von Ursula Kampmann
4. August 2011 – Die heutige Etappe führt uns zu einigen Höhepunkten der Reise: Einem Höhepunkt an Freundlichkeit in Pydna, einem touristischen Höhepunkt im archäologischen Museum von Thessaloniki und einem Höhepunkt im Kampf um das griechische Sparpaket…
16. Tag, 25. Juni 2011, Pydna oder das Ende des makedonischen Reichs
Pydna, jeder, der sich mit antiker Geschichte beschäftigt, kennt diesen Namen. Hier kam es am 22. Juni des Jahres 168 zur entscheidenden Schlacht zwischen dem römischen und dem makedonischen Heer. Wenn wir Livius glauben wollen, ließen 20.000 Makedonen ihr Leben. Der besiegte König Perseus konnte fliehen, gab aber den Kampf auf. Das an Bodenschätzen so reiche Makedonien wurde von den Römern liquidiert. Übrig blieb ein gedemütigtes, hoffnungsloses Volk, das kaum noch in der Lage war, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
L. Aemilius Paullus. Denar, 62. Concordia. Rv. Aemilius Paullus mit Trophäe, davor der gefangene Perseus mit seinen Söhnen. Gorny & Mosch 191 (2010), 1981.
Doch Pydna hat eine viel längere Vergangenheit. Die Küstenstadt stammt aus dem 6. Jh. v. Chr. Wegen ihrer verkehrgünstigen Lage wurde sie durch den Export makedonischer Rohstoffe reich. Von Pydna aus segelten unzählige Schiffe vor allem mit Bauholz zu den großen Handelsmetropolen. So fand hier der Athener Themistokles auf seiner Flucht ein Schiff, das ihn nach Ephesos brachte. Die makedonischen Könige und die Athener hätten Pydna zu gerne unter ihrer Kontrolle gehabt. Doch erst Philipp II. integrierte es dauerhaft in sein Reich. Unter römischer Herrschaft fristete Pydna sein Schicksal als Provinzstadt.
Die byzantinische Basilika von Kitros, dem antiken Pydna. Foto: KW.
In byzantinischer Zeit entstand, wie archäologische Funde beweisen, in geringer Entfernung der antiken Stadt ein Hafen, von dem die Überreste einer Basilika, erhalten sind. Die Grabung ist nicht nur zugänglich sondern auch aufgeräumt und sorgfältig sauber gehalten. Dahinter steht ein Einzelner, der jeden Besucher, der von Montags bis Freitags auf „seine“ Grabung kommt, freundlich fragt, ob man allein zurecht komme oder sich gerne führen lassen würde – natürlich völlig kostenlos (und das ist ernst gemeint!). Anschließend bittet er, das Gästebuch zu unterschreiben, um die Verwaltung von der Wichtigkeit „seiner“ Grabung zu überzeugen.
Ausblick von der Basilika auf das Meer. Foto: KW.
Ich ärgere mich, daß ich den Mann nicht nach seinem Namen gefragt und kein Foto von ihm gemacht habe, denn ich würde mich gerne namentlich bei ihm für seinen großartigen Einsatz bedanken. Es war eine Freude, jemanden kennenzulernen, der so engagiert ist und sich mit Begeisterung einsetzt. Menschen wie er geben Griechenland ein freundliches Gesicht.
Der fränkische Brunnen in der byzantinischen Basilika. Foto: KW.
Aber zurück zum byzantinischen Kitros. Es blühte bis zum Beginn des 13. Jhts, als im Jahr 1204 unter venezianischer Führung das Kreuzfahrerheer den byzantinischen Kaiser stürzte. Damit stand auch das vorher von Konstantinopel beherrschte Griechenland zur Disposition. Ein fränkisches Heer belagerte und eroberte Kitros, brannte die Stadt nieder und richtete in der ehemaligen Basilika eine Festung ein, deren damals gebohrter Brunnen erhalten ist.
Bleispuren in einer Säulentrommel. Foto: KW.
Auch wenn die Ausgrabung von Kitros an Wichtigkeit vielleicht nicht mit anderen Stätten Makedoniens mithalten kann, entdeckt man mit offenen Augen doch Interessantes. So zum Beispiel Spuren von Blei in einem Säulenrest, wie es in der Antike benutzt wurde, um die Säulentrommeln elastisch miteinander zu verbinden.
17. Tag, 27. Juni 2011, Thessaloniki: Archäologisches Museum
Eine ganze Woche sind wir in Platamon geblieben. Nun geht es endlich weiter. Ziel ist Thessaloniki, die zweitgrößte Stadt Griechenlands. Rund eine Million Griechen leben hier und im Umland. Thessaloniki ist berühmt für seine vielen byzantinischen Kirchen, in denen der Mosaikschmuck weit besser erhalten ist als in der eigentlichen Hauptstadt Konstantinopel.
Thessaloniki. Bronze, 187-31. Hermes. Rv. Pan mit Lagobolon. Aus Münzen & Medaillen Deutschland 30 (2009), 184.
Gegründet im Jahr 315 v. Chr. von Kassandros, der die neue Stadt nach seiner Gemahlin Thessalonike – einer Halbschwester Alexanders des Großen – benannte, wurde Thessaloniki durch seine verkehrsgünstige Lage zu einem der wichtigsten Häfen Makedoniens.
Thessaloniki. Augustus. Bronze, ca. 17 v. Chr. Kopf des Augustus. Rv. Lorbeerkranz mit Stadtnamen. Aus Auktion Lanz 151 (2011), 677.
Nach dem Sieg der Römer wuchs seine Bedeutung noch. Die Römer hatten um das Jahr 146 v. Chr. die strategisch so wichtige Via Egnatia erbaut, die Hauptverkehrsader zwischen der Adriaküste und dem Bosporus. So passierte jeder bedeutende und unbedeutende Römer auf dem Landweg nach Kleinasien Thessaloniki, mag er Cicero oder Paulus geheißen haben…
Maximianus Herculius. Argenteus, Thessaloniki, 302. Rv. Lagertor. Aus Auktion Lanz 135 (2007), 932.
Kein Wunder, daß Thessaloniki zu einem wichtigen Verwaltungszentrum wurde, das unter den Tetrarchen eine eigene, rege benutzte Münzstätte bekam. Galerius baute die Stadt gar zu seiner Residenz aus. Nach Konstantin verlor sie allerdings ein wenig an Bedeutung, da Konstantinopel die Rolle eines Zentrums des Ostens übernahm. Nichtsdestotrotz arbeitete die Münzstätte von Thessaloniki weiter. Und die Bürger richteten sich gut in ihrer Rolle ein, in der zweitwichtigsten Stadt des byzantinischen Reichs zu wohnen.
Yolande de Montferrat. Bulle, 1285-1317. 1285 heiratete Yolande den byzantinischen Kaiser Andronikos II., doch seit 1303 hielt sie sich ausschließlich in Thessaloniki auf, wo sie eine eigenständige Politik betrieb. Aus Auktion Lanz 144 (2008), 815.
Mit der Eroberung Konstantinopels 1204 änderte sich das. Zunächst wurde Thessaloniki Hauptstadt eines fränkischen Königreichs unter Bonifatius von Montferrat. Dann übernahm der Despot von Epirus die Herrschaft und ließ sich hier zum (Gegen-)Kaiser krönen. Thessaloniki wurde neue Hauptstadt. Dieses Reich endete 1246 mit der Eroberung durch Johannes III. Dessen Enkel gelang es, auch Konstantinopel 1261 den Franken abzunehmen.
Osmanen. Mohammad V., 1909-1918. 10 Kurusch 1909, Mzst. Thessaloniki. Auf seinen Besuch in der Stadt. Aus Auktion Gorny & Mosch 143 (2005), 5536.
1430 eroberte Murat II. Thessaloniki. Es wurde Teil des Osmanischen Reichs. Die Stadt gedieh unter türkischer Herrschaft. Sie blieb ein wichtiges Handelszentrum und erlebte mit der Industrialisierung ein gewaltiges Wachstum. Ein Feuer im Jahr 1890 machte nicht nur 20.000 Menschen obdachlos, sondern vernichtete wertvolle, zum Teil noch antike Bausubstanz. Doch die Schäden waren schnell behoben. Thessaloniki galt als reiche, lebendige und intellektuell sehr aktive Stadt. Dazu paßt ausgezeichnet, daß hier 1908 die Jungtürkische Revolution unter dem in Thessaloniki geborenen Mustafa Kemal, dem späteren Atatürk, ihren Anfang nahm.
Zu Griechenland kam Thessaloniki erst im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzung im Vorfeld des 1. Weltkriegs. Es war eine schlimme Zeit für die Stadt, die inmitten der Auseinandersetzungen stand. Hier fand der größte Teil der Flüchtlinge nach dem Griechisch-Türkischen Krieg (1919- 1922) eine neue Heimat, damit war seit der Antike zum ersten Mal die griechische Bevölkerung in Thessaloniki wieder in der Mehrheit.
Das archäologische Museum in Thessaloniki. Foto: KW.
Unser erster Weg führte uns in das archäologische Museum von Thessaloniki. Einen besseren Anfang kann man nicht machen. Das Material, über das man hier verfügt, hält Vergleiche mit den besten Museen der Welt stand. Neben der berühmten Goldabteilung hat man in den letzten Jahren eine ausgezeichnete Ausstellung mit Funden aus Thessaloniki eingerichtet.
Ein seltener Fund: Das Auge einer Statue mit seinen Glaseinlagen. Foto: KW.
Die erste Überraschung war eine Sonderausstellung zum Thema Glas. Mich faszinierte vor allem das aus Glas gefertigte Auge einer Monumentalstatue mit seinen Wimpern aus Bronze.
Gold der Makedonen. Foto: KW.
Teil der Dauerausstellung ist eine Präsentation der unvergleichlich prachtvollen Goldgegenstände, die in Makedonien gefunden wurde. Der Besuch hier ist ein Muß, um zu verstehen, wie unglaublich reich dieses Land an Edelmetallen war.
Goldkranz im archäologischen Museum von Thessaloniki. Foto: KW.
Die Funde von Vergina werden so relativiert, denn nicht jeder Goldkranz wird einst das Haupt eines makedonischen Königs geschmückt haben, dafür gibt es einfach zu viele von ihnen.
Makedonische Münzen. Foto: KW.
Hier wird auch ausführlich über die makedonische Münzprägung informiert. Große Tafeln zu Bergbau, Metallvorkommen und Metallverarbeitung leiten in die Ausstellung ein.
Eines der Medaillons von dem ägyptischen Fund von Abukir. Foto: KW.
Beim ägyptischen Abukir wurde 1902 ein Hort von Goldmedaillons gefunden, von denen zwei die makedonische Olympias zeigen. Eines davon konnte das Museum von Thessaloniki damals erwerben. Es ist heute in der Ausstellung zu sehen. (Das andere liegt übrigens in Berlin.)
Goldabschlag oder Guß nach einer Tetradrachme von Akanthos. Foto: KW.
Es ist mir ein Rätsel (und ich kam nicht nah genug heran, um es zu lösen), ob dieses prachtvolle Goldstück ein Guß nach einer Tetradrachme von Akanthos ist oder ein Abschlag.
Der berühmte Derveni-Krater. Foto: KW.
1962 entdeckte man in einem Grab in Derveni, nicht weit von Thessaloniki, diesen herrlichen Mischkrug. Er besteht aus vergoldeter Bronze, wiegt 40 Kilo und diente zuletzt als Urne des thessalischen Aristokraten Astiouneios aus Larisa, Sohn des Anaxagoras. Seine Überreste lagen vermischt mit denen einer jungen Frau zum Zeitpunkt der Auffindung noch darin.
Ausschnitt aus dem Derveni-Krater. Foto: KW.
Thema der Darstellung ist das göttliche Paar Dionysos und Ariadne, die von Mänaden und Satyren begleitet werden. Man kann gar nicht aufhören zu schauen und wird beim Betrachten dieses unglaublich kunstfertigen Stückes immer tiefer in die Darstellungen hineingezogen.
Volute am Derveni-Krater. Foto: KW.
Wann und wo dieses Kunstwerk entstanden ist, ist in der Forschung umstritten. Manche stimmen für 350 v. Chr. und Thessalien, unter der Herrschaft der Aleuaden, der großen Konkurrenten der Tyrannen von Pherai. Andere halten einen königlichen Bronzeschmied Philipps II. für den Urheber, der das Prunkstück zwischen 330 und 320 v. Chr. schuf.
Schleuderblei – Zeugnisse für die Kriegszüge Philipps II. Foto: KW.
Neben der Goldausstellung gibt es einen ausgezeichneten Rundgang zum griechischen Alltag. Da wird Krieg, Handel und Wirtschaft, Haus und Familie sowie Begräbnissitten thematisiert.
Vitrine in dem Saal, der Handel und Wirtschaft gewidmet ist. Foto: KW.
Im Raum, der Handel und Wirtschaft gewidmet ist finden sich numismatische Objekte wie Münzen, Gewichte und Siegel.
Marmorne Tür eines Grabbaus. Foto: KW.
Hier nur noch ganz kurz ein paar Highlights, die mir aufgefallen sind – und dies ist sicher nicht alles, was es sich anzusehen lohnt im archäologischen Museum von Thessaloniki. Wenn Sie einmal die Möglichkeit haben, es zu besuchen, nehmen Sie sich ausreichend Zeit dafür.
Abguß des Gesichts eines Verstorbenen zur Fertigung einer Totenmaske. Foto: KW.
Diese Maske ist zum Beispiel ziemlich ungewöhnlich. Sicher ist es schon längst bekannt, daß die römische Oberschicht von den Verstorbenen Masken abnahm, aus denen Porträts für den privaten Gebrauch gestaltet wurden, aber ich habe noch nie eine originale Form gesehen.
Archaischer Tempel auf römischen Fundamenten. Foto: KW.
Eine andere Überraschung bietet dieser archaische Tempel aus dem 6. Jahrhundert, der seinem Kontext nach in römischer Zeit errichtet worden sein muß. Sie haben richtig gelesen. Wir haben hier den seltenen Fall einer Tempelverlegung: Der alte Tempel der Aphrodite von Aineia wurde nach Thessaloniki geholt, um dort dem Kult des Iulius Caesars zu dienen.
Spuren des Protests: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Vampir. Foto: KW.
Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir im archäologischen Museum geblieben sind. Jedenfalls wollten wir danach nur noch eines: Essen und Trinken. Wir gingen ins Stadtinnere, wo wir nun (endlich) Spuren des Protests gegen die Sparmaßnahmen fanden, die am 29. Juni 2011 im Parlament zur Abstimmung standen. Nach den schrecklichen Bildern vom Syntagma-Platz war die Realität sehr bescheiden. Ein paar Bilder von Frau Merkel mit verlängerten Eckzähnen…
Demonstranten am Weißen Turm. Foto: KW.
…und ein Zeltlager mit Protestplakaten am Weißen Turm. Das war alles. Die Demonstration war friedlich und von der in den Medien heraufbeschworenen Deutschenfeindlichkeit merkten wir nichts. Im Gegenteil, wir hatten ein paar sehr nette Gespräche in der Taverne, in der wir aßen. Griechen sind ja immer ziemlich verblüfft, wenn man ihre Schrift lesen kann (und sie können es überhaupt nicht verstehen, daß man zwar ihre Schrift liest, nicht aber ihre Sprache spricht). Und das war der Einstieg zu einigen interessanten Informationen. Am schlimmsten ist für viele junge Leute wohl die Aussichtslosigkeit. Sie haben studiert, wollen nun einen guten Job nach den langen Jahren der Entbehrung, und die Wirtschaft braucht sie nicht oder will ihre Leistung nicht angemessen zahlen. Und das geschieht gleichgültig, ob man BWL, Jura, Ingenieurswesen oder etwas wirklich Wirtschaftsrelevantes wie Archäologie studiert hat.
18./19. Tag, 28.-29. Juni 2011, Thessaloniki
Fassen wir die beiden Tage in Thessaloniki zusammen. Wir hatten uns ein Quartier in Panorama gesucht, das genauso liegt wie sein Name klingt, einfach wunderschön, hoch über der Stadt. Der Bus bringt einen direkt in die Altstadt. Für die Hinfahrt ist das die optimale Lösung. Die Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben wir allerdings erst beim dritten Anlauf geschafft. Die Busse fahren nämlich hinzu eine andere Route durch die Innenstadt als zurück, was für einen Touristen nicht wirklich sofort zu durchschauen ist.
Wie auch immer, als wir da so im Bus standen, sprach uns der Busfahrer in perfektem Deutsch mit leicht niederrheinischem Akzent an. Er hatte in Deutschland gearbeitet und freute sich riesig, seine Sprachkenntnisse wieder einmal einsetzen zu können. Natürlich waren wir sofort mitten in einer intensiven Diskussion über die Krise. Er sah vor allem zwei Ursachen: Die Ungerechtigkeit des griechischen Steuersystems, das noch nicht einmal einen Anreiz dazu gäbe, ehrlich zu sein. Und die Tatsache, daß in Griechenland jeder gleich Chef sein wolle und handwerkliche Arbeit eine sehr schlechte soziale Reputation genösse. Seine Tochter habe er wieder nach Deutschland geschickt. Sie solle ja schließlich einmal eine Zukunft haben…
Ein Teil des ausgegrabenen Galeriuspalast. Foto: KW.
Das erste, was wir am frühen Morgen auf unserem Spaziergang entdeckten, waren Reste des Galerius-Palastes, dessen Ausgrabungen immer wieder ins Straßenbild integriert sind.
Grabung in einem anderen Teil des Galeriuspalasts. Foto: KW.
In einem anderen Teil des Galeriuspalasts wurde sogar gegraben.
Versammlung zur Demonstration vor dem Galeriusbogen. Foto: KW.
Die ausführliche Besichtigung des Galeriusbogens war ein wenig schwierig, da sich hier Dutzende von Studenten zur Demonstration versammelten. Bitte verstehen Sie das richtig: Es war überhaupt nicht aggressiv. Man hatte nichts dagegen, daß wir kamen und Fotos machten, aber es war unglaublich laut, während aus den Lautsprechern „Bella Ciao“ dröhnte.
Detail aus dem Galeriusbogen: Opfer im Familienkreis. Foto: KW.
Der Bogen wurde nach einem Sieg des Galerius über den Perserkönig im Jahr 298 errichtet. Er zeigt eine Fülle von Details – vor allem aus dem Feldzug, die von Historikern gerne als Quelle benutzt werden, weil andere Informationen nur sehr spärlichen erhalten sind.
Divus Galerius. Follis, 311, Thessalonika. Rv. Grabbau mit Kuppeldach, darauf Adler. Aus Auktion Lanz 109 (2002), 841.
Gute 100 m von dem Galeriusbogen entfernt liegt die „Rotunde“, ein Bau, den Galerius 360 n. Chr. errichtet ließ und der wahrscheinlich dazu geplant war, als sein Grabmal zu dienen.
Die Galeriusrotunde: ein eindrucksvoller Bau. Foto: KW.
Nach seinem Tod aber wurde er in Felix Romuliana (heute Serbien) begraben. Die Rotunde stand leer und wurde von Constantin zur Kirche umgebaut. Aus dieser Zeit stammen die qualitätvollen Mosaiken, deren Reste wir in der Rotunde bestaunten. Als die Osmanen die Stadt eroberten, wurde aus dem Bau eine Moschee mit einem Minarett, das heute noch steht und 2004 sogar renoviert wurde, auch wenn der griechisch-orthodoxe Klerus immer wieder einmal einen Vorstoß unternimmt, die Rotunde wieder zur Kirche umzugestalten.
Mosaikreste in der Kuppel der Rotunde aus dem 4. Jh. n. Chr. Foto: KW.
Schließlich wollen manche in dem Bau die älteste christliche Kirche der Welt sehen, wobei es ganz nebenbei weltweit ziemlich viele Anwärter auf diesen Titel gibt. Wie auch immer…
Die Kirche des hl. Demetrios. Foto: KW.
Es gibt unzählige interessante Kirchen in Thessaloniki. Wir haben sie nicht alle besucht. Und selbst bei den besuchten wäre es langweilig, eine nach der anderen aufzuzählen, selbst wenn sie in ihren Grundmauern auf die Spätantike zurückgehen und/oder wunderschöne Mosaiken besitzen. Beschränken wir uns auf zwei: Erst die des hl. Demetrios, dann die der Agia Sophia.
Alexios I. Komnenos. Aspron Trachy, Thessaloniki, 1082-1087. Rv. Hl. Demetrios und Kaiser. Aus Auktion Peus 401 (2010), 756. Foto: KW.
Erste schriftliche Zeugnisse über den hl. Demetrius stammen aus dem 9. Jh. Sie erzählen, daß er während der Christenverfolgung unter Diocletian in Thessaloniki getötet wurde. Vielleicht war ein lokaler Märtyrerkult Ausgangspunkt für diese Überlieferung, denn archäologische Befunde in der Kirche weisen darauf hin, daß seit der Mitte des 5. Jahrhunderts an diesem Ort zu Demetrios gebetet wurde. Die Reliquien entdeckte man erst später. Da war der Heilige längst schon zum Schutzpatron der Stadt Thessaloniki – und zum Münzmotiv – geworden.
Das Innere der Kirche des hl. Demetrios. Foto: KW.
Der erste Kirchenbau geht auf eine private Stiftung von 412/3 zurück. Die heutige Basilika steht auf den Grundmauern eines Baus aus der 2. Hälfte des 5. Jh. Leider mußte nach einem großen Brand im Jahr 1917 vieles erneuert werden, so daß nur noch wenige Mosaiken und die prachtvollen Säulen im Kirchenschiff darauf hinweisen, wie alt dieser Bau eigentlich ist.
Der Reliquienschrein für die Gebeine des hl. Demetrios. Foto: KW.
Die Gebeine, die im Reliquienschrein liegen, wurden erst im 7. Jh. aufgefunden. Übrigens sehr zum Mißfallen des lokalen Bischofs Johannes. Er bezweifelte öffentlich deren Authentizität.
Das Zentrum des Kultes um Demetrios; hier wurde das hl. Öl abgefüllt. Foto: KW.
Die Gebeine sollen dann selbst ihre Echtheit bewiesen haben, indem sie eine Art stark riechenden, flüssigen Weihrauch absonderten. Der wurde regelmäßig abgeschöpft…
Flasche für das heilige Öl mit dem Bild des Demetrios. Foto: KW.
Zum einen damit der Sarg nicht überlief, zum anderen um das Öl an die Pilger zu verteilen (wahrscheinlich gegen eine großzügige Spende). Übrigens soll das Öl heute noch fließen.
Fundmünzen aus der Krypta, in der heute ein Museum eingerichtet ist. Foto: KW.
All das befindet sich in der Krypta, unter der Kirche. Dort ist ein kleines Museum eingerichtet. Hier entdeckt man byzantinische Reliefs, Keramik, aber auch einige Fundmünzen.
Demonstranten vor der Kirche des hl. Demetrios. Foto: KW.
Während wir die Kirche besichtigten, fand draußen die Demonstration der Gewerkschaften gegen die Sparmaßnahmen statt. Sie war friedlich und wirkte keinesfalls bedrohlich. Nach dem Ende der Demo trafen wir die Teilnehmer verteilt auf die Cafés rund um die Fußgängerzone.
Polizisten in Bereitschaft. Foto: KW.
Wahrscheinlich trug das ruhige Vorgehen der Polizei zur Deeskalierung bei. Sie hielten sich in den Nebenstraßen auf und wirkten ziemlich friedlich, wie sie, Helm und Schild neben sich abgelegt, miteinander scherzend auf den Gehsteigen hockten und ihr Lunchpaket verzehrten.
Griechische Agora von Thessaloniki. Foto: KW.
Auch die noch recht reichlichen Überreste der griechischen Agora sind in das Stadtbild integriert. Hier in der Nähe soll sich die Münzstätte von Thessaloniki befunden haben.
Die Agia Sophia von Thessaloniki. Foto: KW.
Die aus dem 8. Jh. stammende Kirche zu Ehren der Heiligen Weisheit ist deshalb besonders interessant, weil sie einer der wenigen Bauten ist, der aus der Epoche des Bilderstreits stammt und sich erhalten hat. Vorbild war natürlich die große Hagia Sophia in Konstantinopel.
Das Deckenmosaik in der Kirche der Agia Sophia vom Ende des 9. Jh. Foto: KW.
Das prachtvolle Deckenmosaik stammt aus dem 9. Jh. und damit unmittelbar aus der Zeit nach dem Ende des Bilderstreits. Es zeigt die Himmelfahrt Christi im Kreise der Apostel und Maria.
Kapitell mit „vom Winde verwehten“ Akanthusblättern. Foto: KW.
Nein, so bemerkenswert ist dieses Kapitel nicht, daß man es unbedingt abbilden müßte. Aber ich kann mir nicht verkneifen, auf ein lokales Büchlein über die byzantinischen Bauten Thessalonikis hinzuweisen, das diese Akanthusblätter als „vom Winde verweht“ beschreibt.
Die byzantinische Stadtmauer. Foto: KW.
Thessaloniki ist eine ziemlich anstrengende Stadt, vor allem wenn man sich nicht mit den Sehenswürdigkeiten der Unterstadt begnügt, sondern in die Oberstadt steigt, wo es nicht nur eine Reihe von byzantinischen Kirchen gibt, sondern auch sehr gut erhaltene Festungsmauern mit Türmen und Toren. Teile davon wurden übrigens bis ins 19. Jahrhundert benutzt. Im obersten Teil, im so genannten „Heptapyrgion“ (= Sieben Türme), residierte die osmanische Garnison. Nachdem die Gebäude bis 1989 als Gefängnis dienten, in dem vor allem im 20. Jahrhundert zahlreiche politische Häftlinge einsaßen, logiert hier heute die Universität.
Ausblick auf Thessaloniki von der Oberstadt aus. Foto: KW.
Während sich in der Oberstadt viele kleine, alte Häuser erhalten haben, von denen heute der größte Teil restauriert ist, prägen die Unterstadt mehrstöckige, moderne Bauten.
Natürlich konnte ich hier bei weitem nicht alles beschreiben, was wir in Thessaloniki gesehen haben. Sonst wäre dieser Beitrag noch um vieles länger geworden. Und selbstverständlich haben wir während unseres zweieinhalbtägigen Aufenthalts, nur einen Teil dessen gesehen, was eines Besuchs wert gewesen wäre. Auf jeden Fall ist Thessaloniki ein Höhepunkt Makedoniens, nicht nur wegen des einmaligen archäologischen Museums, sondern auch wegen der vielen netten, offenen Leute, die wir hier trafen.
Und damit erst einmal genug. Versäumen Sie auch die nächste Folge des numismatischen Tagebuchs nicht. Es geht auf die Chalkidike, von der aus wir Ausflüge zu den Orten unternehmen, in denen einige die schönsten Münzen der Menschheitsgeschichte entstanden. Ich sage nur Amphipolis und Olynthos.
Für diejenigen unter Ihnen, die mit eigenen Augen die Schätze Nordgriechenlands entdecken wollen, führe ich im Herbst im Auftrag von Klingenstein eine Reise. Wenn Sie daran interessiert sind, klicken Sie hier.
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