Satiremedaillen von Karl Goetz im Intermünz-Kurier der Münzgalerie München
Der neue Intermünz-Kurier 190 der Münzgalerie München bringt die Fortsetzung des im letzten Jahr begonnenen Angebots der Sammlung Leigh Park aus den USA mit den Medaillen des Münchner Medailleurs Karl Goetz (1875-1950). Dies ist der zweite von vier geplanten Katalogen. Das Angebot umfasst diesmal den berühmtesten und begehrtesten Teil des Oeuvres des Künstlers, die satirischen Medaillen aus dem Ersten Weltkrieg und der Frühzeit der Weimarer Republik bis zur Inflation.
Der Katalog beginnt wieder mit der Lebensbeschreibung des Medailleurs bis 1923 von Achim Feldmann, die auch ins Englische übersetzt wurde. Hier sind auch einige einleitende Bemerkungen über satirische Medaillen im Allgemeinen und die Kriegsmedaillen im Ersten Weltkrieg enthalten. Dann folgt auf 78 Seiten ein Angebot von 375 Goetz-Medaillen, darunter sämtliche satirischen Medaillen, die auch alle abgebildet sind. Das Angebot ist ziemlich umfassend, dabei befinden sich auch viele Raritäten.
1914 begann im Ersten Weltkrieg – befeuert durch den nationalen Aufbruch in bedrohter Zeit – in München und in ganz Deutschland eine gewaltige Medaillenproduktion, die sich nach der Begeisterung über die Anfangserfolge des deutschen Heeres bis 1916 halten konnte. Bereits zu Kriegsbeginn schuf Goetz eine Reihe großformatiger Medaillen, die in seine bis heute bekannteste Serie der satirischen Medaillen mündete, die in einheitlichem Format von 59 mm bis 1923 weitergeführt wurde. Der Krieg mit seinen täglich neuen Frontmeldungen und den politischen Verwicklungen im Innern gab ihm genügend Stoff und Inspiration für eine große Zahl von glorifizierenden und kritischen Werken
Karikatur, Satire und Spott können zu eigenen Quellen für die geschichtliche Erforschung der Vergangenheit werden. Sie lassen auf Stimmungen in der Bevölkerung und auf die jeweilige Empfänglichkeit der Betrachter schließen. Satire tritt häufig in politischen, religiösen oder gesellschaftlichen Krisen auf, wenn Kontroversen hochschlagen. In solchen Zeiten, wo die weitere Entwicklung völlig offen ist, wird politisch immer besonders hart um die jeweiligen Richtungen gestritten. Genau hierhin gehören die Medaillen des Karl Goetz, die er mit dem Ersten Weltkrieg begonnen hat und just zu dem Zeitpunkt beendete, als die Krisenzeit der Weimarer Republik 1923 beendet war.
Mit großer Erbitterung organisierten alle am Kampf beteiligten Mächte ihre kulturellen Propagandafeldzüge. Auch die deutsche Medaillenkunst wurde Teil der Propagandaschlachten. Man sah sich im Bündnis mit Österreich-Ungarn gegen eine Überzahl von Feinden gestellt, dem mit der Beschwörung der Bündnistreue, der kulturellen Überlegenheit, der deutschen Tapferkeit und mit der Beschwörung des Geistes von Bismarckbegegnet wurde. Der Feind wurde als vielköpfige Hydra dargestellt, der sich der heldenhafte Deutsche – oft in der Gestalt von Herkules, Siegfried oder Heiliger Georg – im Kampfe erwehrt. Weitere häufig genutzte Themen und Bilder waren die in den Kampf ausziehenden Truppen, Abschied, Waffenbrüderschaft, die Helden zur See und in der Luft, die Luftschiffe, die Erfolge der neuartigen U-Boot-Waffe, schließlich dann auch der Krieg als personifizierter Tod. Während der französischen Besetzung hat er mehrere drastische Verunglimpfungen der schwarzen Besatzungssoldaten entworfen.
Goetz hat nur wenige Medaillen den großen Strategien des Krieges oder den wichtigen Heerführern gewidmet, sondern hat sich mehr auf spezifische Einzelereignisse fokussiert, um diese satirisch „verarbeiten“ zu können. Besonders hervorzuheben sind die Medaillen auf die Revolution im November 1918 und die Flucht des Kaisers Wilhelm II. (u. a. Kienast 232, 233, 236, 239), Medaillen auf die Münchner Räterepublik (u. a. Kienast 214, 222, 268), eine Bronze-Gussmedaille von 1921 auf die Beisetzung des Königspaares (Kienast 292), Stücke auf die französische Besetzung des Rheinlands und des Ruhrgebiets (z. B. Kienast 262, 295, 301) und auch zwei Bronze-Gussmedaillen auf den Hitlerputsch 1923 (Kienast 302), übrigens die erste Medaille überhaupt, auf der Adolf Hitler dargestellt worden ist. Wenn die weiteren Kataloge ähnlich umfangreiche Angebote beinhalten, kann sich die Sammlung fast mit der bekannten Sammlung Böttcher, die 2006 versteigert worden ist, messen.
Online finden Sie die Liste mit allen angebotenen Karl Goetz Medaillen.
Eine große Auswahl an numismatischer Literatur und weitere interessante Münzen und Medaillen finden Sie im Onlineshop der Münzgalerie München.