Neue Dauerausstellung im Historischen Museum Basel

[bsa_pro_ad_space id=4]

17. November 2011 – Am 13. November hat das Historische Museum Basel seine neue Dauerausstellung im Untergeschoss der Barfüßerkirche eröffnet. Die größte Etappe der Gesamterneuerung findet damit ihren Abschluss. In den baulich und technisch komplett erneuerten Räumen wurde die Ausstellung auf 1200 qm inhaltlich und didaktisch von Grund auf neu konzipiert. Unter dem Leitthema „Wege zur Welterkenntnis“ lädt sie dazu ein, den Wandel des Weltbildes zu erkunden und hochkarätige Sammlungsbestände neu zu erleben.

Die Bildteppiche der Ausstellung. Foto: HMB Philipp Emmel.

Gegenstände aus den Bereichen der Kunst, der Wissenschaft und des Alltags spiegeln die Sicht der Menschen auf die Welt wider: Die Basler Bildteppiche des Spätmittelalters präsentieren fantastische Gegenwelten zum Alltag. In Kunst- und Wunderkammern, bestückt mit Gegenständen aus allen Bereichen des Wissens, legten sich private Sammler vom 16. bis 18. Jahrhundert einen Überblick über das Weltwissen an. Münzen und Medaillen erzählen in ihren Bildern seit über 2500 Jahren von Völkern und Kulturen. In archäologischen Grabungen werden seit der Renaissance bis heute die Erkenntnisse über vergangene Zeiten und versunkene Welten erweitert.

Basel. Medaille auf die friedliche Beilegung des Rappenkriegs, 1594. Silber, geprägt. Aus dem Besitz des Remigius Faesch. 10,685 g. Inv. 1905.1400.

So gewährt die Ausstellung Einblicke in die Weltvorstellungen früherer Epochen auf den Wegen zur Welterkenntnis. Unter diesem Rahmenthema lassen sich verschiedene Sammlungsschwerpunkte über die Zeitepochen hinweg miteinander verknüpfen: Die bis zu den Kelten zurückreichende, archäologisch erforschte Stadtgeschichte hat nach zehnjähriger Unterbrechung wieder ihren festen Platz in der Dauerausstellung gefunden. Auch die bedeutenden spätmittelalterlichen Bildteppiche werden neu erfahrbar. Und schließlich stellt die Ausstellung die reichen Kunstkammerbestände des Historischen Museums Basel ins Zentrum und unterstreicht somit Basels Rolle in der Geschichte der bürgerlichen Sammlungen der Frühen Neuzeit und seine darauf gründende Bedeutung als Museumsstadt heute.

Die Ausstellung lädt zum Verweilen und Staunen ein. Den Bedürfnissen des breit gefächerten Publikums nach Information, Unterhaltung, Erkundung und Aktivität wird sie auf unterschiedlichste Weise gerecht: Über Multimedia- und Hörstationen werden Objekte erlebbar gemacht. Eine spezielle Kinderebene, die spannende Objekte für die kleinen Besucher zum Leben erweckt, zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Zudem bietet der neu eingerichtete Vermittlungsraum die Möglichkeit, mit Gruppen praktisch zu arbeiten.

Rundgang
Die Ausstellung gliedert sich in 52 Kapitel mit insgesamt rund 2500 Sammlungsobjekten. Das Rahmenthema „Wege zur Welterkenntnis“ bindet folgende drei Hauptteile zusammen:

– Lebens- und Fantasiewelten – Bildteppiche des Mittelalters
– Eine Welt im Kleinen – Die große Kunstkammer. Angegliedert: Burgunderbeute; Münzkabinett
– Verborgene Welten – Archäologie in Basel

Wunderkammer Außenansicht. Foto: HMB Philipp Emmel.

Den Auftakt des Rundgangs bilden der Globuspokal aus dem Amerbach-Kabinett von 1550 und eine Armillarsphäre (Tischplanetarium) von 1770; sie vertreten das geozentrische und das heliozentrische Weltbild und stehen für den Wandel der Weltsicht in dieser Zeit.

„Lebens- und Fantasiewelten – Bildteppiche des Mittelalters“: In die Welt des Mittelalters gelangt man durch eine spätgotische Stube. Unversehens steht man quasi in einem Garten, der mit vornehmen Liebespaaren, jagenden Wildleuten, realen Tieren und Fantasiewesen wie Drachen, Greifen und Einhörnern belebt ist. Auf den bis zu sechs Meter langen Bildteppichen entfalten sich farbenfrohe Szenen des Lebens und der Vorstellungswelt des späten Mittelalters. Sie zeugen ebenso von höfisch geprägten Idealen wie von fantastischen Gegenwelten jener Zeit.
Die 14 Bildteppiche aus spätgotischer Zeit gehören zu den großen Kostbarkeiten der Sammlung. Hergestellt wurden die meisten von ihnen in der aufwendigen Wirktechnik, die im 15. Jahrhundert in den oberrheinischen Städten Basel und Straßburg in hoher künstlerischer Blüte stand. In der neuen Präsentation wird dank moderner Beleuchtungstechnik und durch den Verzicht auf Vitrinenglas ein sinnliches Erleben dieser fast märchenhaft erzählenden Darstellungen ermöglicht.

„Eine Welt im Kleinen – Die große Kunstkammer“: Eine Welt im Kleinen schufen sich Basler Persönlichkeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts mit ihren privaten Sammlungen.

Medaille auf Erasmus von Rotterdam aus seinem eigenen Nachlass, Quentin Massys (Löwen um 1456-1530 Antwerpen), datiert 1519, Guss wohl um 1524. Weißbronzeguss, 106,2 mm. 333,68 g. Inv. 1916.288.

Einleitend zeigt die Ausstellung den Nachlass des 1536 in Basel verstorbenen Erasmus von Rotterdam, der zum Grundstock des Amerbach-Kabinetts gehört.

Frankreich, Königreich. Heinrich II. (1547-1559), Double Henri d’or „à la Gallia“, Münzstätte Paris Moulin des Étuves, o.J. (um 1554/55). Aus dem Besitz des Basilius Amerbach. Gold, 27,9 mm, 7,312 g. Inv. 1918.2207.

In einer chronologischen Reihe werden ausgewählte Sammlerpersönlichkeiten vorgestellt: So der Rechtsgelehrte Basilius Amerbach, der Kaufmann Andreas Ryff, der Mediziner und Forscher Felix Platter, der Jurist Remigius Faesch, die Münzsammler der Familie Schorndorff sowie die Heimatforscher und Kunstliebhaber Daniel Bruckner und Daniel Burckhardt-Wildt. Schließlich führen der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt und der Germanist Wilhelm Wackernagel, die beide zum wissenschaftlich begründeten Sammlungswesen beitrugen, in die Zeit, als sich in Europa das öffentliche Museumswesen etablierte und die einzelnen Sammlungssparten auch in Basel getrennte Museumswege gingen. Neben Porträts bilden einzigartige Sammlungsmöbel die Schaustücke dieser Galerie.

Wunderkammer Innenansicht. Foto: HMB Philipp Emmel.

Die vielfältigen Gegenstände aus dem Bereich der Natur, der Geschichte, der Kunst und der Wissenschaft fasst die Ausstellung in der „großen Kunstkammer“ zusammen. In diesem Kernbereich des ganzen Rundgangs steht das „Kabinett des Staunens“, das sich als freistehender Pavillon von der übrigen Umgebung abhebt. Hier erwarten den Besucher wundersame Schöpfungen der Natur wie Teufelsfinger oder ein Paradiesvogel, kunstvolle Erzeugnisse von Menschenhand wie Kokosnusspokale, archäologische Grabungsfunde und wissenschaftliche Instrumente. Mit den vier Sammlungskategorien Naturalia, Antiquitates, Artificialia und Scientifica folgt seine Einrichtung der theoretischen Ordnung einer „idealen“ Kunstkammer. Seine metallverkleidete Außenhaut, die mit Zitaten aus den Inventaren der privaten Sammler auf den Inhalt des Kabinetts anspielt, verleiht ihm Denkmalcharakter. Um das „Kabinett des Staunens“ herum gruppiert die Ausstellung herausragende Einzelstücke aus dem Amerbach-Kabinett und dem Museum Faesch. Zudem entfaltet sich hier der vielfältige Kunstkammerbestand in thematischer Gliederung. Dauerleihgaben der Universitätsbibliothek, des Kunstmuseums Basel, des Naturhistorischen Museums Basel und des Pharmazie-Historischen Museums Basel runden die Sammlungsbestände ab.

Münzenkabinett. Foto: HMB Philipp Emmel.

Die „große Kunstkammer“ leitet wie ein Scharnier zu den benachbarten Ausstellungsbereichen über: zur Burgunderbeute oder zu den Münzen und Medaillen, die als offizielle Zahlungsmittel und Kleinkunstwerke das größte zeitliche und geografische Spektrum der Ausstellung repräsentieren. Unter dem Titel „Weltgeschichte in der Hand“ werden Münzen als Zeugen der Vergangenheit präsentiert, während bei den Medaillen ihre Funktion als Kunstwerke und in Metall verewigte Propaganda im Mittelpunkt steht.

„Verborgene Welten – Archäologie in Basel“: Seit dem 16. Jahrhundert betrieben die privaten Basler Sammler auch archäologische Ausgrabungen in der Region und verleibten ihren Kunstkammern überregional getauschte Funde ein. Damit ist auch der Bezug zum dritten Ausstellungsteil gegeben, wobei hier der Bogen zur „modernen Archäologie“ geschlagen wird. Der Ausstellungsteil führt mit Bodenfunden die frühe Basler Stadtgeschichte von der Keltenstadt bis zum Bischofssitz vor Augen: Kelten bauten hier zwei bedeutende Siedlungen, bevor die Römer das spätere Basel in ihr Weltreich eingliederten. Mit dem Abzug der römischen Truppen brachten Alamannen neue kulturelle Einflüsse in die Region. Unter fränkischer Herrschaft wurde der Augster Bischofssitz nach Basel verlegt – damit war die Entscheidung für die künftige Stadt auf dem Münsterhügel gefallen. Siedlungsmodelle und sorgfältig erarbeitete Lebensbilder, die auf archäologischen Entdeckungen basieren, geben einen lebendigen Einblick in die Entwicklung von der Keltenstadt bis zum Bischofssitz. Stationen zum Graben, Ausprobieren, Rätseln und Hören machen auch diesen Teil der Ausstellung für Kinder attraktiv.

Gestaltung
Die von Ursula Gillmann vom gleichnamigen Basler Büro gestaltete Ausstellungsarchitektur kaschiert die von den Pfeilerfundamenten der Kirche vorgegebene Dreischiffigkeit des Untergeschosses. Durch die asymmetrischen Grundrisse der Vitrinen- und Präsentationselemente schafft sie eine verwinkelte stadtartige Grundstruktur mit einer Hauptgasse, mit Plätzen und Höfen bis hin zu tatsächlichen Wohnstuben. Denn die seit 1894 im Museum bestehenden historischen Zimmer unter dem südlichen Seitenschiff sind thematisch eingebunden. Die einzelnen Ausstellungsbereiche sind farblich unterschieden. Der helle gewölbte Chorkeller bleibt von raumhohen Einbauten frei, die Bodenfunde werden z. T. in Bodenvitrinen gezeigt. Der Vermittlung dienen neben ausführlichen Wandtexten 21 Medienstationen mit Filmen, Hörtexten und Objektinformation. Die einführenden Texte in die einzelnen Kapitel der Ausstellung sind jeweils dreisprachig.
Das Untergeschoss wurde unter Leitung des Architekten Gian Fistarol in Zusammenarbeit mit dem Hochbau- und Planungsamt baulich saniert. Die technische Infrastruktur wurde nach 30 Jahren erneuert. Neu eingerichtet werden konnten ein Personalraum für die Aufsichten und ein Vermittlungsraum.

Gesamtprojekt
Die neue Dauerausstellung im Untergeschoss bildet die letzte große Etappe der seit 1996 laufenden Gesamterneuerung des Museums. Seit der Einrichtung des Historischen Museums Basel in der Barfüßerkirche 1892 ist die Dauerausstellung damit zum vierten Mal erneuert worden. Der aktuellen Erneuerung liegt ein Konzeptwechsel zugrunde: Die Darstellung der Stadtgeschichte, die 1981 im neu geschaffenen Untergeschoss installiert worden war, wurde im wahrsten Sinn des Wortes „aus dem Keller“ geholt und ins Kirchenschiff verlegt. Seit 2008 ist dieser Teil mit dem offenen Kirchenschiff, dem Lettner mit seinen Kapellen und zwei Emporen erfolgreich in Betrieb.

Kosten
Die Kosten für die jetzt beendete letzte Etappe der Erneuerung betragen CHF 7 Mio. Für das Gesamtprojekt beliefen sich die Kosten für die vergangenen 15 Jahre auf CHF 18 Mio. Davon entfallen die Hälfte auf die Ausstellung, die andere Hälfte auf begleitende bauliche und technische Anpassungen und Modernisierungsmaßnahmen. Die überwiegenden Kosten (12,4 Mio.) trug der Kanton Basel-Stadt  als Museumsträger. Rund ein Drittel der Investitionen (5,6 Mio. CHF) wurden von Museumsseite durch Drittmittel aufgebracht, hauptsächlich durch die Stiftung für das Historische Museum Basel.

Neue Website
Zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung präsentiert sich das HMB auch mit einer neuen Website: übersichtlich, informativ, unterhaltend und barrierefrei. Alle wichtigen Informationen sowie Daten und Fakten über das Museum sind schnell zu finden. Es werden Einblicke in die Ausstellungsbereiche und hinter die Kulissen geboten. Auf einer Zeitleiste können Benutzerinnen und Benutzer durch unsere Sammlung flanieren oder aber sich systematisch über die Sammlung informieren.

Begleitbuch
Zur Eröffnung gibt das Historische Museum Basel im Christoph Merian Verlag unter dem Titel „Die grosse Kunstkammer“ eine Begleitpublikation heraus.

Die neugestaltete Seite des HMB finden Sie hier.