph Weiditz. Augsburg, 1533/4. Foto: KW.
Was für prachtvolle Kleinkunstwerke im Auftrag der württembergischen Herzöge entstanden, zeigt exemplarisch ein Holzmodell für eine Porträtmedaille Christophs von Württemberg.
Inhalt des Grundsteins für ein neues Gymnasium, mit dessen Bau 1685 begonnen wurde. Foto: KW.
Und damit führt uns die Ausstellung allmählich hinüber in die Neuzeit. Auch hier sind immer wieder numismatische Objekte eingestreut, so der Inhalt eines Grundsteins, mit dessen Legung 1685 der Bau eines neuen Gymnasiums in Stuttgart begonnen wurde. Man mauerte damals eine Inschriftentafel aus Zinn ein, zwei Flaschen mit Rot- und Weißwein, sowie …
Goldmedaille anlässlich der Grundsteinlegung des neuen Gymnasiums von Stuttgart am 27. März 1685 durch Herzog Friedrich Carl. Foto: KW.
… je zwei Gold- und Silbermedaillen mit der Darstellung der geplanten Schule.
Spottmedaille auf die Hinrichtung des „Jud Süß“ (1698-1738), 1738. Foto: KW.
Natürlich darf auch der berühmte „Jud Süß“ nicht fehlen, oder korrekter Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, der dem Herzog Karl Alexander von Württemberg als Hoffaktor diente. In dessen Auftrag versuchte Oppenheimer die desolaten Finanzen des Landes dem herzoglichen Geldbedarf anzupassen. Schon allein damit machte er sich bei der Bevölkerung nicht gerade beliebt; zieht man dann noch in Betracht, dass er als Jude im Auftrag eines zum katholischen Glauben konvertierten Herrschers über eine protestantische Bevölkerung bestimmte, wird klar, warum Oppenheimer nach dem Tod von Karl Alexander ein Opfer des Volkszorns wurde. Sein Schauprozess endete am 9. Januar 1738 mit dem Todesurteil. Einen Monat später richtete man ihn hin. Sechs Jahre lang blieb sein Leichnam in einem eisernen Käfig, in dem man den einstigen Finanzminister öffentlich zur Schau stellte.
Das Schicksal des „Jud Süß“ ist heute noch vielen Menschen vertraut, da die Literatur und vor allem der Film sich dieser interessanten Persönlichkeit annahm. Wilhelm Hauff und Lion Feuchtwanger betonten die Ungerechtigkeit der Verurteilung, genauso wie ein erster angloamerikanischer Film mit dem Titel Jew Süss. Berüchtigt wurde die 1940 uraufgeführte Version von Veit Harlan im Auftrag der nationalsozialistischen Regierung Deutschlands.
Münzstempel des Fürstpropstes der Abtei Ellwangen, Anton Ignaz von Fugger-Glött (1756-1787). Foto: KW.
Beenden wir unseren kleinen numismatischen Rundgang durch die neue Dauerausstellung des Landesmuseums Württemberg mit den Münzstempeln für den Taler des vorletzten Fürstpropstes der Abtei Ellwangen, Anton Ignaz von Fugger-Glött, einem der angenehmeren Zeitgenossen des Absolutismus. Er sanierte die Finanzen der Abtei Ellwangen und tat einiges, um die soziale Lage der Bevölkerung zu verbessern, ehe er Bischof von Regensburg wurde und auch dort tatkräftig die Institutionen reformierte.
Ein Blick in die Dauerausstellung. Foto: KW.
Mit dem 19. Jahrhundert endet die neue Dauerausstellung, deren Besuch sich wirklich lohnt – ob man nun numismatisch, historisch, archäologisch oder ganz allgemein interessiert ist.
Näheres über das Landesmuseum Württemberg finden Sie hier.
Wir brachten bereits einen kurzen Beitrag zur Eröffnung der Dauerausstellung.
Hier können Sie online einige der herausragenden Objekte der Sammlung entdecken. Darunter gibt es auch jede Menge Numismatisches.
Das Landesmuseum Württemberg hat einen eigenen Youtube Kanal – und die Demonstration der Wirkungsweise von Spatha, Franziska und Sax ist so gelungen, dass man sie sich UNBEDINGT ansehen sollte.
Im August 2013 ist übrigens ab 25 Grad im Schatten im Museum hitzefrei – sprich, der Eintritt ist kostenlos!