Ich war selbst nicht dabei, aber so stelle ich mir die Münzbörsen der 70er Jahre vor: Tausende von begeisterten Sammlern, die sich in eine große Halle drängen, um dem gemeinsamen Hobby zu frönen: Dem Sammeln.
Das Konzept von Sberatel
Zunächst eines: Die Sberatel ist anders. Ihre Veranstalter haben für sie ein ganz eigenes Konzept entwickelt, das über die Jahre prächtig aufgegangen ist. Sie sprechen mit ihrer Messe alle Sammler an, nicht nur die Sammler von Münzen, Medaillen und Briefmarken. Die Sberatel vereint zu diesem Zweck unterschiedliche Sammelgebiete: Numismatik und Philatelie, Mineralogie und Postkarten, Schallplatten und viele weitere Bereiche. Denn auch in Tschechien beschränken sich die Sammler nicht auf ein einziges Sammelgebiet, sondern kaufen munter etwas aus jedem Bereich, sobald es ihr Interesse erregt.
Dieses Konzept erinnert den einen oder anderen vielleicht an eine Sammlerbörse, wie sie hierzulande in der Turnhalle oder einem Hotel stattfinden. Aber diese Assoziation läuft völlig in die falsche Richtung, denn die Sberatel kombiniert das vielfältige Angebot mit einer hohen Professionalität der Ausstattung. Grabbeltische sucht man vergebens. Und die Standgebühren sind so kalkuliert, dass sie nicht im vornherein sämtliche Profite schlucken.
Prag als Messeplatz
Auch wenn die Messehallen von Prag von außen nicht besonders eindrucksvoll wirken, die Infrastruktur dürfte die meisten europäischen Mitbewerber neidvoll erröten lassen. Mit einer Gesamtfläche von 105.000 Quadratmetern ist das PVA das größte Ausstellungsgelände in Prag. Es gibt jede Menge Parkplätze. Eine durchgehende Metro verbindet die Messe mit dem Stadtinneren. Alle zwei Minuten fährt die rote Linie C in ca. einer Viertelstunde vom Narodny Museum nach Letňany zur Messe. Damit ist es für all diejenigen, die ohne großes Gepäck reisen, kein Problem, ein Zimmer in der Innenstadt zu wählen, um nach der Messe noch ein bisschen vom Goldenen Prag zu genießen.
Auf der Messe selbst ist für alles gesorgt. Eine Vielzahl von Imbissständen bietet zu vernünftigen Preisen sehr gute Kost und noch besseres Bier. Viele Tische und Bänke draußen und drinnen ermöglichen den Besuchern, eine echte, erholsame Pause zu machen. Deshalb ist die Sberatel bis zum Schluss gut besucht.
Die Besucher
Überhaupt, die Besucher, sie sind eine Kategorie für sich. Wer eine Stunde vor Einlass zur Börse ankommt, der sieht sie schon in großen Mengen vor den Kassen stehen. Wenn die Pforten Punkt 10.00 geöffnet werden, füllt sich der Saal innert weniger Minuten, so dass es kaum ein Durchkommen gibt.
Unterhält man sich mit einem der deutschen Münzhändler, die seit Jahren zur Sberatel kommen, erfährt man, dass man hier die begeisterten Sammler findet, die sich für die Geschichte und den Hintergrund einer Prägung interessieren und nicht für ihr Wertsteigerungs-Potential. Gefeilscht wird gelegentlich, aber selten und nicht so erbittert wie in manch anderen Ländern.
Die Altersstruktur wirkt einigermaßen gesund. Natürlich dominieren auch in Prag die Männer der älteren Generation, aber verstreut sieht man junge Sammler, die einen Kinderwagen über die Messe schieben oder den Nachwuchs im Tragetuch mitbringen. Nicht zu vergessen, die vielen Frauen, die auf der Sberatel übrigens freien Eintritt genießen.
Auch wenn es für die ganz teuren Stücke wohl noch keinen echten Markt gibt, geben mehr als 30% der Besucher mehr als 200 Euro auf der Messe aus. Tendenz steigend. Denn das Sammeln ist in Tschechien ein Volkssport, den alt und jung, reich und arm betreiben. Nicht umsonst haben Münzen und Medaillen, die auf tschechischem Boden geprägt wurden, in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen gewaltigen Preissprung erlebt.
Tschechien ist ein aufstrebender Markt mit großem Potential. Wobei sich die Aussteller darüber klar sein müssen, dass das tschechische Publikum nicht ganz einfach zu gewinnen ist. Kaum einer der Besucher spricht Englisch. Mancher der älteren dagegen ziemlich gut Deutsch. Wer aber mehr machen möchte, als einen Preis zu nennen und das Geld zu kassieren, braucht an seinem Stand eine der Hostessen, die von den Veranstaltern organisiert werden. Denn für die Kommunikation ist es unerlässlich, jemanden zur Verfügung zu haben, der gut Tschechisch spricht.
Die Aussteller
Rund 230 Aussteller aus 36 Ländern kommen zur Sberatel nach Prag. Ein Großteil von ihnen ist in Tschechien selbst bzw. in Deutschland oder Österreich ansässig. Einige internationale Auktionshäuser und vor allem Serviceanbieter haben das Potential des tschechischen Marktes erkannt und sind vor Ort. Sie bleiben allerdings in der Minderheit.
Die Mehrzahl der Aussteller sind derzeit kleinere bis mittlere Händler, die ihr großes Lager von eher günstigen Münzen dem tschechischen Publikum präsentieren und begeistert von der Kauffreude der Besucher schwärmen. Und in der Tat: Es ist immer dasselbe Bild – Menschenmengen drängen sich an einem Stand, um das Angebot zu begutachten. Stundenlang wird in den großen Kisten und Kästen nach dem einen Stück gesucht, das in die Sammlung passt.
Übrigens nicht nur im Bereich der Numismatik. Die Briefmarkenhändler freuen sich über einen mindestens ebenso guten Zuspruch.
Voraussetzung ist dabei allerdings, dass eher das untere Preissegment bedient wird. Natürlich, einige teure Münzen dabei zu haben, schadet nicht, aber das Gros der Verkäufe bleibt im zweistelligen Euro-Bereich.
Eine nachahmenswerte Institution: Der Ruheraum für Händler
Die Organisatoren Petr und Jindřich Jirásek leisten hervorragende Arbeit. Sie sind mit Leib und Seele dabei und haben sich ein paar Dinge überlegt, die dem Aussteller das Leben wirklich einfacher machen, so zum Beispiel der Ruhebereich, in dem man abseits vom Stand, ohne langes Anstehen, etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zum Essen bekommt. In dem abgetrennten Raum ist es auch möglich, sich für eine Besprechung zurückzuziehen. Und das ist bei dem hohen Besucherandrang viel wert!
Eine Messe mit gewaltigem Potential
Den Organisatoren ist es gelungen, ein Event auf die Beine zu stellen, das in Zentral- und Osteuropa derzeit die einzige international bedeutende Sammlermesse ist. Damit hat sie das Potential, sich zu einer der wichtigsten Veranstaltungen im Münzbörsenjahr zu entwickeln.
Natürlich, dafür gibt es noch einige Punkte abzuarbeiten. Eines der Probleme ist aktuell der fehlende Sicherheitsraum. Wer Münzen mitbringt, kann sie natürlich auf der Messe lassen, die nach ihrer Schließung von einem Wachmann geschützt wird. Aber einen Security Room, wie er auf anderen Messen Standard ist, gibt es nicht.
Auch ist die Messe völlig auf den Besucher ausgerichtet. Das Geschäft zwischen den Händlern, wie wir es von anderen Börsen kennen, ist auf ein Minimum beschränkt. Was zum großen Teil daran liegt, dass die Händler gar nicht dazu kommen, sich während der Messe von ihrem Tisch wegzubewegen. Aber auch der eigens dafür eingerichtete Donnerstagnachmittag, an dem die Sberatel für den „normalen“ Sammler gesperrt bleibt, hat sich noch nicht als Händlertreffpunkt etabliert.
Während zahlreiche staatliche Postbehörden einen Stand auf der Sberatel haben, nehmen bisher nur wenige staatliche Münzstätten an der Veranstaltung teil. Bei den Mengen an Besuchern könnte es sich aber bald lohnen…
Sberatel im Frühjahr und im Herbst
Seit neuestem führen die Veranstalter zwei Sberatels durch: Die Frühjahrsmesse, die 2020 vom 27. bis zum 28. März im Hotel Olympik Congress Praha stattfinden wird und derzeit eher lokale Händler anspricht, und die Herbstmesse, an der wir teilgenommen haben.
Ach ja, und für 2020 plant die MünzenWoche wieder teilzunehmen. Es ist einfach ein unvergleichliches Gefühl, so viele begeisterte Sammler auf einem Haufen zu sehen!
Hier kommen Sie auf die deutsche Seite der Sberatel.