von Björn Schöpe
17. Mai 2018 – Bulgarische Archäologen stießen 2015 mitten in der Hauptstadt Sofia auf einen riesigen Münzhort aus römischer Zeit. Die nachfolgenden Grabungen erbrachten spektakuläre Ergebnisse. Die Ausgräber sind der Überzeugung, den Ort der spätantiken Münzstätte entdeckt zu haben.
Fast 3.000 Silbermünzen fanden Archäologen im Herbst 2015 bei einer Grabung am zentralen Sweta-Nedelja-Platz vor der gleichnamigen Kathedrale und direkt vor dem bei Reisenden nach Sofia recht bekannten Hotel Balkan. Die 2.974 Silber- und 5 Bronzemünzen lagen in einem Gefäß, das den Namen des Besitzers trug, Selvius Calistus. Die Münzen reichen von neronischer Zeit (54-68) bis in die Herrschaft Caracallas (198-217) und Getas (209-211), wie die leitende Archäologin Veselka Katsarova des städtischen Museums erklärte. Ein kurioses Detail: alle 111 Münzen Domitians (81-96) zeigen unterschiedliche Darstellungen.
Als die Archäologen des Nationalen Instituts und Museums für Archäologie und des Museums für Geschichte von Sofia im Sommer 2015 die Arbeiten begannen, suchten sie nach dem Forum von Serdica, der antiken Vorläufersiedlung des heutigen Sofia. Tatsächlich lagen die Münzen in „Raum 1“ einer großen Anlage unter dem heutigen Platz.
Mittlerweile scheint sicher zu sein, dass dieses Gebäude in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurde. Kleinere Räume gingen wohl zur Straße und dienten als Lager oder Geschäfte; darauf deuten Amphoren, Münzen und ein Set von Spielsteinen hin.
Der reich ausgestattete Haupttrakt besaß eine Umgangshalle. Hierbei könnte es sich um eine Thermenanlage oder den Sitz der regionalen Verwaltung handeln. Bis das Gebäude vermutlich im 5./6 Jahrhundert aufgegeben wurde, hatte es zahlreiche Umbauten erlebt. Ein besonders großer erfolgte um 300 n. Chr.: Damals erhielt Serdica eine Münzstätte, die nicht mehr nur lokale Prägungen, sondern Gold-, Silber- und Bronzemünzen prägte, die auch für den reichsweiten Umlauf vorgesehen waren.
Die Archäologin Veselka Katsarova erläuterte bulgarischen Medien gegenüber die aktuellen Funde: „Wir sind auf eine Schicht von Material aus dem 3. und 4. Jahrhundert gestoßen, in der wir Schlacke fanden und Blasebalge, mit denen einem Feuer genug Sauerstoff zugeführt werden konnte, um Metall zu schmelzen.“ Diese Schicht ist unter anderem datiert durch Münzen, die aus der Zeit des Gallienus (253-268), Claudius II. (268-270) und Aurelian (270-275) bis ins frühe 4. Jahrhundert reichen. Von den Blasebalgen zeugen Tonfragmente mit Metallresten.
Schon in den 1970er und 1980er Jahren hatte die Archäologin Magdalina Stancheva bei einer Grabung direkt unter der angrenzenden Kathedrale ähnliche Funde gemacht. Chemische Analysen all dieser Funde sollen nun nähere Aufschlüsse bringen.
Eigentlich ist die zentrale Lage für eine Münzstätte ungewöhnlich, denn metallverarbeitende Betriebe wurden in der Antike gewöhnlich außerhalb der Siedlungen angelegt. Doch ein Bronzebarren, aus dem durchaus Münzen hergestellt hätten werden können und der ebenfalls in diesem Komplex entdeckt wurde, spricht für die Deutung.
Und der große Silberschatz? Archäologin Katsarova meint: „Der Münzschatz sollte vermutlich eingeschmolzen werden, damit man daraus neue Münzen des 4. Jahrhunderts prägen konnte.“ In Anbetracht des gesunkenen Silbergehaltes hätte das mit hohem Gewinn geschehen können.
Die Ausgräber betonen, dass ihre Deutung nur eine Hypothese sei und wollen sie durch weitere Untersuchungen erhärten. Kenner der Materie haben massive Zweifel angemeldet. Der in Wien lebende bulgarische Archäologe Dr. Evgeni Paunov hält die vorgebrachte Annahme für „pure Spekulation“ und sieht in den Funden „keinerlei verlässlichen Hinweise“. Gegenüber der MünzenWoche äußerte Paunov, er erwarte den Fund von Prägegeräten, Schrötlingen, Lehmmatrizen u.a., um sich von der Deutung des Fundortes als Münzstätte überzeugen zu lassen. Den Ausgräbern steht noch viel Arbeit bevor, um diese Zweifel zu zerstreuen.
Das Portal „Archaeology in Bulgaria“ berichtete in den vergangenen Jahren immer wieder über diese Grabung:
– Über den Beginn der Ausgrabung
– Über den Hortfund
– Über den ersten Gebäudefund
– Und über die vorläufige Deutung als Münzstätte