von Ursula Kampmann
22. November 2012 – Am 16. November 2012 verstarb Peter Berghaus vier Tage vor seinem 93. Geburtstag an Altersschwäche. Bis in die letzten Monate konnte er sich seine geistige Frische bewahren. Wir verlieren in ihm einen der bedeutendsten Numismatiker Europas, der die Welt der Sammler und Forscher durch seine kollegiale Art tief geprägt hat.
Peter Berghaus, wenn ich an ihn denke, dann steigt in mir noch einmal die Angst auf, die ich hatte, als ich mich auf den Festvortrag für das Münzsammlertreffen in Minden vorbereitete. Unbestechlich, so hieß es, sei er, Peter Berghaus. Wenn er einen Fehler in der Argumentation fände, würde er einen ungerührt darauf aufmerksam machen. Vor allen Leuten. Gleichgültig ob der Vortragende ein weltberühmter Professor sei oder ein Neuling, wie ich es damals war. Tatsächlich erlebte ich Peter Berghaus dann mehr als freundlich. Ohne die vorgespiegelten Floskeln und Höflichkeiten diskutierte er mit mir auf Augenhöhe. Und nicht nur mit mir. Peter Berghaus war einer der großen Lehrer der Numismatik, der sich an den Leistungen der anderen freuen konnte. Er hat unzählige Menschen ernst genommen und beflügelt, junge Studenten und fortgeschrittene Sammler, alle, die wie er, Münzen liebten und erforschen wollten.
Geboren wurde Peter Berghaus am 20. November 1919 in Hamburg als jüngstes von vier Geschwistern. Wie soll man seine Kindheit und Jugend zusammenfassen? Er verlor die Eltern früh. Und er begann bereits als Schüler am traditionsreichen, bereits 1529 gegründeten Johanneum zu sammeln. Natürlich nicht einfach nur Münzen. Peter Berghaus konzentrierte sich auf Gegenstempel. Und so wurde ihm bereits als 18jährigem die Ehre zuteil, in den erlesenen Kreis der Hamburger Münzfreunde aufgenommen zu werden. Wer an heutige Münzvereine denkt, in denen man sich über jugendlichen Zuwachs freut, der kann diese Tatsache nicht genug würdigen. Im Jahre 1937 bestand dieser Verein aus vorwiegend sehr gut betuchten alten Herren – darunter zum Beispiel Friedrich Bonhoff oder Bruno Dorfmann, die schon zwei Bürgen sehen wollten, ehe sie einem neuen Mitglied erlaubten, zu ihren Sitzungen zu kommen. Schließlich lagen da nicht selten Münzen auf dem Tisch, deren Gegenwert dem durchschnittlichen Wocheneinkommen eines Arbeiters entsprach.
Peter Berghaus blieb der Militärdienst nicht erspart. In der Nähe von Würzburg wurde er am 5. April 1945 so schwer verwundet, dass er den linken Unterarm verlor. Nach dem Krieg begann er mit dem Studium. Sein Lehrer wurde Walter Hävernick, damals Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte.
Peter Berghaus promovierte mit einer methodisch neuartigen Dissertation mit dem Thema „Währungsgrenzen des westfälischen Oberwesergebiets im Spätmittelalter“. Und dann ging alles Schlag auf Schlag. 1949 machte er sein Volontariat im Münzkabinett des Museums für Hamburgische Geschichte. 1950 ging er an das Westfälische Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster. 1977-1984 stand er ihm als Direktor vor. Gleichzeitig betreute er seit 1954 den numismatischen Nachwuchs an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Und wenn man jetzt noch alle Honorarprofessuren und Ehrenmitgliedschaften auflisten würde, dann wäre dieser Nachruf endgültig langweilig geworden, denn Peter Berghaus war wesentlich mehr als eine Anhäufung von Titeln.
Das Bemerkenswerteste war wohl seine Fähigkeit, unabhängig zu denken, immer wieder neue und auch internationale Wege zu gehen. 1949, nur vier Jahre nach Kriegsende, wurde er auf Vermittlung von Willy Schwabacher nach Stockholm eingeladen. Auf ihn geht die internationale Zusammenarbeit bei der Bearbeitung der wikingerzeitlichen Funde im Ostseeraum zurück. 1972 begann Peter Berghaus nach Indien zu fahren, wo er nicht nur die römischen Funde studierte, sondern sich vor allem für die Menschen einsetzte. Zusammen mit seinen Freunden aus dem Rotary Club brachte er mehrere Millionen Mark für Hilfsprojekte in Indien auf, für Pumpen und Latrinen, Kinderheime und Krankenhäuser.
Heutzutage schon fast eine idyllische Vergangenheit ist das Engagement von Peter Berghaus für Sammler. Er war 1951 Spiritus Rector des Vereins der Münzfreunde für Westfalen und Nachbargebiete. Er wirkte 1972-1992 als Vizepräsident der Deutschen Numismatischen Gesellschaft. Und 1979 wurde er zum Vizepräsident der Internationalen Numismatischen Kommission gewählt.
Man könnte noch endlos weitererzählen, denn fast jeder Sammler, jeder Wissenschaftler der ein bestimmtes Alter erreicht hat, weiß eine oder mehrere Geschichten über ein Treffen mit diesem bedeutenden Mann zu erzählen. Wir alle haben so viel von Peter Berghaus empfangen, dass wir nur eines tun können. In seinem Geist Wissen weitergeben, uneigennützig, an Kollegen, Sammler und Studenten, an alle eben, die sich über Münzen und ihre Geschichte(n) freuen können.