Runde Geschichte: Europa in 99 Münzepisoden

Florian Haymann, Stefan Kötz, Wilhelm Müseler (Hrsg.), Runde Geschichte. Europa in 99 Münz-Episoden. Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am Rhein 2020. 292 S., farbige Abbildungen. Hardcover, 18 x 25,1 cm. ISBN: 978-3-96176-078-7. 29 Euro.
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38 NumismatikerInnen haben sich zusammengetan, um zu zeigen, wie spannend die Numismatik sein kann, wenn sie auf hohem Niveau betrieben wird. Diese 38 Numismatiker erzählen 99 Geschichten von der Erfindung der Münze bis hin zur Einführung des Euro. Sie thematisieren dabei Europa, und das ist wichtig. Mit all den neuen Grenzen, die wir in den letzten Wochen erleben, tut es gut zu wissen, dass Europa zusammengehört und eine Gedankenwelt teilt. Es wurzelt im antiken Griechenland und hat viel vom römischen Weltreich übernommen. Ob Karolinger oder Habsburger, große Herrscherhäuser haben Nationen nicht nur unterdrückt, sondern auch zusammengeführt. Uns verbindet viel mehr als uns trennt, auch wenn das manch nationalistisch angehauchter Politiker gerne vergessen möchte.

Antike / Mittelalter / Neuzeit / Moderne

99 Geschichten aus den großen vier Epochen, normalerweise würde man erwarten, dass dabei, wie in der wissenschaftlichen Numismatik üblich, der Schwerpunkt auf der Antike liegt. Nun, 36 Geschichten beschäftigen sich mit der Periode von der Erfindung des Geldes bis hin zur Trennung zwischen Ost- und Westrom, also mit rund 11 Jahrhunderten. Dem Mittelalter mit seinen rund 1000 Jahren von den Wirren der Völkerwanderungszeit bis hin zur Frührenaissance sind 28 Beiträge gewidmet. Die frühe Neuzeit (500 Jahre) bis zur französischen Revolution spiegeln 21, die Moderne (200 Jahre) 14 Themen. Und damit ist den Autoren das seltene Kunststück gelungen, die verschiedenen Epochen wirklich gleichberechtigt zu behandeln.

Spannende Einblicke, die modernen Lesegewohnheiten gerecht werden

Haben Sie auch schon diese kleine Notiz über Artikeln im Internet gesehen? Lesezeit 4 Minuten? Anscheinend werden heutzutage manche Artikelkonsumenten von der Aussicht ermutigt, dass sie nicht allzu lange mit dem Lesen eines einzelnen Beitrags beschäftigt sind.

„Runde Geschichte“ trägt dieser Entwicklung Rechnung. Mit einer Länge von durchschnittlich zweieinhalb Seiten sind die Texte kleine, mundgerechte Bissen an Geschichte, die überraschend in die Tiefe gehen, ohne die netten Anekdötchen zu vernachlässigen, die so viel Spaß machen. Schmissige Titel (mein Favorit: Von Stieren und Nachttöpfen), interessante Themen: Schon das Inhaltsverzeichnis macht Lust zum Lesen.

38 Autoren heißt natürlich 38 unterschiedliche Arten zu schreiben. Es gibt Texte, die dem einen oder anderen besser gefallen mögen, aber das ist auch der Sinn der Übung. Jeder Autor hat einen anderen Schwerpunkt, ein anderes Interesse, aber alle eint das Streben danach, Artikel für ein breites Publikum, ohne Fußnoten und Fachchinesisch zu liefern.

Wer sich danach tatsächlich in die Tiefen der Literatur einarbeiten möchte, für den gibt es zu jedem Thema eine kleine Liste, die weiterhilft.

Europa und der Rest der Welt

Übrigens interpretieren die Autoren ihren Titel nicht so eng, wie die Wortwahl andeutet. Es gibt Beiträge, in denen gerade die Einflüsse von „Randvölkern“ auf Europa thematisiert werden. Die Phönizier und die Perser spielen im Kapitel „Antike“ genau so eine Rolle wie das byzantinische Reich und der Wirtschaftsaustausch mit der asiatischen und islamischen Welt im Kapitel „Mittelalter“. Natürlich kann man die frühe Neuzeit nicht verstehen, wenn man nicht einen Blick auf die europäischen Kolonien wirft. Und das moderne Wirtschaftssystem ohne die Vereinigten Staaten zu erklären, wäre mühsam geworden. Also gibt es genau zu diesen Themen Beiträge.

Aber der Kern, der Mittelpunkt, ist immer wieder Europa, vielleicht mit einem leichten Westdrall, wenn man nun wirklich irgendwas bemängeln wollte…

Tolle Bilder von tollen Münzen

Was besonders erfreut, ist die Tatsache, dass die Autoren ohne Ausnahme hervorragend erhaltene Stücke ausgesucht haben. Und zwar nicht unbedingt aus der eigenen Sammlung. Es gibt durchaus Münzen, die in Privatbesitz sind und aus Auktionen stammen.

Numismatik heute: Publikumsorientiert, ohne Berührungsängste

Dass es dieses Buch überhaupt gibt, erzählt viel über die wissenschaftliche Welt der Numismatik. Es zeigt, wie gut vernetzt sie ist, dass sich vor allem die Museumskuratoren sehr bewusst sind, dass sie die Numismatik für ein junges Publikum entstauben und interessant aufbereiten müssen. „Runde Geschichte“ beschreibt eine Numismatik ohne Berührungsängste und NumismatikerInnen, die in der Lage sind, im Interesse der Sammler gemeinsam zu agieren.

Und das ist für mich die eigentlich großartige Botschaft dieses Buchs. Wollen wir allen 38 Autoren und Autorinnen wünschen, dass viele das Buch in die Hand bekommen, und dass es einige dazu anregt, sich mit der Numismatik zu beschäftigen.

Das Autorenteam, Florian Haymann, Stefan Kötz und Wilhelm Müseler haben uns einen Text für die MünzenWoche zur Verfügung gestellt, damit Sie sich selbst eine Meinung bilden können – und hinterher hoffentlich in Massen das Buch kaufen!

Hier kommen Sie zum Artikel.

Und hier können Sie das Buch für bescheidene 29 Euro erwerben. Bitte kaufen Sie direkt beim Verlag. In Zeiten wie diesen gilt es die kleinen Verlage zu unterstützen, nicht die Riesen im Internet.