von Björn Schöpe
30. März 2017 – Ein filmreifer Einbruch in eines der großen Münzkabinette der Welt hat für weltweite Aufmerksamkeit gesorgt. Opfer wurde das Berliner Münzkabinett auf der Museumsinsel, einem UNESCO-Weltkulturerbe. Die Beute, eine kanadische Maple Leaf, misst rund 53 cm im Durchmesser und wiegt 100 Kilogramm. Sie ist aus purem Gold hergestellt und hat einen Nennwert von 1 Million kanadischer Dollar (ca. 690.000 Euro). Ausgehend vom aktuellen Goldkurs liegt ihr tatsächlicher Wert bei rund 3,7 Millionen Euro.
Der Tathergang
Seit Montag ermittelt das Kommissariat für Kunstdelikte des Landeskriminalamtes Berlin, um den Tathergang zu rekonstruieren und die Täter zu fassen. Allein aufgrund der Maße und des Gewichts der Münze müssen mehrere Täter angenommen werden, wie die Polizei erklärte.
Das Bode-Museum. Foto: © Carschten / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 de
Ein Polizeisprecher äußerte den Medien gegenüber, dass Unbekannte zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr am Morgen des 27. März 2017 in das Bode-Museum eingedrungen seien. Von dem Sockel der Monbijoubrücke stiegen sie über eine ausfahrbare Aluleiter durch ein Fenster in das Museum ein. Dann gingen sie etwa 150 Meter gezielt durch das Museum in die Dauerausstellung und zerstörten dort „mit brachialer Gewalt“ die Panzerglasvitrine, in der die „Big Maple Leaf“ gezeigt wurde.
Unterhalb des Fensters konnten auf der Brücke Aufschlagspuren gesichert werden. „Das lässt für uns eindeutig den Schluss zu, dass die Münze aus größerer Höhe – drei oder vier Meter – aufgeschlagen ist und Schaden genommen hat“, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel. Neben der Aluleiter fanden die Spurensicherer eine Schubkarre und ein Seil ebenfalls bei den S-Bahn-Gleisen in der Nähe des Tatortes und vermuten, dass beides für den Abtransport benutzt wurde. Die Diebe schoben demnach die Münze in der Schubkarre etwa 80 Meter entlang der Gleise über die Spree und ließen sich mit einem Seil hinab in den Monbijoupark, wo ein Fluchtauto wartete.
Haben Sie diese Münze gesehen? Big Maple Leaf. © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett; Foto: Reinhard Saczewski.
Die Beute: Big Maple Leaf
Bei der gestohlenen Münze handelt es sich um eine besondere Prägung der kanadischen Münzstätte Royal Canadian Mint, die 2007 damit zeigte, was sie technisch leisten konnte. Fünf dieser riesigen Exemplare des Maple Leaf wurden hergestellt und damals als größte Goldmünzen der Welt in das Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen. (2011 zog dann die australische Perth Mint nach mit einer Goldmünze im Gewicht von einer Tonne.) Über den Verbleib der anderen vier Münzen ist wenig bekannt. Nach Medienangaben von 2010 befand sich ein Exemplar im Besitz der englischen Königin, zwei in den arabischen Emiraten, ein weiteres wurde damals vom spanischen Edelmetall-Handelshaus Oro Direct erworben. Die fünfte Münze befand sich in Privatbesitz und wurde dem Bode-Museum 2010 als Dauerleihgabe überlassen, so dass sie vermutlich als einzige der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Für das Bode-Museum war dies ein Glücksfall, denn die Big Maple Leaf zog vor allem Jugendliche in das Münzkabinett.
Neue Größenordnung eines Einbruchs in ein Museum
Seit Montag haben alle 19 Museen der Staatlichen Museen zu Berlin ihre Sicherheitsvorkehrungen nochmals verschärft. Wie die Diebe alle Sicherungen überwinden konnten, ist noch nicht geklärt. Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, äußerte in einer offiziellen Stellungnahme: „Wir sind schockiert, dass die Einbrecher unsere Sicherheitssysteme überwunden haben, mit denen wir seit vielen Jahren unsere Objekte erfolgreich schützen.“ Sicher ist, dass die Verbrecher mit enormer krimineller Energie und Brutalität vorgingen. Einen vergleichbaren Vorfall hat es in den letzten Jahrzehnten in der ganzen Museumswelt nicht gegeben. „Ein Diebstahl in einem derartigen Umfang ist auch für die Berliner Polizei eine Herausforderung“, so ein Polizeisprecher.
Die Mitarbeiter des Münzkabinetts zeigten sich erschüttert und fassungslos. Niemand hatte damit gerechnet, dass Einbrecher die gewaltige Goldmünze stehlen könnten.
In der Tat muss Bernhard Weisser, der Direktor des Münzkabinetts, bis ins Jahr 1718 zurückgehen, um einen vergleichbaren Großdiebstahl im Münzkabinett Berlin zu finden. Der damalige Hofkastellan und ein Hofkleinschmied hatten in großem Stil die Sammlung Friedrich Wilhelms I. veruntreut. Doch sie flogen auf und wurden gevierteilt. Auch bei dem jetzigen Fall stellt sich die Frage, inwieweit die Täter über Insiderwissen verfügten. Sicher war der Einbruch gut geplant. „Ein Diebstahl in dieser Größenordnung ist nichts, was man als Passant mal eben im Vorbeigehen macht. Das bedarf schon einer detaillierten Planung“, wird der Polizeisprecher in Medienberichten zitiert.
Die Big Maple Leaf gilt als unverkäuflich. Die Täter dürften versuchen, ihre Beute einzuschmelzen, was technisch ebenfalls nicht einfach ist. Daher fragt die Polizei auch in einem Aufruf, wem größere Goldmengen in ungewöhnlicher Form angeboten werden. Weniger wahrscheinlich ist ein praktischer Einsatz, wie ihn die Betreibergesellschaft des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin, BVG, augenzwinkernd ausschließt. Über Twitter wies sie „aus aktuellem Anlass“ darauf hin, dass die BVG-Automaten keine 100-Kilo-Münzen annehmen. Woraufhin die Polizei ebenfalls über Twitter ergänzte: „100-Kilo-Münzen können Sie aber gern auf jedem unserer Polizeiabschnitte eintauschen.“
Es bleibt zu hoffen, dass die Münze noch gefunden wird und die Täter ermittelt werden. Als Publikumsmagnet bei jungen Besuchern fehlt die Big Maple Leaf dem Münzkabinett schon jetzt.
Ein erstes Interview mit Bernhard Weisser lesen Sie im Tagesspiegel.
Den aktuellen Kenntnisstand fasst dieser Artikel ebenfalls im Tagesspiegel zusammen.