von Ursula Kampmann
6. Dezember 2012 – Heute ist Gotha eine attraktive Kleinstadt mir rund 50.000 Einwohner. Im Jahre 1643 aber beschloss Ernst I. von Sachsen-Gotha hier eine Hauptstadt mit internationalem Anspruch zu errichten.
Ernst I. der Fromme, 1640-1675. Reichstaler 1675 auf seinen Tod. Aus Auktion Emporium Hamburg 68 (2012), 1648.
Ernst hatte wie fast alle seiner neun Brüder während des 30jährigen Krieges als Oberst in der Schwedischen Armee gedient. Er kannte die Schrecken, die ein Schlachtfeld oder die Plünderungen der Zivilbevölkerung mit sich brachten. So sehnte sich nach einer anderen Zeit und nannte das Schloss, das er in dem ihm zugefallenen Erbteil erbaute, programmatisch „Schloss Friedenstein“. Es war konzipiert als eine gigantische Schlossanlage des Frühbarock. Sie sollte durch Prunk zu ersetzen, was dem kleinen Herzogtum Sachsen-Gotha an realer Macht vielleicht fehlen mochte.
Schloss Friedenstein – Ansicht von Süden. Foto: KW.
Schloss Friedenstein war nicht nur zum Wohnen gedacht. Alle Institutionen des jungen Staats fanden hier ihr Unterkommen. Da gab es Räume für die Landesverwaltung und das Archiv. Marstall, Schmiede und Zeughaus wiesen das Gebäude als Zentrum der Landesverteidigung aus. Ein bis heute erhaltenes Theater demonstrierte die Bedeutung des Fürstenhofs in der Welt der Kunst.
Balancier unter den Arkaden. Foto: KW.
Und auch die Münzstätte war im Schloss Friedenstein untergebracht – zumindest für einige Jahre. Sie befand sich dort, wo heute die Schlossgaststätte ihren Platz hat. Von wirtschaftlicher Bedeutung waren die frühen Prägungen keinesfalls. Sie dienten der Repräsentation und zeigten den Fürsten als frommen Mann, was sich bis heute in seinem Beinamen erhalten hat.
Ausschnitt aus der Silbermedaille von Nikolaus Seeländer mit der Allegorie auf die Einrichtung des Gothaer Münzkabinetts durch Herzog Friedrich II., 1713. Foto: KW.
Ernst I. erhielt einen Teil der ernestinischen Kunstsammlung, Grundstock für die heute noch in Gotha zu besichtigende Sammlung. Die Qualität der Kunstkammer und ihre exquisiten Objekte müssen vor Jahrhunderten jeden Kenner überrascht und überwältigt haben, und das tun sie auch heute noch. Wer sich für eine Schlossbesichtigung entscheidet, der sollte mindestens drei bis vier Stunden einkalkulieren, um das vorhandene Material gebührend zu würdigen.
Cranach-Saal in Schloss Friedenstein. Foto: KW.
Lieben Sie die Kunst der Reformation? Nun, dann planen Sie genügend Zeit ein für die Räume, in denen Gothas wirklich bedeutende Cranach-Sammlung untergebracht ist.
Münzen und Miniaturen eng zusammen, um den Vergleich zu ermöglichen. Foto: KW.
Besonders erfreulich ist die räumlich enge Zusammenstellung von Porträts der fürstlichen Akteure der Reformation aus der Hand Cranachs zusammen mit ihren eindrucksvollen Münzen und Medaillen.
Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, gemalt von Lucas Cranach dem Älteren, 1536. Foto: KW.
Numismatische Größen wie Friedrich der Weise, …
Sachsen. Friedrich August III., 1904-1918. J. 141. Aus Auktion Künker 213 (2012), 6077.
… der dem Münzsammler vor allem dadurch bekannt ist, dass sein Porträt die teuerste Münze der Prägungen des Kaiserreichs ziert, sind hier in originaler und zeitgenössischer Porträtkunst zu bewundern.
Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, genannt der Großmütige, gemalt von Lucas Cranach 1535. Foto: KW.
Aber auch andere Herrscher wie Johann Friedrich I. von Sachsen kennen wir Münzsammler eher von den Münzporträts.
Johann Friedrich I. der Gutmütige als Herzog, 1552-1554. Doppelter Goldgulden 1552, Saalfeld. Aus Auktion Künker 100 (2005), 451.
Hier eine repräsentative Goldprägung, auf der man deutlich die kurz geschnittenen Haare und die auffällige Barttracht wiedererkennt, die auch Lucas Cranach für so typisch hielt, dass er sie im Porträt fixierte.
Porträt des Erich Volckmar von Berlepsch, gemalt von Lucas Cranach 1580. Leihgabe der Kirchgemeinde Kleinurleben. Foto: KW.
Auch wenn dieser Herr es nicht zu numismatischen Ehren gebracht hat, sollte man sich dieses Porträt doch genau ansehen. Es zeigt, wofür die so genannten „Gnadenpfennige“ benutzt wurden, nämlich um als eine Art Ordensschmuck an einer Kette auffällig getragen zu werden. Damit signalisierte man dem Gegenüber auf feine Art und Weise, wie beliebt man in der Welt der (ganz) Reichen und Schönen war.
Porträt Kaiser Heinrichs IV. von Frankreich aus einer Bildnisfolge der bedeutenden Herrscher, gemalt vor 1593. Foto: KW.
Sie merken, wie schnell die Zeit in diesen Räumen verstreichen muss. Wir brauchten fast eine Dreiviertelstunde, ehe wir das nächste numismatische Highlight entdeckten (weniger als 100 Meter vom Cranach-Saal entfernt). Dort nämlich, wo heute eine umfangreiche Serie an Miniaturen zeitgenössischer Herrscher ausgestellt ist, wie ich sie vorher eigentlich nur im Münzkabinett des Historischen Museums Wien gesehen habe, ….
Ein Blick in eine der Vitrinen. Foto: KW.
… gibt es eine Auswahl feinster Münzen und Medaillen aus der Renaissance. Die Brakteaten (allesamt prachtvoll) müssen wir dabei schamvoll übergehen, weil die Fotos nichts geworden sind. Nichtsdestotrotz verschwand in diesem Saal eine weitere Dreiviertelstunde unserer eigentlich knapp bemessenen Zeit.
Büste des Herzogs Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Foto: KW.
Und dabei waren wir zum Hauptteil der Münzausstellung noch gar nicht vorgedrungen. Auch die Repräsentationsräume sind beeindruckend. Immer wieder stößt man auf Büsten von Herrschern, die wir vom Münzbild kennen.
Friedrich II. Silbermedaille 1703 J. C. Koch auf die Tugenden des Herzogs: Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Charisma, Klugheit, Mäßigung, Tapferkeit und Güte. Aus Auktion Künker 211 (2012), 3478.
Wie hier Friedrich II. von Sachsen-Gotha, seit 1672 Sachsen-Gotha-Altenburg. Er war ein großer Freund der Numismatik und übertrug 1692 die Aufsicht über das Münzkabinett dem berühmten Numismatiker Wilhelm Ernst Tentzel, der das immer noch zitierte Corpus „Saxonia Numismatica“ veröffentlichte. Und eben dieser Friedrich II. war es auch, dem 1712 ein unglaublicher Coup gelang, der Ankauf der Sammlung des Grafen Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt (1653-1716). Wir werden später noch darauf zurückkommen.
Die Repräsentationsräume. Ein Raritätenschrank, angefertigt um 1680. Foto: KW.
Etwas später entstand dieser Kabinettschrank. Es handelt sich um Augsburger Arbeit. Wahrscheinlich wurden hier keine Münzen untergebracht, sondern andere kleine Gegenstände, wie sie in der Ausstellung der Kunstkammer zu sehen sind.
Asiatica in einer Vitrine. Foto: KW.
Überhaupt, die Kunstkammer! Wenn wir nicht so unter Zeitdruck gestanden hätten, wären wir hier verloren gewesen! Es gibt so viel zu Schauen, dass uns schier die Augen ausfielen. Wie immer beschränken wir uns auf die eher numismatischen Gegenstände, mit einer Ausnahme.
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Augsburger Pokal in Gestalt eines Hasen. Foto: KW.
Weil es nämlich so schön zum Nikolaustag passt, heute – in tiefer Bewunderung für Gerhard Polt – statt eines Nikolausi, ein Osterhasi.
Und wer’s noch einmal hören will, hier klicken.
Hier ein Münzbecher. Foto: KW.
Da gab es einen Münzpokal …
„Farbmedaille“ auf Friedrich I. von Preußen aus den Händen von Wermuth. Foto: KW.
… eine barocke „Farbmünze“ (und wer will da sagen, dass die moderne Numismatik entartet sei?) …
Elfenbeinobjekt mit Kleinstmedaillon. Foto: KW.
… und ein Objekt aus Elfenbein mit der Porträtdarstellung eines Friedrich, Herzog von Sachsen und Altenburg – wohl Friedrich II. wenn ich die Nase des elfenbeinernen Herrn mit den Münzporträts vergleiche.
Wachsporträt der Herzogin Elisabeth Sophie (1619-1680). Foto: KW.
Tiefen Eindruck machten mir die Wachsporträts, die so lebensvoll, besser noch als heutige Fotos, die Gestalt und Persönlichkeit fürstlicher Größen einfingen. Hier sehen wir so ein Porträt aus gefärbtem Wachs, Samt, Seide, Tüll und Glassteinen, das von einer Frau namens Anna Maria Braun um 1675/80 gefertigt wurde. Diese Anna-Maria Braun war eine der wenigen namentlich bekannten weiblichen Medailleure, auch wenn ich leider kein Bild einer von ihr geschaffenen Medaille ausfindig machen konnte.
Christof Boehringer als Sterntaler unter dem Münzbogen. Foto: KW.
Und damit haben wir es endlich in die Münzausstellung geschafft! Blickfang ist hier ein gewaltiger Triumphbogen, von dem es Münzen und Medaillen regnet. Er eignet sich prächtig für Fotos! Wer dann genau hinschaut, ist verblüfft, dass hier keine Galvanos, sondern echte Münzen angebracht sind. Gotha hat so einen Reichtum an numismatischen Schätzen, dass es sie sozusagen auf seine Besucher regnen lassen kann.
Hier eine winzige Auswahl der Zimelien, die in Vitrinen rund um den Münzbogen zu sehen sind. Wir verknüpfen sie mit ein klein bisschen Sammlungsgeschichte.
Gnadenpfennig mit emaillierter Rahmung mit dem Bildnis Ernst I. des Frommen, von Wendel Elias Freund, um 1653. Foto: KW.
Wie gesagt, Ernst I. (1601-1675) erhielt einen Teil der ernestinischen Kunstkammer. Darunter befanden sich auch 516 Münzen und Medaillen. Das Bemerkenswerte an der Sammlung in Gotha ist nämlich nicht nur die Tatsache, dass sie existiert, sondern wie genau man anhand der Quellenlage ihre Entstehung dokumentieren kann! 781 Stücke wurden im Zeitraum zwischen 1653 und 1656 angekauft. Der Aufstellung nach lag das Schwergewicht dabei auf der Antike.
Medaillon auf den Tod des Prinzen Johann Wilhelm von Sachsen-Gotha-Altenburg (1677-1707) vor Toulon, 1707 von Johann Christian Koch oder Maria Juliana Wermuth. Foto: KW.
Auch der Sohn Ernsts I., Friedrich I. (1646-1691), sammelte mit Begeisterung. Er sah sich als barocker Fürst, der den faktischen Machtverlust vor allem durch die Erbteilung des väterlichen Besitzes durch ein gesteigertes Repräsentativverhalten kaschierte. Und eine Münzsammlung gehörte eben zum Selbstverständnis. Der Herzog selbst hatte Spaß daran, seine Münzen zu inventarisieren und zu ordnen, wie aus seinen Tagebüchern hervorgeht.
Medaille auf die Versöhnung des Ritters Franz von Sickingen mit Kaiser Maximilian I. Silber, vergoldet 1518. Foto: KW.
Er gab die Freude an der Numismatik an seinen Sohn Friedrich II. (1676-1732) weiter. 1712 gelang es diesem Fürsten, die damals in ganz Europa bekannte Sammlung des Schwarzburger Herrschers Anton Günther II. zu kaufen. Der hatte mit Hilfe des berühmten Pariser Numismatikers Andreas Morell (1646-1703) eine prächtige Sammlung zusammengetragen. Doch 1709 geriet Anton Günther in Finanznot. Der Kaiser wollte ihn in den Reichsfürstenstand erheben. Sofort griffen die Herzöge von Sachsen ein, besetzten gar die Residenz Arnstadt, um ihre Lehnsrechte zur Geltung zu bringen. Man ließ sich mit Geld abfinden, mehr Geld als es die Finanzlage Schwarzburgs zuließ. Und in dieser Situation bot Friedrich großzügig Anton Günther an, für 100.000 Taler dessen Sammlung zu kaufen. Sie umfasste 2.781 Goldmünzen, über 1.000 griechische, beinahe 7.000 römische Münzen, mehr als 6.000 (sic!) Brakteaten, dazu 2.000 deutsche und europäische Stücke und 4.500 Medaillen.
Natürlich wurde auch unter den Nachfolgern Friedrichs II. weiter angekauft. Doch es würde zu weit führen, hier alle Erwerbungen aufzulisten. Wer sich für das Thema interessiert, der sei auf das gerade erschienene Buch „Gothas Gold“ verwiesen, in dem Martin Eberle minutiös die Sammlungsgeschichte nachzeichnet.
Wenn Sie das bibliophile Werk bestellen möchten, klicken Sie hier.
Friedrich II. ließ diese prachtvollen Bände mit Handzeichnungen(!) anfertigen. Foto: KW.
Friedrich II. gab sein Geld übrigens nicht nur zum Kauf von Münzen aus. Er erteilte auch den Auftrag für diese phantastischen Bildbände. Es handelt sich nicht um Drucke, sondern um Federzeichnungen, die mit dem Pinsel lasiert wurden, um eine möglichst genaue Widergabe der Münzen zu ermöglichen.
Brakteaten aus der Sammlung Gotha. Foto: KW.
Wie qualitätvoll die Zeichnungen sind, zeigt diese Aufnahme.
Ein Blick in die Forschungsbibliothek Gotha. Foto: KW.
Glauben Sie nicht, dass das schon alles ist, was Gotha an Numismatik zu bieten hat. Leider nur mit Begleitung zugänglich ist das innerhalb der Forschungsbibliothek Gotha gelegene, frisch restaurierte Münzkabinett.
Und hier das Münzkabinett. Foto: KW.
Wir hatten im Rahmen des Kongresses die Möglichkeit, einen Blick in diesen barocken Raum zu werfen. Friedrich II. entschied nach dem Erwerb der Schwarzburger Sammlung, die Münzen und Medaillen aus der Kunstkammer herauszulösen und ein repräsentatives Münzkabinett im Ostflügel zu bauen. Dies hatte vor allem praktische Gründe. Nun konnten die Besucher die Münzen besichtigen, ohne durch die Privatgemächer des Fürsten zu stolpern. Friedrich II. hatte seine Ruhe, und die frühneuzeitlichen Bildungstouristen verbreiteten den Ruhm seiner Sammlung trotzdem in der ganzen Welt.
Nein, es ist unmöglich, die Kaiserbüsten den Kaisern zuzuordnen. Einzelne Köpfe wiederholen sich, anderen fehlt jegliche Ähnlichkeit mit einem der zwölf Caesaren. Foto: KW.
Im Münzkabinett standen 15 Sammlungsschränke, die oben die Münzen, unten die dazugehörigen Fachbücher enthielten. Auf den Schränklein sollen dazu antike Gegenstände präsentiert worden sein, die heute verloren sind.
Saskia und Christina Höhn im Münzkabinett Gotha. Foto: KW.
Am Kopfende stand eine Statue des Erbauers des Münzkabinetts, Friedrichs II., die leider nicht erhalten ist.
Katalog der Sammlung Gotha. Foto: KW.
Dafür sind die eindrücklichen Kataloge der Sammlung erhalten, alle von Hand geschrieben.
Blick in eine Vitrine in der Landesgeschichte / Archäologie. Foto: KW.
Und damit sind wir noch lange nicht am Ende der numismatischen Möglichkeiten von Schloss Friedrichstein angekommen. Wer in die historische Ausstellung geht, stößt immer wieder auf Münzen, hier einige römische Münzen in der archäologischen Abteilung …
Besoldungsliste der Schauspieler des Eckhoff-Theaters auf Schloss Friedenstein. Foto: KW.
… und hier eine Besoldungsliste aus dem berühmten Eckhoff-Theaters von Schloss Friedenstein, das mit seiner komplett erhaltenen Bühnentechnik aus der Zeit des Barock die Jahrhunderte überlebt hat.
Was habe ich anfangs gesagt? Drei bis vier Stunden? Nun ehrlich gesagt, wir hätten uns das Doppelte an Zeit gewünscht, um die vielen Schätze gebührend würdigen zu können. Nehmen Sie sich also einen ganzen Tag für Schloss Friedenstein. Es lohnt sich, genauso übrigens wie die zauberhafte Altstadt Gothas!