Schutz für oder vor archäologischer Forschung?

Mit solchem schweren Gerät darf man sicher nicht archäologisch graben. Aber wenn bei Bauarbeiten Funde gemacht werden – wer kümmert sich dann darum? Foto: Paul Brennan auf Pixabay.
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Das österreichische Bundesdenkmalamt (BDA) behauptet seit Jahrzehnten, dass alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zur Entdeckung von archäologischen Hinterlassenschaften seiner Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) bedürfen. Seit der DMSG-Novelle 1999 besagt dieser Paragraf zudem, dass eine derartige Bewilligung ausschließlich an physische Personen erteilt werden kann, die ein einschlägiges (archäologisches) Universitätsstudium abgeschlossen haben. Archäologische Ausgrabungen (und sonstige archäologische Nachforschungen an Ort und Stelle) dürfen daher laut BDA in Österreich nur unter Leitung durch professionelle ArchäologInnen durchgeführt werden.

Wie diverse jüngere Erkenntnisse der österreichischen Gerichte zeigen, ist diese Interpretation der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG jedoch entweder grundfalsch; oder § 11 Abs. 1 DMSG ist in seiner Gesamtheit grundsätzlich verfassungswidrig. In diesem Beitrag wird anhand eines für die Frage der Anwendbarkeit der § 11 Abs. 1 DMSG zentralen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG-ST) gezeigt, wie absurd die bisherige und immer noch aufrechterhaltene Anwendungspraxis dieses Paragrafen durch das BDA ist.

Genehmigungspflicht und bessere Alternativen

In früheren Beiträgen und einer monografischen Diskussion der Probleme des österreichischen archäologischen Denkmalschutzes habe ich mich bereits mit einigen der jüngeren berufungs- und höchstgerichtlichen Erkenntnisse (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008; BVwG 11.9.2017, W183 2168814-1/2E; 19.9.2018, W195 2197506-1/11E) zur Auslegung der Vorschriften des § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) – der sogenannten ‚Grabungsgenehmigungspflicht‘ – befasst. Dabei habe ich gezeigt, dass eine ‚Genehmigungspflicht‘ gem. § 11 Abs. 1 DMSG überhaupt nur dann besteht, wenn es sich bei den durch Grabungen oder sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle untersuchten Sachen zweifelsfrei für jedermann offensichtlich erkenntlich um Denkmale iSd § 1 Abs. 1-2, 4 bzw. 5 DMSG handelt. Des weiteren habe ich gezeigt, dass sich aus den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG eine fakultative Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit ergibt, wenn der die Nachforschungen Planende aus vernünftig nachvollziehbaren Gründen damit rechnet, dass er bei der Durchführung von Grabungen auf Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG stoßen wird und in diesem Fall nicht durch die Rechtsfolgen der Entdeckung von Zufallsfunden des § 9 Abs. 1-3 DMSG behindert werden will.

Das Studium von Rechtstexten ist selten kurzweilig – aber bisweilen lohnt es sich. Foto: CQF-avocat auf Pixabay.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Aus dem hier besprochenen Erkenntnis des LVwG-ST (22.1.2018, 30.37-3312/2015-44) ergibt sich neuerlich, was ohnehin schon jeder wusste, der des Lesens des ersten Satzes des § 1 Abs. 1 DMSG mächtig ist: die Bestimmungen des DMSG sind ausschließlich auf jene von Menschen geschaffenen, bedeutenden Gegenstände anwendbar, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Und wie ebenfalls schon jeder wusste, der § 1 Abs. 4 DMSG gelesen hat, wird ‚[d]as öffentliche Interesse an der Erhaltung im Sinne des Abs. 1 (Unterschutzstellung) […] wirksam kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3)…‘.

Wie bereits andernorts festgestellt, hat das zur Folge, dass die ‚(Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche‘ (§ 11 Abs. 1 DMSG) tatsächlich nur dann einer denkmalrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt, wenn bei objektiver Betrachtung tatsächlich ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG entdeckt bzw. untersucht wird. Dies findet auch Bestätigung durch die Vorschrift des § 37 Abs. 6 DMSG, dass auch bereits laufende Strafverfahren wegen Verstößen gegen (unter anderem auch) die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG einzustellen sind, wenn das BDA feststellt, ‚dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung‘ des betroffenen ‚Denkmals tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat‘.

Bundesdenkmalamt an eigene Regeln gebunden

Das hat bei jeder dem BDA bereits bekannten archäologischen Fundstelle, die es nicht binnen der ihm dafür von § 9 Abs. 3 DMSG eingeräumten Frist von 6 Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem es erstmals von ihr Kenntnis erlangt hat, ,(in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1)‘ unter Denkmalschutz gestellt hat, zur Folge, dass eine gesetzliche Genehmigungspflicht für Grabungen und sonstigen Nachforschungen auf dieser Fundstelle gem. § 11 Abs. 1 DMSG nicht besteht. Nachdem es das BDA unterlassen hat, diese Fundstelle binnen der dafür vorgesehenen gesetzlichen Entscheidungsfrist des § 9 Abs. 3 DMSG bescheidmäßig unter Denkmalschutz zu stellen, hat es bereits rechtswirksam festgestellt, ‚dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung‘ der Fundstelle ‚tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat‘. Es ist daher selbstverständlich auch das BDA an diese – seine eigene – Entscheidung gebunden, solange es nicht aufgrund neuer Erkenntnisse über die Fundstelle eine Neubeurteilung ihrer Bedeutung vorgenommen und als Folge davon eine von seiner früheren negativen abweichende, positive bescheidmäßige Unterschutzstellungsentscheidung gem. § 3 Abs. 1 DMSG getroffen hat.

Während für Grabungen und sonstige Nachforschungen auf bereits länger bekannten, aber nicht denkmalgeschützten archäologischen Fundstellen keine denkmalrechtliche Genehmigungspflicht besteht, ist die freiwillige, präventive Beantragung einer Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zulässig, wenn der Antragsteller subjektiv ernsthaft damit rechnet, dass er bei der Durchführung der von ihm geplanten Feldforschungsmaßnahmen Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG entdecken wird. Das BDA muss diese Genehmigung erteilen, weil ihm keine sachlichen Gründe bekannt sein können, die gegen ihre Erteilung sprechen: schließlich ist die Erhaltung der Fundstelle rechtsverbindlich festgestelltermaßen nicht im öffentlichen Interesse gelegen; und darf sie aus denselben Gründen auch nicht mit Auflagen verbinden, weil denkmalrechtliche Auflagen jedenfalls immer der im öffentlichen Interesse gelegenen Erhaltung von denkmalschutzwürdigen Denkmalen dienen müssen, die im konkreten Einzelfall schließlich fehlen.

Eine derartige freiwillige Vorab-Genehmigung gestattet ihrem Inhaber, allfällig bei der Durchführung seiner gem. § 11 Abs. 1 DMSG vorab bewilligten Forschungen entdeckte Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG in jenem Ausmaß zu verändern oder zu zerstören, ‚als dies durch eine wissenschaftliche Grabungsarbeit unvermeidlich und daher notwendig ist‘ (§ 11 Abs. 5 DMSG). Die freiwillig eingeholte Vorab-Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG befreit ihren Inhaber von den Fundmeldepflichten für Zufallsfunde des § 8 und ihren Rechtsfolgen nach § 9 DMSG und unterwirft ihn stattdessen den Melde- und Berichtspflichten des § 11 Abs. 3, 4 und 6 DMSG; was unnötige Verzögerungen im Ablauf wissenschaftlicher Forschungsgrabungen zu vermeiden gestattet.

 

Die eigentliche ausführliche Argumentation lesen Sie in dem Originalartikel, wie ihn Raimund Karl auf seinem Blog Archäologische Denkmalpflege publiziert hat.

Erst vor kurzem haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem Raimund Karl erläuterte, wie Österreich seiner Finanzierungspflicht im Denkmalschutz nicht nachkommt.

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