Es gab kaum eine wichtige Münzbörse, bei der man nicht das immer freundlich lächelnde Gesicht von Paul Rabin sah. Da saß er am Tisch eines Münzhändlers, sorgfältig das gesamte Lager des Händlers anschauend, verschämt sein eigenes Lager zum Verkauf anbietend, nie aufdringlich, immer bescheiden und immer zugewandt.
Und dabei gab es für Paul Rabin eigentlich keinen Grund, so freundlich zu aller Welt zu sein, denn das Leben war nicht freundlich zu ihm. Mit seiner bedächtigen Art, der jegliche Form von Schnelligkeit oder Effektivität fremd war, gehörte er zu den Münzhändlern einer anderen Generation. Er wusste die Schönheit, die Seltenheit und die historische Bedeutung einer Münze zu schätzen, auch wenn sie nicht von feinstem vorzüglich war und einen hohen Gewinn versprach. Er hätte gerne als loyaler Mitarbeiter in einer Münzhandlung eine langfristige Stellung gefunden, aber keines der vielen Beschäftigungsverhältnisse war von Dauer. Er passte nicht in eine Zeit der Gewinnoptimierung. Für ihn ging Gründlichkeit immer vor Geschwindigkeit, doch das konnten und wollten sich viele Arbeitgeber nicht leisten.
Paul Rabin hat für viele Händler gearbeitet. In den USA soll er seine numismatische Ausbildung bei NFA und Goldberg genossen haben. Er kam um 1992 in die Schweiz, um beim damals schon über 80jährigen Frank Sternberg zu arbeiten. Die Anstellung endete in einem vernichtenden Streit. Das Gerücht kursierte, Paul Rabin habe gestohlen. Wer ihn kennt, weiß, dass das nicht wahr sein kann. Dieses Gerücht vernichtete ein Leben. Es wurde zum dramatischen Bruch in Paul Rabins Karriere. Auch wenn ihn einige Personen danach unterstützten – er arbeitete zum Beispiel für die Münzen und Medaillen AG bis zu ihrer Liquidation im Jahr 2004 –, fand er danach keine feste Stellung mehr, wollte sie vielleicht nach seinen Enttäuschungen auch nicht mehr finden. Paul Rabin verdiente sich sein Geld als das, was man damals unschön als „Westentaschenhändler“ bezeichnete. Ohne großes Eigenkapital und ohne die Möglichkeiten, die das Internet heute gerade kleineren Händlern bietet, reiste er von Münzbörse zu Münzbörse immer mit seiner kleinen Schachtel voller billiger Münzen. Er konnte sich damit gerade über Wasser halten. Einige Aufträge anderer Händler – oft zu Konditionen, die kein anderer angenommen hätte – brachten ein wenig zusätzliches Geld ein.
Und das, obwohl Paul Rabin äußerst gewissenhaft war. Trotz Internet wollte er keine Münzen kaufen, die er nicht selbst ausführlich besichtigt hatte. Kollegen von ihm schwärmen davon, wie sorgfältig er seine Kataloge mit Annotationen versah. Seine Aufträge erfüllte er im Sinne des Auftraggebers loyal und ehrlich bis zur Selbstaufgabe.
Obwohl bereits über 70 Jahre alt arbeitete Paul Rabin immer noch: Im Auftrag des Münzkabinetts Winterthur und als Katalogschreiber des Zürcher Auktionshauses Nomos. Paul Rabin dürfte keine andere Wahl geblieben sein.
Er verstarb nach langer Krankheit im Februar 2021. Wir trauern mit seiner geliebten Frau Anke um einen Menschen, der zu gut für diese Welt war.