Numismatisches Nordspanien – Teil 5

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von Ursula Kampmann

23. August 2012 – 1.500.000 Pfund Sterling sollen die Engländer im Jahre 1702 bei ihrem Angriff auf Vigo erobert haben. Wenn das kein Grund war nachzusehen, ob im seichten Wasser der Bucht nicht doch noch ein bisschen Silber für uns übrig geblieben war…

Mittwoch, 12. April 2012
Als wir heute Morgen aufwachten, sahen wir blaue Flecken in der Wolkendecke. Es hatte aufgehört zu regnen! Schnell frühstückten wir, und verließen Santiago. Das schöne Wetter wollten wir nutzen, um an die Küste zu fahren. Ziel war der Seehafen Baiona, direkt an der portugiesischen Küste.

Die merkwürdig geformte Igrexa de Peregrina in Pontevedra – Station auf dem portugiesischen Jakobsweg. Foto: KW.

Wir entschieden uns erst einmal für die Landstraße nach Pontevedra, ein nettes kleines Provinzstädtchen mit Kathedrale, etlichen Kirchen und Arkadengängen, das man aber nicht unbedingt gesehen haben muss, auch wenn der Legende nach Teukros, ein Held des Trojanischen Krieges, die Stadt gegründet haben soll. Ihren Namen hat Pontevedra übrigens wegen eines römischen Relikts, der alten Brücke, auf Latein Pontis Veteris.
Seine Blütezeit genoss der heute verlandete Hafen im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit. Die hier produzierten eingesalzenen Sardinen dienten unzähligen Katholiken während der vielen Fasttage des liturgischen Kalenders als schmackhafte Mahlzeit.

Nachbau der Pinta. Foto: KW.

Von dort aus fuhren wir an die spektakuläre Küste mit ihren weiten Buchten. Von der Autobahn aus sahen wir das sagenhafte Vigo. Da es aber keine Möglichkeit gab anzuhalten, hoben wir uns den genauen Blick darauf für später auf.
Baiona, früher ebenfalls ein bedeutender Hafen, liegt nur eine Bucht weiter. Hier landete die Pinta, das schnellste der Schiffe, die zu der Flotte von Kolumbus gehörten. So soll es die Pinta gewesen sein, von der aus Rodrigo de Triana als erster die Neue Welt sah. In seinem Logbuch reklamierte Kolumbus diese Entdeckung für sich, so dass der einfache Matrose nicht in den Genuss der lebenslangen Rente kam, die die katholischen Könige ausgelobt hatten.
Heute liegt ein Nachbau der Pinta im Hafen von Baiona, weil sie am 3. März 1493 in Baiona landete und als erstes die Nachricht von der neuen Welt nach Spanien brachte.

Ein Blick auf den gewaltigen Parador. Foto: KW.

Der Hafen ist mit einem machtvollen Fort namens Monte Real befestigt, in dem sich der Parador der Stadt befindet. Es war schon einigermaßen beeindruckend. Wir mussten durch ein enges Tor fahren, vor dem uns ein Wächter fragte, ob wir denn auch reserviert hätten. Wir hatten, nannten den Namen, er fand uns auf der Liste der Reservationen und ließ er uns durch.

Blick über die Kanonen hinweg. Foto: KW.

Der Parador war atemberaubend. Und natürlich hatte er eine großartige Geschichte. Im Jahr 140 v. Chr. soll Viriatus, der Freiheitsheld der keltischen Lusitanier die Römer hier geschlagen haben. Dann gibt es noch eine schöne Geschichte über einen österreichischen Prinzen, der hier eingesperrt war und sein Gesicht stets mit einer eisernen Maske bedeckte. Historische Tatsache ist jedenfalls, dass der Parador nach einem Gouverneur der Festung, Don Diego Sarmiento de Acuna, Graf von Gondomar, benannt ist, der in populärhistorischen Büchern gerne als „teuflischer Ränkeschmied der Papisten“ bezeichnet wird.
Wir erhielten gegen einen kleinen Aufpreis ein Zimmer mit Meerblick. Über die Zinnen der Befestigungsmauern hinweg schauten wir auf die blauen Wogen, die Möwen kreischten (und erwiesen sich als ausgemachte Feinschmecker: die Basler Leckerli aus unserem Reisevorrat mundeten ihnen ausgezeichnet).

Ein Blick auf A Guara. Foto: KW.

Wir blieben allerdings nicht lange im Parador. Zu selten sind die Stunden, in denen der Himmel blau ist. So sprangen wir wieder ins Auto, um die Küste entlang nach A Guara zu fahren. Dort befindet sich eine der bestausgegrabenen Castro-Siedlungen, wie wir sie ja schon in Viladonga gesehen haben. War Viladonga noch klein und übersichtlich, so ist die Siedlung von Santa Trega einfach gigantisch. Erst ein Fünftel soll bei den Grabungen im Jahr 1913 freigelegt worden sein. Zwischen 3.000 und 5.000 Personen mögen – modernen Schätzungen nach – einst hier gewohnt haben.

Rekonstruktion eines Hauses. Foto: KW.

Im Sommer ist die Küste voll von Urlaubern, und so hat man Santa Trega zu einer Attraktion ausgebaut, die auch eine Familie mit Kindern genießen kann. Zwei rekonstruierte Häuser laden zur Besichtigung ein. Wobei man sich allerdings fragt, ob in diesen kleinen Hütten tatsächlich so viele Menschen gelebt haben können.

Goldobjekt mit ibero-keltischen Verzierungen. Foto: KW.

Oben auf dem Berg gibt es nicht nur eine Wallfahrtskirche, sondern auch ein dazugehöriges Museum. Wir wurden wieder einmal ausgesprochen nett empfangen. Blöd, dass das Zeichen „keine Fotos“ das Fotografieren verbat. Doch inzwischen war ich gewitzt! Ich fragte freundlich, ob ich ohne Blitz fotografieren dürfe, und der Mann an der Information meinte, wir könnten gerne fotografieren: Mit und ohne Blitz.

Vitrine mit Fundmünzen. Foto: KW.

Und tatsächlich gab es auch hier eine Vitrine mit Fundmünzen.
Viertel nach drei kamen wir wieder in Baiona an. Wir nutzten die Tatsache, dass man in Spanien später isst, als bei uns und nahmen ein Zwischending zwischen einem Mittag- und einem Abendessen ein. Es war wie immer überreichlich und sehr fein (allerdings sollte man dem Koch noch beibringen, dass man weiße Spargel vor dem Kochen schält).

Ein verspäteter Osterhase. Foto: KW.

Fast zwei Stunden erkundeten wir nach dem Essen noch die Sternbefestigung, in der sich unser Parador befindet. Wir sahen Hasen und Eidechsen, balancierten über schmale Mauern und saßen auf sonnigen Bänken, um dem anbrandenden Meer zuzugucken. Die Sonne tat gut, der Wind war angenehm und man würde sich wünschen, dass man jeden Tag so ein prachtvolles Wetter hätte.

Freitag, 13. April 2012
Heute Morgen ging es nach dem besten Frühstücksbuffet, das wir auf unserer ganzen Tour bis jetzt hatten, zuerst nach Vigo. Schließlich machen wir eine numismatische Reise!

Silbermedaille 1702, unsigniert von P. H. Müller auf die Vernichtung der spanisch-französischen Flotte bei Vigo. Aus Auktion Künker 116 (2006), 4089.

Eigentlich hatten die Briten und die mit ihnen verbündeten Niederländer ein strategisches Ziel verfolgt. Es ging um Cadiz, das sie als Brückenkopf für ihre militärischen Aktionen im Spanischen Erbfolgekrieg benutzen wollten. Sie erinnern sich? Oder ist bei Ihnen der spanische Erbfolgekrieg auch der Tatsache zum Opfer gefallen, dass die Geschichtslehrer nie den Lehrplan durchbekommen haben? Also, nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers kämpfte eine Allianz aus österreichischen Habsburgern, England und den Niederlanden gegen Ludwig XIV., der unbedingt seinen Enkel auf den Thron hieven wollte, was ihm auch gelang, allerdings nicht ohne Frankreich finanziell ruiniert zu haben.

Anna. Crown 1703, London. Dav. 1338. Aus Auktion Künker 184 (2011), 5445.

Jedenfalls scheiterte die englische Flotte vor Cadiz, und während man sich darüber noch ärgerte, erreichte den Admiral die Botschaft, dass die spanische Silberflotte aus der neuen Welt unter französischer Bewachung in der Bucht von Vigo ankerte. Und das schon seit dem 23. September 1702. Das Ausladen der immensen Silbermengen ging nur langsam vor sich, weil die königlichen Beamten, die das Ausladen überwachen mussten, erst von Sevilla und Cadiz anreisen mussten, wo die Flotte normalerweise vor Anker ging.
So segelte die englische Flotte sofort nach Vigo. Sie erreichte die tief eingeschnittene Bucht am Abend des 22. Oktobers, passierte sofort die beiden Forts am Eingang, um in den hinteren Bereich zu kommen, wo die Silberflotte ankerte. Der war durch eine starke Befestigung aus Holz und Metallketten abgeschlossen und durch eine Kanonenbatterie gesichert. Am 23. Oktober nun gelang es den Briten, Soldaten zu landen, die die spanischen Besatzungen der Forts außer Gefecht setzten. Das Kanonenfeuer hörte auf, und das mächtigste englische Schlachtschiff fuhr durch die Hafensperre. Damit war der Weg zum Silber frei.

Anna. Silbermedaille 1702. Rv. Brennende Schiffe im Hafen von Vigo. Aus Auktion UBS 69 (2007), 2716.

Die französischen Bewacher setzten nun die Schiffe der Silberflotte in Brand, um die Schätze nicht in englische Hände kommen zu lassen. Ein Teil des Edelmetalls konnte gerettet werden, ein Teil der Schiffe sank mit der wertvollen Fracht (und wartet darauf, irgendwann wieder gehoben zu werden). Übrigens traf der Verlust nicht nur die spanische Regierung, sondern auch die vielen privaten Händler, die ihre Waren mit der Flotte transportiert hatten. Dies rief nun allerdings in den Niederlanden gemischte Gefühle hervor, wo man engste Geschäftskontakte zu den spanischen Kollegen unterhielt.
Wie viel Silber tatsächlich von den Engländern erbeutet wurde, ist umstritten. Einige Quellen sprechen von 1.500.000 Pfund Sterling. Doch Sir Isaak Newton, damals Münzmeister in London, notierte, dass er lediglich 4.504 Pfund 2 oz Silber (ca. 2.043 kg) erhalten habe, was er auf etwa 14.000 Pfund schätzte. Propagandistisch machte sich die größere Zahl natürlich viel besser! Jedenfalls feierten die Engländer ihren Sieg bei Vigo und ließen aus dem erbeuteten Silber (vielleicht gestreckt von heimischen Vorräten) Münzen prägen, die prominent die Aufschrift „VIGO“ tragen.

Ein Blick auf die Bucht von Vigo, dort wo heute die Brücke ist, muss damals die Seeblockade aus Holz und Ketten errichtet gewesen sein. Foto: KW.

Das hatten wir im Hinterkopf, als wir nach Vigo fuhren, nur um festzustellen, dass die reale Stadt mit unseren Träumen aber auch gar nichts mehr zu tun hatte. Vigo ist einer der wichtigsten Häfen in Spanien, der größte Fischereihafen Europas mit dem größten Fischerei-Unternehmen und der größten Fabrik für Fischkonserven. Hier stellt Peugeot Citroen jährlich eine halbe Million Autos her (na gut, vielleicht nicht gerade jetzt im Zeichen der Krise…). Und all das merkt man nicht nur an der Industrie-Architektur, sondern auch an dem unglaublichen Verkehr.
Wir versuchten, irgendwo auf einen Aussichtspunkt zu kommen, nur um von dort aus einen Blick auf die Stelle zu werfen, wo einst die Ketten den Hafen abgesperrt hatten. Es war gar nicht so leicht, so einen Punkt zu finden. Und noch schwieriger war es, sich in dem Meer von Wolkenkratzern (na ja, ganz so hoch waren sie auch nicht, aber bestimmt zwischen 20 und 30 Stockwerken) die spanische Festung vorzustellen. Nachdem wir rund eine Stunde durch die Stadt gekurvt und den kleinsten Hinweisen nachgegangen waren, beschlossen wir, dass wir genug gesehen hatten. In unserer Phantasie war Vigo viiiiel schöner gewesen.

Der Hauptplatz von Viana do Castelo, es soll einer der romantischsten von Portugal sein. Foto: KW.

Wir hatten uns für heute noch einen Abstecher nach Portugal vorgenommen. Als nächste attraktive Stadt auf der portugiesischen Seite identifizierten wir Viana do Castelo mit dem römischen Beinamen „die Schöne“. Hier hatten bereits die Griechen einen Hafen angelegt. Die Römer folgten. Die mittelalterliche Stadt wurde 1258 von Alfons III. gegründet und kam bald wegen ihres Hafens zu großem Reichtum. Der sorgte nicht nur für eine schöne Bausubstanz, sondern auch für regelmäßige Besuche von Piraten, gegen die noch unter Alfons III. eine Festung erbaut wurde.

Die Dominikanerkirche von Viana do Castelo. Foto: KW.

Heute ist die Stadt eher von kleinen bürgerlichen Palästen geprägt, die sich entlang der endlos langen geschmückten Gassen der Altstadt reihen. Ein sympathischer kleiner Ort, den wir allerdings erst nach einer ziemlich langen Suche fanden. Zuerst waren wir den Schildern zur Stadtmitte folgende durch den Ort durchgefahren. Erst auf unserer Rückfahrt entdeckten wir ein Parkhaus. Dann zu Fuß in die verschiedenen Richtungen, bis wir zufällig die ersten Ausläufer der Altstadt streiften (Schilder sind was für Schwächlinge!). Zu dem Zeitpunkt hatten wir eigentlich schon beschlossen, wieder abzufahren. Doch plötzlich sahen wir die Dominikanerkirche mit ihren beiden Wehrtürmen – die Angst vor Piraten war anscheinend ziemlich gegenwärtig – und von dort aus war es ein leichtes, den Rest zu finden.

Ein Haus mit Azuleios – wie viele andere, zu verkaufen. Foto: KW.

Wir streunten ein bisschen durch die leeren Gassen, fragten uns, wie das wohl im Sommer sein mag (in jedem fünften Haus hatte es einen Laden für Stickereien und Andenken), gingen hinunter zum Hafen und von dort aus zur Stadtfestung. Schon wieder ein Beispiel für die Festungsbaukunst der frühen Neuzeit. Eine wunderschöne Sternenschanze, die leider ziemlich unappetitlich roch, da die Besucher des nahe liegenden Straßenmarkts sie als praktische Freilufttoilette benutzten. Und damit ging es zurück zu unserem Auto und heim in den wunderschönen Parador von Bayona. Denn der ist die wirklich unschlagbare Attraktion dieser Gegend!

Und im nächsten Teil von „Numismatisches Nordspanien“ bringe ich Sie zu einem unvergleichlichen Ort! In die Minen von Las Medulas, wo das Gold herkam, aus dem die Römer während der Kaiserzeit ihre Aurei prägten. Begleiten Sie uns, wenn wir uns in dem unübersichtlichen Minengelände gründlich verirren.

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