Sie haben es bestimmt mitbekommen: Fast drei Jahre nach dem spektakulären Raub der 100-Kilo-Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum ist nun das Urteil verkündet worden. Drei der vier Angeklagten wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt: Die beiden Diebe aus einer der Bandenkriminalität verdächtigten Großfamilie zu vier Jahren und sechs Monaten; ihr Komplize, der Wachmann, zu drei Jahren und vier Monaten. Der vierte Angeklagte, der ebenfalls zum arabischstämmigen Familienclan gehört, wurde freigesprochen. Keiner der Angeklagten war zum Tatzeitpunkt älter als 20 Jahre, so dass das Gericht nach dem wesentlich milderen Jugendstrafrecht urteilte.
Indizienlast können auch Topanwälte nicht aufwiegen
Überführt wurden die Diebe anhand von Indizien. Das zog den Prozess in die Länge, da sich die Familie der Angeklagten sehr gute Anwälte leisten konnte. Letzten Endes waren die Indizien aber zu schwerwiegend, um sich entkräften zu lassen. Wie in der FAZ zu lesen war, fanden sich in der Wohnung und auf der Kleidung eines Angeklagten Goldspäne, die sich wegen ihrer Reinheit eindeutig der Münze zuordnen ließen. Auch fand man einen Zettel mit Notizen zum aktuellen Goldpreis. Beim zweiten Angeklagten wurde ein Handschuh mit einem Glassplitter der Museumsvitrine sichergestellt. Weiterhin wurde seine DNA an einem Seil gefunden, das die Täter zurückgelassen hatten. Vom Wachmann wurden DNA-Spuren an dem einzigen nicht alarmgesicherten Fenster entdeckt, das er für seine Komplizen offengelassen hatte.
Kann es sein – Verbrechen lohnt sich doch?
Die Münze selbst bleibt verschwunden. Es wird angenommen, dass sie beim Clan der Täter landete, wo sie zersägt, eingeschmolzen und weiterverkauft oder versteckt wurde. Das konnte aber nicht bewiesen werden. Dass sich die jungen Diebe für andere die Hände schmutzig gemacht haben, scheint dennoch höchst wahrscheinlich. Immerhin: Die Anstrengungen der Polizei im Kampf gegen die arabische Clan-Kriminalität haben seither größere Unterstützung von Politikern erfahren.
Um zu verhindern, dass die Täter nach ihrem kurzen Aufenthalt im Gefängnis dank der Beute im Geld schwimmen, wurde zusätzlich richterlich angeordnet, von den beiden Hauptangeklagten ein Vermögen von 3,3 Millionen Euro einzuziehen, was in etwa dem Goldwert der Münze zum Tatzeitpunkt entspricht. Vom ehemaligen Wachmann sollen 100.000 Euro eingezogen werden. Es wird davon ausgegangen, dass das sein Anteil war, da er sich nach der Tat um Investitionsmöglichkeiten für diese Summe informierte.
Das Strafmaß in europäischer Perspektive
Man kann sich fragen, ob die kurzen Haftstrafen der jungen Männer dem Verbrechen gerecht werden. Vergleichen wir das Strafmaß mit ähnlichen Fällen der letzten Jahre. Die traurige Erkenntnis: Viel mehr als diese paar Jahre Haft hat man als Dieb heute nirgendwo in Europa mehr zu erwarten. Die jungen Männer, die 2018 das Herz der Anne von Bretagne nebst zahlreichen Goldmünzen gestohlen hatten, wurden zu bis zu 4 Jahren Haft verurteilt. Der Fall in Schweden, bei dem der Grabschatz König Karls IX. erbeutet wurde, zog eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren nach sich. Der schwedische Kurator, der wohl tausende Münzen aus dem königlichen Münzkabinett in Stockholm gestohlen hatte, muss ebenfalls nur für drei Jahre in Haft, der Käufer der gestohlenen Ware ging ohne Haftstrafe aus.
Prozess Nr. 2: Wer zahlt?
In einem Detail unterscheidet sich der Fall Berlin fundamental von den anderen Diebstählen: Während bei ihnen die Beute wieder auftauchte, bleibt die Goldmünze „Big Maple Leaf“ verschwunden. Und da diese einem privaten Besitzer gehörte und seit 2010 als Dauerleihgabe im Bode-Museum war, war sie auch versichert – was viele Objekte in staatlichen Museen nicht sind. Nun ist der Besitzer ebenfalls vor Gericht gezogen.
Er hat nämlich recht wenig davon, dass ein paar junge Männer für einige Jahre hinter Gittern sitzen. Er hätte gerne den Wert seiner Münze ersetzt. Doch die Allianz hat bisher laut Medienberichten nur 800.000 Euro ausbezahlt. Nun klagt der Besitzer in einem Zivilprozess gegen die Allianz auf Auszahlung der vollen Versicherungssumme von 4,2 Millionen Euro.
Allerdings argumentiert die Versicherung mit den gravierenden Mängeln in der Sicherheit des Bode-Museums. Sie sieht in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine Mitschuldige am Diebstahl. Die Stiftung hat sich deshalb dem Besitzer als Mitkläger angeschlossen. Vor Gericht wird nun untersucht, ob und in wie weit die Stiftung Schuld oder Mitschuld am Diebstahl hat. Der neue Prozess ist also ein Prozess, in dem geklärt wird, inwieweit ein Museum verantwortlich dafür ist, seine Objekte mit angemessener Sicherheit aufzubewahren. Vom Ausgang des Prozesses wird es abhängen, ob die Stiftung und damit Bund und Länder für den größten Teil der Versicherungssumme aufkommen müssen.
Die B.Z. zitiert dazu den Anwalt des Besitzers: „Wir sitzen hier zwischen den Stühlen. Meinem Mandanten ist es letztendlich egal, ob die Versicherung oder das Museum den Schaden begleicht.“ Sie sehen, der Fall bleibt spannend. Ein Urteil wird frühestens am 17. März gefällt.
In den USA scheinen die Gesetze etwas härter zu sein: Dort wurde Ende Januar selbst ein Händler, der mit Fälschungen Kunden betrog, zu 10 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt.
Erst in der letzten Ausgabe haben wir über einen neuerlichen Einbruch in eine Berliner Kultureinrichtung berichtet.