17. März 2011 – Was haben eigentlich die Menschen des beginnenden 21. Jahrhunderts über ihr Geld gedacht, so mögen sich kommende Historikergenerationen fragen. Sie werden jede Menge Quellen dazu haben, aber wenige sind so vergnüglich und so vergänglich wie die Themenwagen, die „Schnitzelbängg“ und die „Zeddel“, die während der Basler Fasnacht eine entscheidende Rolle spielen.
Während der „Cortège“ – nicht zu verwechseln mit einem normalen „Umzug“ – stellen die verschiedenen Fasnachtscliquen Sujets dar, das bedeutet, sie suchen sich ein aktuelles Thema und kommentieren es auf ihre Art und Weise, frech, respektlos und ziemlich enthüllend. Zu einem Sujet gehören Kostüme, die Laterne – eine Art von innen beleuchtetes, dreidimensionales Plakat – und ein langes in Baseldytsch verfaßtes Gedicht, das an die umstehenden Besucher verteilt wird.
Dem griechischen Zeus hängt die Zunge raus. Foto: UK.
Griechenland und seine Wirtschaftskrise war natürlich ein Thema. Den in die Nationalfarben antikisierend gewandeten Mitgliedern der Fasnachtsclique hing die Zunge raus. Worum es ging, das zeigte der Tambourmajor. Überall an seinem goldenen Gewand waren Euros befestigt.
Trotz Pleite wie ein Schiggimiggi. Foto: UK.
Eine ganz andere Aussage traf zur Finanzkrise die Laterne einer anderen Clique. Hier sitzt der griechische Esel, der sich immer noch als Schickimicki sieht, ganz zufrieden da und träumt von seiner nationalen Größe.
Der Staat zockt den Bürger ab – hier mit Hundesteuern. Foto: UK.
In Basel gibt es eine differenzierte Hundesteuer. 150 Franken wird auf jeden Hund erhoben. Für jeden weiteren Hund in einem Haushalt gilt die doppelte Steuer.
Und zur Hundesteuer kommen dann noch die Gebühren. Foto: UK.
Und auf diese Gebühr wird eine Bearbeitungsgebühr von 20 Franken erhoben. Eine Gebühr, daß man Steuer zahlen darf, ein Unding meinte diese Clique.
Schweizer Söldner – Erster Teil. Foto: UK.
Immer wieder wird an der Basler Fasnacht thematisiert, was ein Staat nicht tun sollte, um Geld zu verdienen. So hatte dieses Jahr eine Clique die zahlreichen Sicherheitsfirmen ins Visier genommen, die gegen gutes Geld Söldner in Krisengebiete vermitteln. An ihren Steuern verdient der Staat mit, der zwar versucht durch Regeln Mißbräuche zu verhindern, dabei allerdings dieser Clique zu zögerlich vorgeht.
Schweizer Söldner – Zweiter Teil. Foto: UK.
Hier ein Auszug aus dem „Zeddel“ der Clique Alti Glaibasler (übersetzt ins Hochdeutsche): Der Bundesrat muß jetzt beraten / ob mir’s Geschäft mit Krieg und Toten / trotz Neutralität sollen akzeptieren / und wie mir’s sollen verklausulieren. / So wie bei richtigen Geschäften, dann fällt’s nicht auf. / Den Deckel drauf und keiner ist beleidigt. / Wir verkaufen Waffen an so Affen / die als Tyrannen den ganzen Tag schaffen. / … / Die Moral, es ist fatal banal / ist dabei total egal. / Wenn die Neutralität das Land regiert, / Dann wird der Krieg halt exportiert. / … / Wir sind eine Schand für’s Schweizerland: / Morituri te salutant!
GSoA: Gruppe für eine Schweiz ohne Arme. Foto: UK.
Noch krasser karikierte die Fasnachtsgesellschaft Alti Stainlemer die aktuelle steuerliche Bevorzugung der Reichen in der Schweiz. Aus der positiv, und eher links konnotierten GSOA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) wurde die GSoA, eine Gruppe für eine Schweiz ohne Arme. Mit nach Benzin stinkenden, laufenden Kettensäugen (aus Balsaholz) zogen vermummte Chaoten durch die Stadt, verfolgt von einem kleinen Polizeiwagen. Sie trugen schwarze Banner mit goldenen Emblemen, darauf ein 5-Franken-Stück, stilvoll bekleidet mit Sonnenbrille und Vermummung.
Sepp Blatter thront auf einem Fasnachtswagen, der geschmückt ist mit Bündeln von Geld. Foto: UK.
Da mutet der Festwagen der „Basler Clochards“ geradezu idyllisch an. FIFA und MAFIA ist darauf zu lesen, und das neben Bündeln von Geld. Und mehrere Sepp-Blatter-Masken verteilen, wie bei der Basler Fasnacht üblich, milde Gaben an die Zuschauer.
Geld als Hoheitszeichen: Frauen als Herrscher. Foto: UK.
Eine ganz andere Funktion bekommt das Geld auf dieser Laterne der „Abverheyten“. Es wird zum Hoheitszeichen, das die Sorge manchen Mannes zum Ausdruck bringt, daß die Welt demnächst komplett von Frauen regiert wird. Angela Merkel auf dem 100-Euro-Schein, Micheline Calmy-Rey neben Helvetia auf dem 100-Franken-Schein und Hillary Clinton auf dem 100-Dollar-Schein.
Dealer vom Claraplatz. Foto: UK.
Politisch unkorrekt geht es mitten hinein in die Lokalpolitik und den Ärger mancher Basler darüber, daß es im Stadtteil Kleinbasel alles andere als sicher ist. Schwarze Drogendealer mit den Taschen voller Geld stehen für eine nicht geschehene Eingliederung ausländischer Mitbürger und vor allem für das Schönreden von Zuständen, die in Basel als beängstigend empfunden werden.
Der Basler Casinoraub. Foto: UK.
Noch ein heiteres Sujet steuert die Märtplatz-Clique bei, den Basler Casinoraub. Am 28. März 2010 stürmten 10 bewaffnete Männer das Grand Casino und erbeuteten mehrere 100.000 Franken und Euro. Sie flohen in zwei Limousinen über die nahe französische Grenze und waren nicht mehr gesehen.
Und der „Zeddel“ dieser Clique formuliert griffig das Problem, vor dem heute jeder steht, der hinsichtlich seiner Ersparnisse besorgt ist: Die ganze Sach hat, unter Qual / halt doch eine tiefere Moral / Gibst Dein Geld dem Automat / mit den Steuern gibst’s dem Staat. / Gibst Dein Geld der guten Bank / ist morgen Dein Konto leider blank. / Versaufst Dein Geld danach / hast wenigstens einen Rausch bekommen. / Pumpst Du also Dein Geld Deinem besten Freund / oder gibst es Deinem Patenkind? / Schmeißt Du es blind zum Fenster raus / oder kennst Du Dich bei den Finanzen aus? Dann kaufst Du Aktien und Optionen / und meinst dabei, es würde sich lohnen. / Gibst Du Dein Geld noch unters Bett? / Wo es neben Staub auch Milben hätt’. / Was Du machst, ist völlig gleich / auf all die Arten wirst Du nicht reich.
Ursula Kampmann