29. März 2012 – Kunstliebhaber erwartet ab dem 26. Februar 2012 in den Reiss-Engelhorn-Museen ein ganz besonderer Genuss: Die Kunst- und Wunderkammer der Habsburger ist zu Gast in Mannheim. Die Ausstellung „Sammeln! Die Kunstkammer des Kaisers in Wien“ ist die erste Präsentation in der neu eingerichteten Dependance des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) in den Reiss-Engelhorn-Museen.
Die Ausstellung ist bis zum 2. September 2012 im Museum Zeughaus C5 zu sehen. Im Prestel Verlag erscheint ein umfassender Katalog. Passend zur Schau gibt es für Kinder und Erwachsene ein Begleitprogramm mit Workshops und Vorträgen.
Elefant mit drei Sirenen, Filippo Albacini (1777-1858). Rom, vor 1805. Bronze, vergoldet und bemalt, Marmorsorten, Muscheln. Geschenk König Ferdinands III. von Sizilien an Kaiser Franz I. von Österreich, KK 2427 (Katalog S. 230). Der Elefant gehört zu einem prachtvollen Tafelaufsatz, der in Rom in der Werkstatt von Carlo Albacini (1735-1813?) ausgeführt wurde. Angefertigt wurde das Ensemble für Maria Karolina von Österreich, eine Tochter Maria Theresias. © Kunsthistorisches Museum, Wien.
Rund 140 einzigartige Meisterwerke führen die Vielfalt fürstlichen Sammelns vor Augen. Gefäße aus Gold, Bergkristall und Halbedelsteinen, filigrane Uhren und astronomische Messgeräte, Statuetten aus Bronze und Elfenbein, Objekte aus Kokosnüssen, Straußeneiern und Muscheln sowie Tapisserien dokumentieren die Leidenschaft, mit der die Habsburger über die Jahrhunderte raffinierte Kostbarkeiten zusammengetragen haben. Der Facettenreichtum ihrer Kunstkammer spiegelt das Bestreben der Fürsten wider, in der Sammlung das „Universum“ im Kleinen festzuhalten. Zugleich repräsentierte die Wunderkammer aber auch die Summe des damaligen Wissens über die Welt.
Seit zehn Jahren ist die Kunstkammer in Wien wegen Renovierung geschlossen. Nur einzelne Stücke sind in dieser Zeit ausgestellt gewesen. In der in Mannheim präsentierten Fülle waren die Schätze der Habsburger außerhalb Wiens noch nie zu bewundern. Da die Kunstkammer im Dezember 2012 wiedereröffnet wird, werden die Stücke auch so schnell nicht wieder auf Reisen gehen.
Die Ausstellung „Sammeln! Die Kunstkammer des Kaisers in Wien“ ist das erste Projekt der gemeinsamen Kooperation zwischen dem Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) und den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (rem). Ab 2012 sind regelmäßig Schätze aus der österreichischen Hauptstadt in Mannheim zu sehen. Im jährlichen Wechsel zeigen die Partner in Mannheim Präsentationen verschiedener Sammlungsbereiche des KHM. Auf diese Weise sollen die hochkarätigen Bestände einer größeren Öffentlichkeit zugänglich werden.
Die Kooperation ist auf mindestens fünf Jahre angelegt. Auch die kommenden Ausstellungen sind bereits in Planung. Im Jahr 2013 können sich die Besucher auf die Spitzenexponate der Völkerkundlichen Sammlungen des KHM freuen und 2014 folgen Glanzpunkte aus der Zeit des Barock. Zu jeder Präsentation erscheint ein umfangreicher Katalog.
Neben der Ausstellungstätigkeit wollen die Partner auch auf dem Gebiet der Erforschung des Kulturellen Erbes eng zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck werden die Forschungseinrichtungen des KHM und der Curt-Engelhorn-Stiftung miteinander kooperieren.
Die Geschichte der Kunstkammer
Die Geschichte der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien spannt einen Bogen von den Anfängen der Bestände als Anhäufung von Schätzen im Mittelalter, über eine fortschreitende Systematisierung in der Renaissance bis zur Überführung der Sammlungen in ein öffentliches Museum im 19. Jahrhundert. Die Wiener Kunstkammer verdankt ihre heutige Qualität der beispiellosen dynastischen Kontinuität und der Sammelleidenschaft der Habsburger, die über Jahrhunderte Kostbarkeiten aus aller Welt zusammentrugen. Die Gründe für diese Leidenschaft waren vielfältig: neben der persönlichen Freude an qualitätvollen und schönen Kunstwerken spielten für die Habsburger auch politische Motive eine Rolle. Hochwertige Kunstsammlungen waren ein Symbol der Macht und ein Mittel der dynastischen Repräsentation – ihr Glanz und Prestige fielen auf den Sammler zurück.
Rudolf IV. von Österreich, anonymes Porträt. Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum, Wien. Quelle: Wikipedia.
Die Ursprünge der heutigen Kunstkammer reichen bis in die mittelalterliche Zeit zurück, als Herzog Rudolf IV. (1339-1365) die Gründung eines habsburgischen Hausschatzes anregte.
Zusammengetragen wurden neben Gold, Münzen und Schmuckstücken auch Urkunden oder Reliquien. Der Einfluss des modernen Sammelwesens – ausgehend vom Frankreich des 14. und 15. Jahrhunderts – machte europaweit das Konzept des Sammelns als fürstlichen Akt zur Selbstüberhöhung populär.
Auch Kaiser Friedrich III. (1415-1493) folgte diesem Prinzip und gilt daher als der erste „moderne“ Sammler der Habsburger. Er legte großen Wert auf die künstlerische Qualität der von ihm zusammengetragenen Objekte und förderte besonders die Goldschmiedekunst. Während Kaiser Maximilian I. (1459-1519) seine Sammlungen noch im Verborgenen aufbewahrte, widmete Kaiser Ferdinand I. (1503-1564) ihnen eigene Räumlichkeiten und legte so den Grundstein der heutigen Kunstkammer. Sein Sohn, Erzherzog Ferdinand von Tirol, und sein Enkel Rudolf II. trugen entscheidend dazu bei, die Sammlungen zu inventarisieren und allmählich ein Ordnungssystem für die wachsenden Bestände zu entwickeln.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts wandelten sich die fürstlichen Schatzkammern zu enzyklopädischen Kunstkammern, in denen Elfenbeinschnitzereien, Uhren und Automaten sowie Gemälde und Skulpturen aufbewahrt wurden. Die herausragende Sammlung Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1529-1595), in der auf Schloss Ambras bei Innsbruck auch Naturalien neben Kunstwerken ausgestellt wurden, zog gebildete Reisende aus ganz Europa an. Gezeigt wurden die Objekte nach Material geordnet in eigens präparierten Kästen.
Diese auf den Besucher ausgerichtete Präsentationsform unterschied sich radikal von den ungeordneten Schatzkammern und gilt daher als ein Vorläufer einer modernen Museumspräsentation.
Vielflächige Äquatorialsonnenuhr, Wolfgang Mayr. München, 1604. Messing vergoldet und versilbert, KK 699 (Katalog S. 134). Bei Äquatorialsonnenuhren befindet sich die Projektionsebene für den Schatten parallel zum Äquator, das heißt senkrecht zum Schattenstab. Die verschiedenen Flächen der Sonnenuhr weisen insgesamt drei zylindrische und zwei ebene Ziffernblätter auf, die jeweils einen eigenen Schattenstab haben. Auf den zylindrischen Zifferblättern sind verschiedene Stundenlinien erkennbar. © Kunsthistorisches Museum, Wien.
Kaiser Rudolf II. (1552-1612) setzte nach der Verlegung der Residenz von Wien nach Prag neue Maßstäbe und gilt mit als bedeutendster Sammler und Mäzen der Habsburger. Er förderte herausragende Künstler, Steinschneider, Uhrmacher und Maler, deren Werke von außerordentlicher künstlerischer und handwerklicher Qualität waren. Sein Ziel war der Aufbau einer gemeinsamen Kunst- und Schatzkammer des Hauses Österreich. Nach seinem Tod wurden die kostbarsten Stücke seiner Sammlung zurück nach Wien gebracht.
Eine weitere entscheidende Erweiterung fanden die Habsburger Sammlungen im 17. Jahrhundert, als Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662) seine Bestände aus Brüssel nach Wien überführte. Da er ursprünglich für eine kirchliche Laufbahn bestimmt war, gingen neben Uhren, Silberarbeiten und Bergkristallobjekten auch zahlreiche Reliquien und Kirchenornate in die Habsburger Sammlungen ein. Seine Gemäldesammlung bildet heute den Grundstock der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums. Im 18. Jahrhundert wurden die Kunstsammlungen vermehrt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ansicht des Schlosses Belvedere. Stich um 1753. Quelle: Wikipedia.
1776 wurden große Teile im Schloss Belvedere ausgestellt, dessen Fläche jedoch auf Dauer für die gigantischen Sammlungen nicht ausreichte. 1891 öffnete das Kunsthistorische Museum in Wien seine Pforten. Die gesammelten Schätze der kaiserlichen Kunstkammer der Habsburger sind seither dort beheimatet.
Ausstellungsrundgang
Die Ausstellung „Sammeln! Die Kunstkammer des Kaisers in Wien“ präsentiert die Highlights des Kunsthistorischen Museums Wien erstmals in der neu eingerichteten Dependance in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Der Besucher lernt bei einer Reise durch fünf Jahrhunderte die Sammelleidenschaft der Habsburger anhand spektakulärer Objekte kennen – von kostbaren Elfenbeinschnitzereien bis zu wertvollen Skulpturen.
In vier Themenbereichen erzählt die Schau anhand außergewöhnlicher Exponate die Vorgeschichte der Sammlungen, die heute das Herzstück des Kunsthistorischen Museums in Wien bilden. Im Fokus stehen einzelne Habsburger Sammler. Gezeigt wird, wie sich die Art des Sammelns über die Jahrhunderte verändert: aus fürstlichen Schatzkammern werden enzyklopädische Kunstkammern und schließlich Sammlungsbestände moderner Museen.
Themen des Sammelns – Die Habsburger und ihre Schätze
Zu Beginn der Ausstellung werden die herausragenden Sammler der Habsburger, ihre Vorlieben und die Kernbereiche ihrer Sammlungen exemplarisch vorgestellt. Der Besucher erfährt Wissenswertes über die Persönlichkeiten, die die Kostbarkeiten der heutigen Kunstkammer zusammentrugen. Den Grundstock legte Herzog Rudolf IV. von Österreich (1339-1365), der im 14. Jahrhundert die Gründung eines habsburgischen Hausschatzes anregte. Im 15. Jahrhundert bauten Kaiser Friedrich III. (1415-1493) und sein Sohn Maximilian I. (1459-1519) nicht nur ihre territoriale und politische Macht aus, sondern erweiterten auch den Habsburger Kunstbesitz. Kaiser Ferdinand I. (1503-1564) widmete seinen Schätzen erstmals eigene Räumlichkeiten.
Spielbrett für den sog. „Langen Puff“ (Außenseite), Hans Kels d. Ältere (1480/85-1559). Augsburg, 1537. Eiche, Nuss, Palisander, Mahagoni, Rosenholz, KK 3419 (Katalog S. 71). Ein vermutlich aus dem Besitz König Ferdinands I. stammendes Spielbrett für den „Langen Puff“, vergleichbar mit dem heutigen Backgammon. Die Reliefs an den Außenseiten dienten als Demonstration von Macht und Herrschaft, aber auch als Zeichen der Zusammengehörigkeit der Mitglieder des Hauses Österreich. An der Rahmenleiste sind die Wappen all jener Territorien aufgereiht, über die die Habsburger bis ins 16. Jahrhundert herrschten. © Kunsthistorisches Museum, Wien.
Aus seinem Besitz wird unter anderem ein aus Nuss sowie Eichen- und Rosenholz gearbeitetes Spielbrett für den sogenannten „Langen Puff“ – heute als Backgammon bekannt – gezeigt. Sein Sohn Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529-1595) ließ auf Schloss Ambras bei Innsbruck einen eigenen Gebäudetrakt für seine Sammlungen errichten. Ein besonders herausragender Sammler war Kaiser Rudolf II. (1552-1612), der namhafte Künstler und Wissenschaftler in seinen Dienst nahm und mit der Errichtung der Prager Kunstkammer entscheidend zur nachhaltigen Qualität der Habsburger Sammlungen beitrug. Im 17. Jahrhundert ergänzte Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662) die Bestände mit Reliquien, Kirchenornaten und Uhren. Dank seines Ankaufs von insgesamt 1400 Gemälden gilt er zudem als Mitbegründer der Wiener Gemäldegalerie.
Aus seinem Inventar ist unter anderem die Gregorplatte ausgestellt, eine aufwendig gearbeitete Elfenbeintafel aus dem 10. Jahrhundert, auf der Papst Gregor der Große am Schreibpult zu sehen ist.
Das Prinzip der Kunst- und Wunderkammern
Mit der Renaissance hielt die Systematisierung Einzug in die Habsburger Sammlungen: aus den Kuriositätenkabinetten wurden zunehmend wissenschaftliche Spezialsammlungen, die nach Material, Herkunft oder Objektgattungen geordnet waren. Im zweiten Teil der Ausstellung erfährt der Besucher, welches Prinzip den Schatz- und Kunstkammern zu Grunde lag und wie sich die Sammeltätigkeit über die Jahrhunderte veränderte.
(Jupiter) Zeus Aigiochus. Italien, Anfang 16. Jahrhundert (?). Chrysopras, Jaspis, Silber vergoldet, KK 10035 (Katalog S. 77). Auf dem repräsentativen Schaustück ist der Gott Jupiter dargestellt, der Schutzgott des Römischen Reiches. © Kunsthistorisches Museum, Wien.
Ursprünglich waren die Kunst- und Wunderkammern vor allem zu Repräsentationszwecken angelegt worden. Im übertragenen Sinne herrschte der Fürst von Gottes Gnaden über die Welt, die er sich symbolisch im „Mikrokosmos“ seiner Kunstkammer angeeignet hatte, während Gott über den „Makrokosmos“ bestimmte. Exotika, wie etwa mit Gold eingefasste Straußenei-, Kokosnuss- oder Seychellennusspokale illustrieren in diesem Teil der Schau das fürstliche Bestreben sich ferne Welten mit Hilfe der Gegenstände sinnbildlich zu Eigen zu machen. Der praktische Nutzen der gesammelten Objekte spielte dabei eine untergeordnete Rolle.
Vielmehr sollten die Sammlungen den Kunstverstand und die Bildung ihrer Besitzer widerspiegeln. Sie demonstrierten die dynastische Kontinuität und die guten internationalen Handelsbeziehungen der Sammler. Gravierte Nautilusschnecken aus dem Pazifik, Pulverflaschen aus griechischen Schildkrötenpanzern oder kostbare Tassen aus Indien zeugen von den weitreichenden Beziehungen der Ausstellungsrundgang Habsburger. Zugleich war in den Wunderkammern aber auch die Summe des damaligen Wissens über die Welt versammelt. Zu sehen ist neben einer feingliedrigen Tischuhr und einem perspektivischen Zeichengerät auch eine vielflächige Äquatorialsonnenuhr, die beispielhaft für das wachsende wissenschaftliche Interesse in der Renaissance steht, welches sich auch auf die Sammlungen auswirkte.
Kaiser Rudolf II. und die Prager Kunstkammer
Im dritten Ausstellungsteil begrüsst den Besucher die Porträtbüste eines besonders herausragenden Sammlers: Kaiser Rudolf II. (1552-1612) setzte mit seiner Prager Kunstkammer-Sammlung neue Maßstäbe. Nach der Verlegung der Habsburger Residenz von Wien nach Prag 1538 trug er durch ein gezieltes Mäzenatentum entscheidend zur herausragenden Qualität der neuen Sammlung bei, indem er namhafte Künstler, Architekten, Philosophen, Humanisten und Wissenschaftler in seinen Dienst nahm. Er förderte die Produktion zeitgenössischer Steinschnitt- und Goldschmiedearbeiten und ließ unter anderem für die astronomische Forschung wissenschaftliche Instrumente anfertigen. Sein von ihm beauftragtes bronzenes Ebenbild wurde 1603 von Adrian de Vries in Anlehnung an eine Büste Karls V. geschaffen. Es stellt Rudolf II. mit Hilfe reichhaltiger Symbolik gleichermaßen als siegreichen Feldherrn wie als Friedensfürst dar und damit als den Inbegriff des vollkommenen Herrschers.
Rund um die Büste kann der Besucher die exquisitesten Stücke der Prager Sammlung bewundern. Dazu zählen sogenannte florentinische Mosaike aus Achat- und Jaspissteinen, bei denen dünn geschnittene Edelsteine kunstvoll zu Landschaftsdarstellungen kombiniert werden.
Kameo: Danaë, Werkstatt des Alessandro Masnago. Mailand, um 1600. Onyx weiß auf Grau; Fassung: Silber vergoldet, ANSA XII 144 (Katalog S. 178). Der Kameo ist dem Mythos der Danaë gewidmet, der sich Jupiter in Gestalt eines Goldregens näherte, um sich mit ihr zu vereinigen. Sie liegt auf einem reich ornamentierten Ruhebett mit einer Sphinx am Kopfende, über ihrem Kopf zieht der Liebesgott Amor einen Vorhang zur Seite, während am Fußende des Bettes eine Dienerin versucht, in ihrer Schürze das herabfallende Gold aufzufangen. © Kunsthistorisches Museum, Wien.
Auch Kameen aus Onyx, grazile Figuren aus Elfenbein und Schalen aus Jaspis und Bergkristall sind in diesem Teil zu sehen. Zwei besonders glanzvolle Stücke zeugen von der künstlerischen und handwerklichen Präzisionsarbeit, die in den Objekten der Prager Kunstkammer steckt. Während eine perlmutt- und granatbesetzte Lavabo-Kanne es dem Betrachter ermöglicht überraschende Details zu entdecken, eröffnet die goldene Venus Urania Statuette des Medici-Hofbildhauers Giambologna aus jedem Blickwinkel eine neue Ansicht. Letztere verkörpert die vollendete Umsetzung des im 16. Jahrhunderts angestrebten Prinzips der Mehransichtigkeit, nach dem eine Skulptur nicht mehr nur in Hinblick auf eine Schauseite, sondern als Gesamtkomposition gestaltet wurde. Die Prager Kunstkammer diente vor allem der künstlerischen Überhöhung und Glorifizierung Rudolfs II. Ihr Stil steht in der Kunstgeschichte repräsentativ für die Zeit des auslaufenden europäischen Manierismus. Mit Rudolf II. wandelten sich die ungeordneten Sammlungen der fürstlichen Ausstellungsrundgang Schatzkammer zur strukturierten, enzyklopädischen Kunstkammer, deren Stücke nach seinem Tod 1612 nach Wien zurückkehrten.
Sammeln im Barock
Mitte des 17. Jahrhunderts veränderten sich mit dem Barock auch die Form des Sammelns und die Art der hergestellten Objekte. Gezielt angestrebt wurden üppigere Formen und die Bearbeitung robuster Materialien. Im vierten Abschnitt der Ausstellung kann der Besucher die Wandlung der Sammlungen anhand von Gemälden, Kunstgegenständen und Modellen nachvollziehen. Als prägender Sammler seiner Zeit leistete Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662) mit dem Ankauf von 1400 Gemälden einen entscheidenden Beitrag zur Gründung der Wiener Gemäldegalerie. Mit der Regierung Maria Theresias (1717-1780) kam es zu einer nachhaltigen Verschiebung der Habsburger Kulturpolitik. Das aktive Sammeln, aber auch der Aufbau und die Pflege höfischer Kunstwerkstätten verloren an Bedeutung. Stattdessen stand nun die optimale Präsentation der bereits gesammelten Schätze im Mittelpunkt.
Die bereits im 16. Jahrhundert begonnene Aufteilung in Spezialsammlungen wurde fortgesetzt. Anhand eines Modells der kaiserlichen Gemäldegalerie in der Wiener Stallburg kann der Besucher selbst sehen, wie die Bilder zwischen den Jahren 1727 bis 1776 dort präsentiert wurden. In diesem Teil werden außerdem Teile aus dem Frühstücksservice Maria Theresias gezeigt, die beispielhaft für die bedeutenden Leistungen der Wiener Goldschmiedekunst aus dieser Zeit stehen. Maria Theresias Ehemann, Franz Stephan von Lothringen, vergrößerte anlässlich seiner Heirat mit der Habsburgerin den textilen Bestand der Kunstkammer. Mit dem Bild „Der Triumph des Vulkan“, einem Stück aus seiner Tapisseriesammlung, endet der Ausstellungsrundgang durch die Jahrhunderte der kaiserlichen Sammler-Geschichte.
Alle praktischen Informationen zu der Ausstellung finden Sie auf der Seite der Reiss-Engelhorn-Museen.
Bis zur Neueröffnung stellt das Kunsthistorische Museum Wien jede Woche ein Objekt der Sammlung auf seiner Internetseite vor.