Numismatisches Nordspanien – Teil 6

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

30. August 2012 – Haben Sie schon einmal von Las Medulas gehört? Nein, und dabei gehört diese wichtigste Goldmine des römischen Reichs heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir waren hingerissen von der Schönheit der Landschaft! So hingerissen, dass wir uns beinahe ordentlich verlaufen hätten.

Mittwoch, 14. April 2012
Mit großem Bedauern nahmen wir vom Parador in Baiona Abschied. Bis zum Schluss überlegten wir, ob wir nicht noch einen Ruhetag einlegen sollten, aber die Entscheidung fiel dann sehr plötzlich, als auf einmal Hunderte von Frauen den Parador stürmten. Irgendein Verlag stellte ein Vorschulprogramm für Kinder vor, und aus war es mit der einst göttlichen Ruhe. Wir warfen also einen bedauernden Blick zurück und schleppten das immer mehr werdende Gepäck ins Auto.
Unser Ziel war Las Medulas, die einstmals bedeutendste Goldmine des römischen Reichs. In Las Medulas gewannen die Kaiser das Edelmetall, um ihre Aurei zu prägen. Schon der Weg dahin war beeindruckend. Wir fuhren durch eine gebirgige Landschaft. Sonne, dichte Regengüsse, schwarze Wolken und Nebel wechselten einander ab. Unter uns floss der Rio Sil, die Straße wand sich entlang der Berge, kurz die lange Strecke bis Las Medulas wurde uns ziemlich kurz.

Erster Blick auf die roten Felsreste von Las Medulas. Foto: KW.

Als wir ankamen, sahen wir zuerst nur ein Dorf, überragt von ein, zwei der charakteristischen roten Bergruinen. Es sind nämlich keine natürlichen Abtragungen, die hier aus dem ehemaligen Gebirge eine an Wildwestfilme erinnernde Symphonie in rot und grün gemacht haben. Tausende von Sklaven holten hier Gold aus der Erde, um das Material für die Aurei der römischen Kaiser zu liefern.

Vom Wasser ausgeschwemmte Berghöhlen. Foto: KW.

Wichtigster Bestandteil der in Las Medulas angewendeten Grabungsmethode war Wasser. Man füllte es in Gräben, Gänge und Höhlen, um das Sediment aufzuschlemmen und so das Gold aus dem Gestein zu lösen. Am beeindruckendsten war die Methode, die Plinius mit dem Namen ruina montium beschreibt. War der Berg so durchlöchert, dass es gefährlich wurde, weiterzugraben, leitete man unter Druck sehr viel Wasser in die Gänge, die den Berg oder zumindest große Teile davon zum Einsturz brachten.

Das sind keine natürlichen Berge, sondern Bergruinen, die übrig blieben, nachdem der Berg als Ganzes eingebrochen war. Foto: KW.

Nun hatte man genug goldhaltiges Gestein, um es in Ruhe auswaschen zu können. Die gefährliche Arbeit wurde natürlich von Sklaven geleistet. 20.000 römische Pfund – so berichtet Plinius – sollen jährlich aus den Minen von Las Medulas gewonnen worden sein. Er sollte es eigentlich gewusst haben, schließlich war er selbst im Jahre 74 n. Chr. Proconsul in der Provinz Hispania.

Ein Blick auf das gesamte Minengebiet. Foto: KW.

Uns stellte sich zunächst einmal das Problem, wie wir überhaupt etwas von dem Goldabbaugebiet sehen würden. Es war gigantisch. Überall Wegweiser, die uns unbekannte Sehenswürdigkeiten anpriesen. Für die eine dauerte der Aufstieg eine Stunde, für die andere gleich drei. Wir fühlten uns ein wenig desorientiert, als wir ein Informationszentrum für Besucher fanden.
Dort erklärten uns drei nette Damen (von denen eine sogar Englisch sprach!), dass es ziemlich viel zu sehen gäbe, in diesem Gebiet. Sie empfahlen uns einen kleinen Rundgang von etwa fünf Kilometern, bei dem wir zwei typische „Bergruinen“ sehen würden. Außerdem sollten wir doch auf den Aussichtspunkt fahren (und dann noch etwa einen Kilometer ansteigen). Allerdings schüttelten sie ziemlich bedenklich die Köpfe, als sie unser Schuhwerk anschauten. Ich gebe zu, allzu viel hatte ich dabei nicht überlegt. Ich hatte sehr gute Laufschuhe an, die allerdings nicht wasserdicht waren. Und nun regnete es ja doch schon etwas länger… Die Wege zu den verschiedenen Attraktionen würden ein klein wenig schmutzig sein, so unsere Beraterinnen.

Esskastanien, überall lagen Blätter und Früchte auf dem Boden. Foto: KW.

Aber was stört der Schmutz den Wissensdurst. Wir liefen los – und beim Loslaufen regnete es auch noch nicht. Wir sahen uns also begeistert die roten Berge an und bemerkten die vielen Esskastanien, die von den Römern nach Spanien importiert worden waren, um für die Sklaven eine billige Nahrung zu erhalten.

Sicher vor Regen in den großen Höhlen. Foto: KW.

Der große Regen begann erst, als wir die erste Höhle, La Cuevona, erreichten. Wir missachteten sämtliche Absperrungen und brachten uns vor dem Wolkenbruch in Sicherheit. Meine einstmals schwarzen Schuhe waren inzwischen rotbraun vom lehmigen Boden. Wir waren nass, dreckig und es machte riesigen Spaß zur nächsten Höhle, der Encantada, zu gehen.
Von dort aus liefen wir unter unserem großen Schirm auf dem breiten Weg weiter, in der Hoffnung, dass es sich um diese „Kurzroute“ handle, von der die Damen am Empfang gesprochen hatten. Allerdings wurde die Sache langsam beängstigend. Wir waren die einzigen Touristen. (Kunststück, nicht jeder Tourist schätzt es, bei strömendem Regen durch matschigen Lehmboden bergauf zu latschen!) Dazu war die Karte, die wir im Infozentrum erhalten hatten, eher als graphisches Kleinkunstwerk denn als topographische Information zu verstehen. Und als wir auf einmal die Abzweigung zum Aussichtspunkt von Orellán sahen, da erschraken wir richtig. Unserer Karte nach waren wir auf dem völlig falschen Weg. Wir würden bei einem anderen Dorf herauskommen! Stunden weg von unserem Parkplatz! Es war schon fast vier Uhr! Wir rechneten, wie viele Stunden es noch hell sein würde. Fragten uns, ob es hier am Ende der Welt Taxis gäbe, die uns zurück ins andere Dorf bringen würden. Und während wir uns ein Schreckensszenario ausmalten, sahen wir auf einmal einen Abstieg. Wir kamen doch tatsächlich ganz in der Nähe unseres Parkplatzes heraus.

Der Blick vom Aussichtspunkt. Unterirdisch konnte man dorthin gehen, wo in dem Felsen das große Loch zu sehen ist. Foto: KW.

Das gab uns den Mut, auch noch einen Mirador – einen Aussichtspunkt zu versuchen. Wir fuhren in die benachbarte Stadt Orellán und von dort aus auf den ausgeschilderten Parkplatz. Danach hieß es steigen – und ich bin der festen Überzeugung, dass die angegebenen 700 Meter stark untertrieben waren. Oben angelangt war alles Keuchen und Schwitzen vergessen. Der Ausblick war einfach phänomenal! Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen, so dass vereinzelte Sonnenstrahlen den roten Stein zum Glühen brachten.
Unterhalb dem Aussichtspunkt gab es noch eine ganz besondere Sehenswürdigkeit. Einen römischen Gang, durch den man einen Aussichtspunkt mitten im Berg erreicht. Ich löste ein Billet, setzte das weiße Haarnetz und den gelben Helm auf, erhielt zwei Taschenlampen (für den Fall, dass eine ausfällt) und stieg in den Gang. Es dauerte keine fünf Meter, da war mein Herz in die Hose gesunken. Nein, das war kein normales gehen, in Teilen konnte man sich nur kriechend fortbewegen. Außerdem war nichts ausgeschildert, es gab mehrere Gänge zur Auswahl und alles im Dunkel erhellt von einem mageren Lichtkegel.
Ich kehrte also möglichst würdevoll um und erklärte den verdutzten Kassierern, dass das ganz bestimmt ganz toll sei, aber einfach nicht für mich gemacht. So kann ich also leider nicht aus eigener Erfahrung berichten, wie man sich inmitten eines der Minengänge fühlt. Ich habe schon im Eingangsbereich derartig Platzangst bekommen, dass mir alle weiteren Erfahrungen erspart blieben.

Die Ritter des Templerordens prägen das Stadtbild von Ponferrada. Foto: KW.

Von Las Medulas aus fuhren wir weiter nach Ponferrada, der letzten größeren Stadt auf dem Jakobsweg, bevor die Pilger einst Santiago erreichten. Wir kamen kurz nach fünf an. Es regnete gerade nicht, so dass wir beschlossen, sofort in die Stadt zu laufen. Schließlich muss man bei dieser Witterung jede einzelne Sonnenstunde nutzen.

Der Eingang zur Burg von Ponferrada. Foto: KW.

Nach einer Viertelstunde Fußmarsch standen wir völlig überrascht und überwältigt vor einem richtigen Märchenschloss, das einst den Templern gehörte. 1178 hatte Ferdinand II. von Leon die Stadt dem Templerorden übergeben, der sich ja auch im heiligen Land darauf spezialisiert hatte, die Pilger zu schützen. In dem gewaltigen Schloss, das erbaut wurde, um dieser Aufgabe gerecht zu werden logierte der Großmeister von Kastilien. 16.000 Quadratmeter Grund bedeckte die Festung, die 1312 nach der Auflösung des Ordens in den Besitz des spanischen Königshauses kam. Verschiedene Adelsgeschlechter residierten hier, ehe im spanischen Befreiungskrieg gegen die französische Herrschaft die Bauten teilweise geschleift wurden. Übrig blieb eine eindrucksvolle Ruine, die den verschiedensten Zwecken diente, unter anderem als Fußballstadion kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert.

Ein Blick in die Ausstellungsräume. Foto: KW.

1924 erhielt die Burg den Status eines nationalen Kulturerbes (auch wenn man das damals noch anders nannte) und erste Bemühungen zur Erhaltung wurden unternommen. Heute ist hier ein eindrucksvolles Museum untergebracht, das in mehreren Räumen einen Einblick in die Sozialgeschichte des Mittelalters gibt.

Der Templermythos wird bedient. Foto: KW.

Natürlich kommt auch der Templermythos nicht zu kurz, wenn im rotbeleuchteten Untergeschoß mit schauriger Stimme vom Untergang der Templer berichtet wird.
Doch für einen kleinen numismatischen Reiseführer ist natürlich viel wichtiger zu erwähnen, dass die Templer entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung Europas waren. Ihre große und mächtige Organisation, deren Mitglieder zur persönlichen Armut verpflichtet waren, war vertrauenswürdig, so vertrauenswürdig, dass viele ihnen nach ihren Tod Vermächtnisse für ihr Seelenheil übergaben oder zu Lebzeiten ihren gesamten Besitz – jedenfalls für die Zeit, in der sie am Kreuzzug teilnahmen. Oft streckten die Templer die Mittel für die teure ritterliche Ausrüstung vor und wurden entschädigt, indem sie Einkünfte aus den von ihnen verwalteten Gütern ziehen durften.

Die Burg in Ponferrada umfasste unglaubliche 16.000 Quadratmeter. Foto: KW.

Man war erfolgreich und innovativ. Die Überweisung geht auf die Templer zurück – ein Ritter zahlte vor Ort eine Summe bei einer lokalen Filiale ein, um einen Kreditbrief zu erhalten, dessen Betrag er nach Bedarf in anderen Filialen auf der Reise zurückerhalten würde. Bald nutzten die Templer ihre Ressourcen, um als Bank zu agieren. Das Zinsverbot der katholischen Kirche umging man elegant. Man gab Geld und erhielt dafür – bis zur Rückzahlung des Darlehens, die oft nie erfolgte – die Verfügung über Land und Bauern im sicheren Abendland. Rund 9.000 Besitzungen soll der Orden zu seiner Blütezeit in Westeuropa verwaltet haben, rechtlich losgelöst und von allen Steuern befreit.

Philippe IV. der Schöne. Florin d’or „à la Reine“ o. J. (1305). Philippe als gekrönter König mit Lilienszepter auf Sella Curulis thronend. Fb. 255. Aus Auktion Künker 197 (2011), 5600.

Kein Wunder, dass ein König sich von dieser Macht bedroht fühlte. Und letztlich führte der Reichtum auch zum Untergang des Templerordens: Der französische Herrscher Philippe IV. brauchte nämlich ebenfalls Geld. Er führte Krieg gegen England und deswegen hoffte er, sich ein Darlehen bei den Templern besorgen zu können. Diese weigerten sich. Philippe war erbost und erließ ein königliches Gesetz, das ihm das Recht gab, auch kirchlichen Besitz zu besteuern. Damit hatte der weltliche Herrscher in den Augen seiner Zeitgenossen seine Kompetenz überschritten. Und tatsächlich versuchte Philippe den Papst zu überzeugen, sein Gesetz bei den Templern durchzusetzen. Bonifaz VIII. reagierte mit der Exkommunikation – nicht der Templer, sondern Philippes. Der König schickte seine Soldaten und die kidnappten den Papst in Anagni. Der wurde zwar von den Bürgern der Stadt wieder befreit, starb aber einen Monat später an den Folgen des Verbrechens.
Nach einem kurzen Zwischenspiel gelang es den französischen Kardinälen, einen der ihren zum Papst zu machen. Clemens V. war ein persönlicher Freund Philippes. Er führte nicht nur das Papsttum in das Exil von Avignon, sondern gab auch die Zustimmung zur Beseitigung der Templer. Die wurden in einem gewaltigen Schauprozess angeklagt, gefoltert, verurteilt und hingerichtet. Dem König brachte das ein Vermögen. Für das Wirtschaftsleben in ganz Europa war es ein gewaltiger Schock. So gaben auch die Johanniter ihre aktive Rolle im Wirtschaftsleben auf, und das, obwohl sie die großen Gewinner waren. Ihnen wurde vom Papst der Besitz der Templer übertragen – sofern nicht die Herrscher es vorzogen, wie in Ponferrada, die Burgen unter ihre Kontrolle zu bringen.

Der heilige Toribius. Foto: KW.

Nach der Burg machten wir einen kleinen Stadtrundgang durch das wirklich hübsche Ponferrada. Wir besuchten den Hauptplatz und sahen eine Statue, die erzählte, wie die Marienstatue der Wallfahrtskirche zu Unserer Lieben Frau von der Eiche nach Ponferrada gekommen sein soll. Die Ritter „entdeckten“ um 1200 plötzlich ein altes Marienbild, das der hl. Toribius, der Bischof von Astorga, viele Jahrhunderte zuvor von einer Wallfahrt nach Jerusalem mitgebracht hatte. Die Geschichte passte gut und so zog Ponferrada noch mehr Pilger an.

Die „eiserne“ Brücke. Foto: KW.

Ach übrigens, haben Sie sich schon gefragt, woher Ponferrada seinen Namen hat? Ganz einfach, es kommt wieder einmal aus dem Lateinischen. Pons steht für Brücke und ferrada für ferrata, also für eine mit Eisen verstärkte und gesicherte Steinbrücke.

Das Radiomuseum „Luis del Olmo Marote“. Foto: KW.

Ponferrada hat noch eine weitere Attraktion, ein Radiomuseum, das von einem der renommiertesten Radio-Journalisten Spaniens gegründet wurde, und seinem Werk sowie der Institution Radio gewidmet ist.

Kreuzigungsszenen zum Mittragen. Foto: KW.

In den Souvenirgeschäften waren uns überall die kleinen Gipsfigürchen von Kapuzenmännern begegnet, wie sie in der Fastenzeit die großen Kreuzwegstationen durch die Stadt schleppen. In einer Kirche sahen wir dann noch die riesigen Gestelle mit den lebensgroßen Figuren. Aber dann hatten wir endgültig genug.
Wir waren nach dem ereignisreichen Tag völlig erledigt. Für diese Nacht hatten wir für einmal keinen Parador. Im einzigen nahe gelegenen fand eine Hochzeit statt, und man hatte uns schon am Telefon vorgewarnt, dass es laut werden könnte. So hatte unser Hotel diesmal nicht den Komfort eines Paradors, aber wenn man müde genug ist, überhört man sogar die aufheulenden Motorräder, die die Kids um 6.00 morgens aus der Disco nach hause bringen.

Begleiten Sie uns auf unserer nächsten Etappe über den Rabanal, den Pass, von dem es in einem alten Pilgerlied heißt, dass er viele Deutsche das Leben gekostet hat.
Und dann wird es endlich richtig numismatisch. Wir erreichen Leon, Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs, Münzstätte der Könige von Kastilien und Leon.

Alle weiteren Teile des Tagebuchs finden Sie hier.