von numiscontrol
17. Juli 2014 – Traurig und mit den schwersten Wunden der Zeit gezeichnet, steht schon seit vielen Jahren die ehemalige Königlich-Sächsische Münzstätte in Muldenhütten einsam und verlassen da.
Münzstätte Muldenhütten mit den 1891 dort Beschäftigten. Quelle: Wikicommons.
Im Jahre 1886 hat man das alte Hauptgebäude direkt an der Freiberger Mulde, als neue sächsische Münzstätte erbaut. Noch bis 1953 wurden hier die Münzen mit dem „E“ geprägt. Als damals der Prägebetrieb eingestellt wurde, hatte man das Gebäude für die verschiedensten Zwecke weitergenutzt. So überlebte das ehrwürdige Haus das deutsche Kaiserreich, zwei Weltkriege und die DDR.
Viele interessante geschichtliche Begebenheiten könnten uns die alten Mauern sicherlich erzählen, denn sie empfingen mehrfach die ehemaligen sächsischen Könige zu Besuch. An dieser Stelle hat man nicht nur Aluminium, Nickel, Kupfer und Eisen, sondern auch Silber und Gold zu Münzen geprägt. In der Zeit von 1887 bis 1953 verließen insgesamt 16 unterschiedliche Nominale deutscher Münzen die Prägestätte.
Aber auch das Ausland, wie zum Beispiel Island (1930), ließ sich in Muldenhütten Umlaufmünzen herstellen. Nicht zu vergessen sind natürlich die vielen, in Kenner- und Sammlerkreisen hochgeschätzten Medaillenprägungen, welche für die unterschiedlichsten Anlässe in Muldenhütten produziert wurden. Hier gaben wahre Meister wie Friedrich Wilhelm Hörnlein den zu prägenden Münzen und Medaillen ihr ausdruckstarkes Antlitz.
Das Gebäude der Prägestätte im heutigen Zustand. Foto: Angela Graff.
Heute präsentiert sich die ehemalige Königlich-Sächsische Prägestätte, obwohl das Gebäude zu den Kulturdenkmälern im Freistaat Sachsen gehört, in einem fast ruinösen Zustand. Angela und Reiner Graff / numiscontrol besuchten mit ihrer Kamera im Mai 2014 die einstige Münzstätte Muldenhütten und mussten feststellen, hier ist mehr als „Gefahr im Verzug“. Sachsen – Deine ehemalige Prägestätte weint!
Es ist sicherlich bekannt, dass die Urgewalten der Natur, besonders im Erzgebirge, noch immer unberechenbar sein können, und so hat gerade in den vergangenen Jahren das Hochwasser der Mulde schon öfters dem alten Gebäude böse mitgespielt. Das Wasser stand nicht selten tagelang über einen Meter hoch im Gebäude und fügte auch dem umliegenden Gelände schwere Schäden zu. Uns beschäftigte die Frage, wie schaut es dort heute aus, wem gehört das Haus und was ist mit der alten Sächsischen Münze geplant?
Etwas zur Geschichte
Ursprünglich war die Prägestätte für sächsische Münzen bis 1887 in Dresden, nahe dem inzwischen prachtvoll wiederaufgebauten Schloss angesiedelt. Noch heute erinnert die Münzgasse in der Altstadt an den einstigen Standort. Allerdings wurde es hier mit der Zeit immer enger, und man entschloss sich für einen Neubau in Muldenhütten bei Freiberg. Das Ende der Münzprägung in Dresden und den Neubeginn in Muldenhütten belegen zwei besondere Pfennigstücke, auf die wir später noch einmal zu sprechen kommen.
Nicht nur Münzen, sondern auch wundervolle Medaillen kamen von nun ab aus der „Muldner Hütte“. Alle Münzen aus Muldenhütten tragen das Münzzeichen „E“, bis auf eine Ausnahme. Es handelt sich dabei um die 10-Pfennigstücke aus Zink (Jaeger Nr. 299), welche man in allen Münzstätten ohne ein Münzzeichen, in den Jahren von 1917 bis 1922 geprägt hat. Eine einzelne Zuordnung ist daher nicht möglich. Durch die Münzgesetzgebung des Deutschen Reiches erhielt bereits 1871 die Prägestätte Dresden das Münzzeichen „E“ zugewiesen. Nach dem Umzug behielt Muldenhütten das Münzzeichen „E“.
Der vom Bundesrat 1888 beschlossene Verteilungsmaßstab für die Prägung von Münzen, sah für Muldenhütten einen Anteil von 7,45 % vor. Später, im Jahre 1941 waren es 6,35 %, die aber 1943 wegen der Zerstörung der Münze in Hamburg erhöht werden mussten, um den dortigen Prägeausfall auszugleichen. Im März 1944 hatte man dann der Münzstätte Muldenhütten einen Prägeanteil von 7 % zugewiesen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte man unter der Alliierten Militärregierung bis 1948 die 5- und 10-Reichspfennigstücke ohne Hakenkreuz. Mit Gründung der DDR, hat man hier noch bis 1953 Pfennigmünzen der DDR aus Aluminium hergestellt. Dann war es vorbei mit der Münzprägung. Die Staatliche Münze der DDR in Berlin übernahm ab sofort die gesamten Prägungen von Umlaufmünzen und Medaillen.
Das Ministerium der Finanzen in der DDR, drängte damals auf eine schnelle Auflösung der Prägestätte, allerdings konnte das erst mit einer speziellen „Anweisung“ vom 1. Januar 1962 endgültig vollzogen werden. Der ehemalige sächsische Münzbetrieb war nun aufgelöst und sämtliche Mitarbeiter und Einrichtungen gingen an den VEB Bergbau- und Hüttenkombinat „Albert Funk“ Freiberg.
Ein erschreckendes Heute
Wer heute am ehemaligen Gebäude der einstigen sächsischen Münzstätte vorbeikommt, wird ein längst baufälliges Haus auf dem Gelände einer Firma vorfinden. Nichts erinnert mehr an die alte Ehrwürdigkeit und den Glanz einer Münzfabrik. Auf den Dächern sind kaum noch Ziegel zu finden, überall bröckelt der Putz von der historischen Fassade und gibt den Blick auf die feucht gewordenen Ziegelmauern frei. Halb zerfallene Fenster blicken oft ohne Glas traurig in die Umgebung. Es scheint so, als hätte Sachsen seine geschichtsträchtige Prägestätte vergessen.
Der Zahn der Zeit hat in den vergangenen Jahren ganze Arbeit geleistet und dabei kam ihm das Wasser der vorbeifließenden Mulde noch zur Hilfe. Einsam und still, fast gespenstisch ist es hier geworden, nur ein leises Stampfen aus den unweit gelegenen Produktionsräumen des jetzigen Besitzers des Geländes nebst Münzgebäude ist zu hören.
Dreht sich der Wind, hört man dann das friedliche Plätschern aus dem Flussbett der Mulde, die hier unmittelbar angrenzend entlang fließt. Nach den schweren Unwettern mit anhaltend starken Regenfällen im Sommer 2002 trat nicht nur die Elbe, sondern auch die Mulde über die Ufer und richtete großen Schaden an.
Auch im Gebäude der einstigen Münze stand das Wasser für Tage über einen Meter hoch. Dazu kam noch das marode Dach, welches dem Regen freien Zutritt erlaubte, so dass das Regenwasser bis in die erste Etage vordringen konnte. Wohlbemerkt, das alles war vor 12 Jahren! Inzwischen hat der Besitzer das Dach und die Dachrinne der Münze erneuert, um einem weiteren Verfall vorzubeugen. Allerdings hält sich die Feuchtigkeit im gesamten Haus. Letztes Jahr im Juni drohte erneut das Hochwasser in das Gebäude einzudringen. In letzter Minute konnte allerdings Entwarnung gegeben werden, und man kam mit einem blauen Auge davon. Aber wie lange noch? Ein weiteres Hochwasser wie 2002 überlebt das Gebäude im jetzigen Zustand wohl nicht mehr!
Der Schrecken nimmt kein Ende
Bei der Besichtigung im Gebäude offenbarte sich die ganze, von uns schon vermutete Wahrheit. Nein, hier war keine Kulisse für einen Katastrophenfilm à la Hollywood aufgebaut, hier war alles echt. Ein modriger Geruch wehte uns entgegen, der Keller sowie einige Räume vom Dachgeschoss waren nicht mehr ohne Gefahr zu betreten.
Der ehemalige Eingang zur Münze Innenansicht. Foto: Angela Graff.
Im Erdgeschoss war es immer noch feucht und die einstige Eingangstür von innen verrammelt. In einigen Räumen waren noch die Eisenfliesen mit Lochbandbohrungen zu finden. Diese sollten aus einer Zeit stammen, als man hier noch Münzen prägte.
So hoch stand das Wasser in den Räumen. Foto: Angela Graff.
An den Wänden aller unteren Räume findet man in exakt gleicher Höhe einen dickeren schmutzigen Strich. Hier hat das stehende Hochwasser 2002 unverkennbar sein Wasserzeichen hinterlassen, man kann also innen genau sehen, wie hoch das Gebäude unter Wasser stand.
Der ehemalige Zugang zum Zählraum. Foto: Angela Graff.
Hier im Erdgeschoss befand sich damals die Zählstube, daneben war gleich der Prägesaal. Spuren deuten darauf hin, dass der Boden der Zählstube sowie der Vorraum aus Hartbrandziegeln gemauert waren. Reste davon sind noch vorhanden. Die versiegelbare Gittertür dagegen, soll noch aus DDR-Zeiten stammen, eventuell hatte man die Räume der Zählstube auch anderweitig benutzt.
Sandsteintreppen führen in die oberen Räume. Foto: Angela Graff.
Auf dem Weg in die obere Etage begegnen wir einem „aufblühenden“ Treppenhaus. Etwas ausgetretene Sandsteinstufen führen uns nach oben, überall Spuren der Feuchtigkeit. Der Blick nach oben zeigt uns, wie das Wasser vom undichten Dach in das Treppenwerk eindrang und eine bizarre Landschaft entstehen ließ.
In der ersten Etage ist die Feuchtigkeit unverkennbar präsent. Foto: Angela Graff.
Alles setzt sich in den Räumen weiter fort, überall scheint anhaltende Feuchtigkeit, die einst aufgetragenen Farben förmlich von den Wänden zu sprengen. In einigen Zimmern wiederum ein kleiner Lichtblick.
Solche Holzdielen sind selten und historisch. Foto: Angela Graff.
Die meisten Fenster sind noch im Original mit den schönen Drehschließgriffen erhalten geblieben und der Fußboden ist mit extrabreiten Dielenbrettern versehen. Solche Dielen sind heute im Original sehr selten anzutreffen.
Geländer im Dachgeschoss. Foto: Angela Graff.
Auf dem Weg zum Dachgeschoss kommen wir an einem alten Eisengeländer vorbei, das sich gerade auf märchenhafte Art seiner Farbe entledigt. Ein Blick zur Decke zeigt das stellenweise herabhängende Rohrgeflecht. Interessant sind die kleinen Einblicke in das historische Dachgestühl aus Holzbalken. Erstaunlicherweise sind diese, trotz eindringender Nässe, noch ganz gut erhalten. Aber auch hier ist es schon lange fünf vor zwölf und eine eventuelle Nutzung, egal welche, ist momentan unmöglich. Es ist scheinbar nur noch eine Frage der Zeit und das Haus bricht in sich zusammen!
Die Fakten
Die ehemalige sächsische Prägestätte wurde verkauft und befindet sich nebst umliegendem Gelände im Privatbesitz. Ob mit dem Verkauf bestimmte Auflagen an den Käufer gebunden wurden, ist bisher nicht bekannt geworden. Der Freistaat Sachsen führt das Gebäude ausdrücklich als „Kulturdenkmal“ mit baugeschichtlicher Bedeutung im Denkmalverzeichnis (OBJ-Dok-N. 08991553). Unverständlich ist, dass das Gebäude nur von ortshistorischer, ortsgeschichtlicher, baugeschichtlicher und bergbaugeschichtlicher Bedeutung sein soll. Von einer staatlichen geschichtlichen Bedeutung für den Freistaat Sachsen selbst ist dagegen nicht die Rede. Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, sollte daher dringend seine verfasste Charakteristik zum Objekt überdenken und endlich nach dem gültigen Sächsischen Denkmalsschutzgesetz handeln, denn hier ist mehr als Gefahr im Verzug. Es wird schwer sein, die benötigten finanziellen Mittel für eine dringend notwendige Sicherung des Gebäudes zu beschaffen, um anschließend eine weitere Nutzung zu planen.
Ein kleiner Raum unter dem Dach. Foto: Angela Graff.
Der Erhalt solcher Gebäude sollte nach unserer Meinung jedem Numismatiker am Herzen liegen. Gerade in Sachsen gibt es viele aktive Münzgesellschaften und Vereine, deren Arbeit dem Wohle der Numismatik zukommt. Zahlreiche Sammler freuen sich besonders, wenn sie auf Auktionen oder auf dem Sammlermarkt eine Münze aus Muldenhütten antreffen. Es ist eine Tatsache, dass einst aus der Prägestätte Muldenhütten numismatische Geschichte in die Welt hinausgetragen wurde. Einige Raritäten sollen daher kurz benannt werden.
Sächsische Münzraritäten aus Muldenhütten
Man beendete die Münzherstellung in Dresden mit dem 1-Pfennigstück von 1887, welches zusätzlich noch einen dicken Punkt hinter dem Wort „Pfennig“ trug. Ganze 25 Stück hat man damals davon geprägt. In Muldenhütten eröffnete ein 20-Pfennigstück von 1887 mit einem zusätzlichen Stern unter der Wertzahl die Prägungen. Beide Stücke gelten als äußerst selten und reihen sich nebst dem 1-Pfennigstück von 1905, mit einem Kreuz unter der Wertzahl, in die numismatisch sächsischen Raritäten ein. Einen besonderen Pfennig von 1905 hatte man während eines Besuches vom Sächsischen König Friedrich August III. hergestellt.
Unangefochtener Spitzenreiter und das wohl bekannteste Stück deutscher Münzgeschichte aus Muldenhütten, sollte sicherlich die Silbermünze zu 3 Mark „Friedrich der Weise“ aus dem Jahre 1917 sein. Nur 100 Exemplare hatte man davon geprägt.
Der Zustand der einzelnen Räume ist erschreckend. Foto: Angela Graff.
Liebe Münzfreunde, die gezeigten Fotos sprechen eine klare Sprache. Hier muss dringend gehandelt werden. Der Zustand der ehemaligen Sächsischen Münze in Muldenhütten verlangt ein schnelles Handeln. Trocknet die Tränen von Muldenhütten!
Unser besonderer Dank gilt der Geschäftsleitung der SCHIWA PROFILE Schill & Walther GmbH, welche uns kurzfristig einen Besuch der ehemaligen Münze ermöglichte.