Numismatisches Nordspanien – Teil 1

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von Ursula Kampmann

26. Juli 2012 – Würden Sie an Römer und Kelten denken, wenn Sie Nordspanien hören? Im ersten Moment dachte ich, diese Reise würde ein einziger Ausflug ins Mittelalter. Gut, davon haben wir genug gesehen. Aber Nordspanien ist mehr. Hier gibt es die besterhaltenen römischen Stadtmauern, den einzigen noch existierenden römischen Leuchtturm, eine Reihe von gut ausgegrabenen keltischen Höhensiedlungen, und vieles mehr. Wir waren überrascht. Lassen Sie sich auch überraschen.

Mittwoch, den 4. April 2012
Um halb sechs Uhr morgens ging es daheim in Lörrach los. Unser Ziel ist der Westen Frankreichs. Wie weit wir am ersten Tag kommen, das war nicht festgelegt. Das sollte vom Verkehr abhängen. Schließlich steht Ostern vor der Türe. Wir sind all den Urlaubern lediglich einen einzigen Tag voraus!
Doch der Verkehr war es nicht, der die Fahrt verlangsamte. Es regnete. Ach was, es goss. Der Himmel hatte sich pünktlich zu unserer Abfahrt in ein graues Gewand gekleidet und schickte alles Wasser runter, was oben zur Verfügung war.
Man hatte bei dem grässlichen Wetter nicht einmal Lust, eine Pause zu machen. So waren wir ziemlich erledigt, als wir ca. um 16.00 in Perigueux ankamen. Wir beschlossen, uns ein Hotel zu suchen und noch einen kleinen Spaziergang in der historischen Altstadt zu machen.

Die Kathedrale von Perigueux. Foto: KW.

Es gibt zwei Zentren in Perigueux, wobei wir mehrere gute Ausreden fanden, den antiken Teil nicht zu erkunden. Erstens lag er diametral entfernt von der mittelalterlichen Stadt, zweitens waren wir schlichtweg zu müde und drittens hätte das berühmte gallo-romanische Museum mit seiner ambitionierten Architektur sowieso nur noch ein paar Minuten offen gehabt.
Wir stellten pflichtbewusst fest, dass Perigueux einen keltischen Vorläufer namens Petrocorii hat, der nach der Eroberung Galliens durch die Römer ausgebaut wurde. Das römische Versunna dürfte dann eine ziemlich bedeutende Stadt gewesen sein, denn es verfügte immerhin über ein Amphitheater mit rund 10.000 Plätzen.
Wenn Sie diesen Spaziergang durchs Museum trotzdem machen wollen, lassen Sie sich nicht aufhalten. Klicken Sie einfach hier. Es gibt jede Menge Fotos von der Ausstellung.

Die Fassade von Sankt Fronto. Foto: KW.

Die Römer hinterließen ihren Nachkommen ein großartiges Erbe: den heiligen Fronto, der als erster Bischof von Perigueux gewirkt haben soll und über dessen Leben man so gut wie nichts weiß, außer dass er eine Marsstatue in Perigueux zerstört haben soll. Nichtsdestotrotz wurde an seinem Grab – natürlich an der Ausfallstraße außerhalb der römischen Stadt; womit die zwei diametral gelegenen Zentren erklärt wären – eine Kirche errichtet, die sich als Station am Jakobsweg zu einer wichtigen Pilgerstätte entwickelte.
Wir kennen die Kathedrale des heiligen Fronto als romantisches Bauwerk des Mittelalters mit unzähligen Türmchen und Küppelchen, alles schön geschuppt. So wurde St. Fronto Vorbild von Sacré-Coeur in Paris. Allerdings hat diese schreckliche Dachkonstruktion nichts mit dem Mittelalter zu tun, sondern mit dem verspielten Geschmack des mit der Renovierung beauftragten Architekten Paul Abadie.

Schokolade in rauen Mengen. Die Schokoladenstraße von Perigueux. Foto: KW.

Was es sonst noch über Perigueux zu berichten gibt? Nun, wer jetzt Geld hätte, hätte die Qual der Wahl. An den schönsten Renaissancepalästen der Stadt hingen die Schilder der Immobilienhändler. Wir entschieden uns, lieber doch kein Haus in Südfrankreich zu kaufen und begnügten uns stattdessen mit ein paar Säckchen Schokolade. Noch nie habe ich phantasievollere Osterhasen gesehen als in der Fußgängerzone von Perigueux, wo ein Schokoladenladen neben dem anderen zu finden ist. Kein Wunder, dass wir nach so viel Schokolade auf das Abendessen verzichteten.

Donnerstag, 5. April 2012
Als wir am Morgen aufwachten, regnete es immerhin nicht, auch wenn der Himmel ziemlich grau überzogen war. Wir gingen zum Frühstück und sahen uns von einer Gruppe Jugendlicher umgeben, die das eigene Selbstbewusstsein (vor allem so zerknittert am frühen Morgen) ein wenig ins Wanken brachte. Unter den etwa 30 Mitgliedern der Gruppe gab es nichts so verwerfliches wie Übergewicht oder schlampige Kleidung. Die Jungs und Mädels wirkten, als seien sie bereits für die Sendung „Frankreichs Next Topmodell“ geschminkt, gepudert und parfümiert.
Wir dagegen waren reichlich mitgenommen von den rund 800 Kilometern des Vortags und hatten noch einmal fast 400 Kilometer vor uns. Und die Strecke war alles andere als angenehm. Sie nannten es Autobahn, aber die Straße von Bordeaux nach Bayonne, die durch die wohl reizloseste Region Frankreichs führt, war eigentlich nur eine Aneinanderreihung von Baustellen, die von Millionen von LKWs frequentiert wurde. Wir waren fix und fertig, als wir endlich an der spanischen Grenze ankamen.
Natürlich verfuhren wir uns zuerst auf dem Weg nach Honderabillia. Mein GPS hatte das Ende-der-Welt-Syndrom und fühlte sich überfordert. Die Wegweiser zum Parador bedurften detektivischer Kenntnisse, um ihnen Informationen zu entlocken. Wie auch immer, irgendwann am frühen Nachmittag waren wir da.

Parador von Hondarribia. Foto: KW.

Wir hatten – um ja keine Probleme an Ostern mit den Übernachtungen zu bekommen – schon von zu hause aus ein Zimmer im Parador von Hondarribia gebucht. Die Paradores Nacionales sind staatlich betriebene Hotels in zumeist historischen Gebäude. Für sündhaft teures Geld hat man die Möglichkeit, mitten ins Zentrum zu fahren, wo die Paläste und Klöster liegen, in denen die Hotels eingerichtet wurden. Die Einrichtung der Paradores gibt es seit 1928. König Alfons XIII. hat sie gegründet, um den Tourismus in seinem Land zu fördern. Das spanische „parar“ bedeutet, einen Halt zu machen und ein Parador ist eben etwas, wo man diesen Halt machen kann.
Anscheinend hat die allgemeine Krise aber auch ihre Auswirkung auf die Paradores. Jedenfalls riet man uns schon in Deutschland, nur für Ostern zu buchen und dann vom jeweiligen Parador aus nach den reduzierten Raten zu fragen. Wie auch immer, der Parador von Hondarribia war bis auf den letzten Platz ausgebucht, was auf dem nicht allzu großen Parkplatz zu interessanten Manövern führte.

Das Café des Paradors. Foto: KW.

Der Parador von Hondarribia nutzt die Ruinen einer Burg aus dem 10. Jahrhundert. Sie wurde von Sancho II., Graf von Aragon und König von Navarra errichtet. Münzen gibt es von diesem Herrscher noch keine. Das Königreich Navarra begann erst unter dem Enkel Sanchos zu prägen, unter Sancho III. mit dem schönen Beinamen „Der Große“, der zur Jahrtausendwende den Thron von Navarra bestieg.
Die Burg von Hondarribia war eine von unzähligen Burgen, in denen sich die Herren der verschiedenen nordspanischen Reiche verschanzten. Sancho II. war es Jahrzehnte lang gelungen, ein Bündnis mit dem Kalifen von Cordoba zu pflegen. Erst als dieser 976 starb und wegen eines schwachen Nachfolgers Al-Mansur die Kontrolle über die Regierung an sich reißen konnte, wurde Hondarribia zu einer Trutzburg gegen die muslimischen Überfälle. Wobei Sancho immer noch auf Verhandlungen setzte. Al-Mansur soll sein Königreich verschont haben, weil der König von Navarra ihm eine seiner Töchter überließ.

Wappen im Parador. Foto: KW.

Wie auch immer, die strenge Fassade geht auf einen Umbau zurück, den Karl V. hier vorgenommen hat. Und Hondarribia sah danach jede Menge spanischer Herrscher, von Johanna der Wahnsinnigen bis hin zu den vielen Philipps. Später sollte Napoleon Begehrlichkeiten auf Hondarribia entwickeln. Er ließ die Burg erobern. Von 1808 bis 1813 herrschten hier die Franzosen.
Hondarribia hat wunderschöne Außenanlagen, die wir nicht benutzten. Es regnete mal wieder. Aber vor uns liegen ja noch über zwei Wochen. Wer wird sich da von einem bisschen Regen am Anfang aus dem Konzept bringen lassen?

Freitag, 6. April 2012
Als wir aufwachten, ging unser erster Blick hinauf zum Himmel. Es war grau in grau in grau, passend zu einer Festung, aber für die Planung eines Ausflugs ein wenig suboptimal. Wir entschieden uns für einen Besuch von San Sebastian oder wie es auf baskisch heißt: Donostia.

Zeugnis aus der großen Zeit Donostias im 19. Jahrhundert. Foto: KW.

San Sebastian hat seinen spanischen Namen nach einem Kloster zu Ehren des hl. Sebastian, von dem wir zum ersten Mal 1014 hören. Damals schenkte Sancho III. – eben jener Große, der die ersten Münzen prägte – das kleine Kloster von San Sebastian mit seinen großen Besitzungen an Apfelbäumen – die Gegend ist für ihren Cidre berühmt – der Abtei von Leire.
Im 13. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zu einem bedeutenden Hafen, der vor allem von Gascognern besiedelt wurde, die aus dem nahe gelegenen Bayonne kamen. Zu sehen ist vom Mittelalter nichts, weil ein gewaltiges Feuer die ganze Innenstadt im Jahr 1489 vernichtete.

Medaille 1813 von Webb und Mills auf die Einnahme von San Sebastian durch die Engländer und Portugiesen. Aus Auktion MMDe 24 (2007), 1312.

Die Bauten der frühen Neuzeit wurden bei den Zerstörungen vernichtet, die Kämpfe zwischen Briten und Portugiesen auf der einen, Bonapartisten auf der anderen Seite im Jahr 1808 anrichteten.
Übrigens, auch das Baskische Donostia kommt vom hl. Sebastian. Statt mit „heilig“ bezeichnen die Basken ihre Beschützer als Done vom lateinischen domine. Und aus Done Sebastian wurde Donostia.

Die Concha – eine wunderschöne Bucht. Mit ein bisschen Sonne wäre sie vielleicht noch etwas schöner gewesen. Foto: KW.

Damit war Tabula Rasa für ein neues Stadtbild gemacht. Seit 1885 kam die Königinwitwe Maria Christina jeden Sommer nach San Sebastian an die prachtvolle Bucht mit ihrem wunderschönen Sandstrand, die sich uns in leichtem Nieselregen präsentierte.
Sie brachte ihre Günstlinge mit und alle, die es werden wollten. Man baute ein Casino und bald war San Sebastian eine bekannte Touristenattraktion. Mata Hari, Leon Trotsky, Maurice Ravel, die Romanovs, sie alle entspannten sich vor der eindrucksvollen Kulisse. Und ganz nebenbei wurde die Stadt die Hochburg der ETA. Der Grundstein dazu wurde im spanischen Bürgerkrieg gelegt. 1936 eroberten die Anhänger Francos die Stadt. Baskische Nationalisten, Anarchisten, Kommunisten, sie alle wurden ihre Opfer. 380 Personen ließ man hinrichten, 40.000-50.000 Einwohner verließen ihre Stadt. Als 1959 eine Gruppe von jungen Basken die ETA gründete, konnten sie sich auf die Unterstützung der Basken von Donostia verlassen.

Das Schifffahrtsmuseum bietet nicht nur ein Aquarium, sondern viel Wirtschaftsgeschichtliches. Foto: KW.

Uns trieb der Regen genauso wie Hunderte von Familien, bevorzugt mit mehr als zwei Kindern in das Schifffahrtsmuseum, das auch über ein Aquarium verfügt. Es wurde reichlich eng, doch wir trösteten uns damit, dass die Spanier ja zur Mittagszeit am heimischen Tisch speisen, und es bestimmt so ab 14.00 leer im Museum würde.

Aktie einer baskischen Handelsgesellschaft. Foto: KW.

Und ehrlich gesagt, so störend waren die Familien nicht. Sie bewegten sich mit einem recht schnellen Tempo durch die Museumssäle. Wir dagegen entdeckten jede Menge Spannendes. So eine Aktie einer Handelsorganisation, der Real Compania Guipuzcoana de Caracas, die das Monopol hatte für alle Waren, die zwischen Spanien und Venezuela verschifft wurden. Die Gesellschaft wurde 1728 als Konkurrenz zu den französischen und britischen Handelsgesellschaften gegründet. Sie war sehr erfolgreich und brachte ihren Teilhabern kleine Vermögen ein.

Ausschlachten eines Wals. Foto: KW.

Mindestens ebenso wichtig war für San Sebastian der Walfang. Der Tran war eine billige Alternative zu den teuren Kerzen. Ferner wurden Bestandteile des Wals in folgenden Produkten verarbeitet: Seife, Salben, Suppenwürze, Farben, Gelatine, Speisefette, Schuh- und Lederpflegemittel. Nitroglycerin bestand teilweise aus Walöl. Und dann gab es noch das Ambra für die Parfümindustrie und die Barten des Blauwals für die Fischbeinstäbe der Korsetts.
Die Basken waren die ersten, die dieses Geschäft professionell ausübten. Ein erstes Dokument über den Walfang soll bereits aus dem Jahr 670 (sic!) stammen. Sicher wurde im Jahr 1150 in San Sebastian der Wal gejagt, denn ein Privileg von Sancho dem Weisen bezieht sich konkret auf die Produkte, die man aus dem Walfang gewann.
Gejagt wurde vor allem in der Biskaya, aber es gab vor allem im 16. Jahrhundert ziemlich viele dubiose Theorien darüber, dass baskische Walfänger schon lange vor Kolumbus nach Amerika gelangt seien. Doch spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Wale in dieser Gegend ausgerottet. Andere Nationen hatten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls das gute Geschäft entdeckt. Die Basken waren nur noch eine von vielen Nationen, die dem Wal den gar aus machte.

Tunnel unter dem Haifischbecken. Foto: KW.

Der historischen Ausstellung folgte das Aquarium. Hier war es vor schreienden, laufenden, quängelnden Kindern nicht mehr auszuhalten. Es wurde auch um die Mittagszeit nicht besser, so dass wir fluchtartig das Aquarium verließen. Eine gute Idee, die Schlange vor der Kasse war inzwischen nicht kürzer, sondern um einige Hundert Familien länger geworden. Sie standen bis weit hinaus auf die Straße, die Köpfe hinter Regenschirmen verborgen.
Wir fuhren zurück ins Hotel. Es regnete so stark, dass einem sogar die Lust verging, einen Spaziergang zu machen. Also saßen wir gemütlich in unserem Zimmer und lasen. Irgendwann wird das schöne Wetter ja noch kommen.

Unsere nächste Etappe führt uns dorthin, wo der Überlieferung nach das mittelalterliche Spanien entstanden sein soll, nach Covadonga. Begleiten Sie uns ins neue archäologische Museum von Oviedo, nehmen Sie teil an einer Ostersonntagsprozession. Und dies waren nur einige Höhepunkte der zweiten Etappe unserer Nordspanienrundreise.

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