von Ursula Kampmann
5. Juni 2014 – Vom 11. bis zum 14. Mai 2014 fand in Mexico City die 28. Mint Directors Conference statt. Münzstätten-Vertreter aus rund 40 Nationen diskutierten, was derzeit die Münzhersteller bewegt.
Guillermo Hopkins Gámez, CEO der Casa de Moneda de México. Foto: UK.
„Mi casa es tu casa.“, auf Deutsch „Mein Haus ist dein Haus.“, so begrüßen Mexikaner ihre Gäste. Aus dieser Redensart spricht die unglaubliche Gastfreundschaft, die dem Fremden in Mexiko entgegenschlägt. Und genau diese Gastfreundschaft durften die Teilnehmer der 28. MDC, die von der Casa de Moneda in Mexico City durchgeführt wurde, persönlich erleben.
„Mi casa es tu casa“ – mit diesen Worten hieß Guillermo Hopkins Gámez, der erst wenige Wochen zuvor das Amt des CEO der Casa de Moneda de México übernommen hatte, seine Gäste willkommen.
Eines der gewaltigen sozialkritischen Wandgemälde im Palacio Nacional, gemalt von Diego Rivera. Als wir vor Ort waren, war es schon viel zu dunkel, um es zu fotographieren. Foto: Wikipedia / Thelmadatter.
Eingeladen zum Welcome Cocktail hatte am ersten Abend das Finanzministerium im prächtigen Palacio Nacional, der früher als Residenz des Vizekönigs von Neuspanien und seit dem 19. Jahrhundert als Regierungssitz diente. Er wurde 1926 programmatisch von Diego de Rivera mit seinen sozialkritischen Murales umgestaltet und steht heute bei jeder Stadtrundfahrt auf dem Programm.
Musikalische Abendunterhaltung. Foto: UK.
Eine wunderschöne, alte Schalterhalle bildete den Hintergrund für das erste offizielle Treffen der Tagungsteilnehmer. Hier kosteten sie den ersten Mezcal und den ersten Tequila, was den Lärmpegel leicht nach oben regelte. Es war ein bisschen wie bei einem Familientreffen. Jeder begrüßten lange nicht gesehene Freunde. Schließlich ist der Kreis der an der Münzproduktion Beteiligten relativ klein, so dass man sich untereinander sehr gut kennt. Das fördert die Zusammenarbeit, und ließ beim Welcome Cocktail in Windeseile beste Laune entstehen.
Der alte Präsident der MDC, Gerhard Starsich, CEO der Münze Österreich, begrüßt die Kongressteilnehmer. Er gab sein Amt in Mexiko an Guillermo Hopkins Gámez ab. Foto: UK.
Wobei man sich nicht vorstellen darf, dass bei so einem Kongress zu viel gefeiert wird. Im Gegenteil, die Planung zeichnete sich dadurch aus, dass sie hin und wieder zu vergessen schien, dass der Mensch auch ein klein bisschen Schlaf benötigt, um den anspruchsvollen Vorträgen und Verhandlungen aufmerksam folgen zu können.
Blick in die Ausstellungsfläche. Foto: UK.
Am Montag Morgen um 8.00 schaffte es Professor Stephane Garelli von der Université de Lausanne mit seinem Eröffnungsvortrag über die aktuelle Wirtschaftslage tatsächlich, den Saal zu schallendem Gelächter – und zum Nachdenken – anzuregen. Er fasste die Situation folgendermaßen zusammen: Die Welt verändert sich. Die Schwerpunkte der Innovation verlagern sich; derzeit nach China, wahrscheinlich bald auch nach Afrika. Die westliche Wirtschaft ist völlig desinformiert über das, was dort geschieht. Und statt sich mit dem chinesischen Markt auseinanderzusetzen, versucht sie die Menschen im Westen, die sowieso schon alles haben, davon zu überzeugen, dass sie anderes dringend brauchen. Auch wenn es Konzernen wie Apple bisher gelingt, dies ziemlich erfolgreich zu tun, wird das wirtschaftliche Umfeld in den nächsten Jahren rauer und rauer werden, solange es die Konzerne nicht schaffen, ihre Produkte so umzustellen, dass sie für die Schichten interessant werden, für die in den kommenden Jahren der größte Einkommenszuwachs zu erwarten ist: Für all diejenigen mit einem täglichen Einkommen bis zu 10 $.
Professor Garelli schlachtete mit witzigen Bonmots ganze Herden von heiligen Kühen. Zum Beispiel die weit verbreitete Überzeugung, dass kein junger Mensch zu gut ausgebildet sein könnte. Im Gegenteil, so Garelli, ein großer Teil der Jugendarbeitslosigkeit gehe darauf zurück, dass wir viel zu viele Akademiker erzeugen, und für die einfachen Arbeiten niemanden mehr haben.
Das Podium der ersten Marketing Session. Foto: UK.
Und so gingen die Kongressteilnehmer beschwingt zu ihren eigentlichen Themen über, wobei Mr. Sarun Thamrongrat etwas, das alle fühlten, gut zusammenfasste: „Jeder, der nach Mr. Garelli spricht, wird sich schwer tun.“
Was dann übrigens gar nicht so war. Dafür brachten die Referenten – für das Marketing eingeladen von der Vorsitzenden des Marketing Komitees, Kirsten Petersen, für die technische Seite zusammengestellt vom Vorsitzenden des Technischen Komitees, Prabir De – zu viel Fachkompetenz mit.
Themenschwerpunkt beim Marketing waren Vorträge, die um das Problem kreisten, wie man mittels der verschiedenen Möglichkeiten von Social Media im Internet den direkten Kontakt zum Kunden intensivieren könne. Die Royal Canadian Mint und die Monnaie de Paris schwärmten davon, wie sich bei ihnen der Umsatz dank des Einsatzes von Facebook und Twitter erhöht habe. Was dabei allerdings nicht erwähnt wurde, war die Tatsache, dass sich auch im traditionellen Münzhandel – ohne großen Einsatz von Werbemitteln und Social Media – der Umsatz seit 2008 gewaltig erhöht hat. Die Meinungen der Experten waren einhellig, das Wachstum wird – zumindest vorläufig – so weiter gehen. Wie sich viele ältere Sammler erinnern mögen, dachten das die Fachleute auch in den frühen 80 Jahren, kurz bevor die Münzpreise zusammenbrachen.
Wer sich auf jeden Fall gewaltige Sorgen machen muss, jedenfalls wenn man sich die Ideen der internationalen Marketing-Abteilungen anhört, ist der lokale Münzhändler, der auf moderne Münzen spezialisiert ist. Seinen Geschäftsanteil würden die Münzstätten – mit ganz wenigen Ausnahmen – zu gerne auf ihr Konto verbuchen. Und es scheint niemand darüber nachzudenken, dass gerade der lokale Münzhändler ein wichtiges Tierchen im Biotop Münzsammeln ist, das dafür sorgt, dass gekaufte Münzen auch wieder verkauft werden können. Es bleibt zu fragen, ob die Kunde-zu-Kunde-Verkaufsplattformen wie eBay die Funktion des Münzhändlers völlig übernehmen können, wenn es den lokalen Münzhändler nicht mehr gibt. Übrigens, auch die Münzzeitschriften, die ja zum größten Teil von Werbeeinnahmen leben, stehen auf der roten Liste der aussterbenden Arten. Denn im Mittelpunkt der neuen Werbepolitik steht die Überlegung, dass man mit der Betreuung von Social Media sowieso nur das Geld ausgibt, das man sonst in traditionelle Werbung hätte stecken müssen.
Münzhändler und Münzzeitschriften haben eines gemeinsam: Sie sind eine Schaltstelle, bei der sich der Kunde direkt und unparteiisch darüber informieren kann, was derzeit auf dem Münzenmarkt passiert. Werden sie ausgeschaltet, wird die Welt des Sammlers nicht mehr so sein wie sie war.
Ein Blick in den Saal, wo die Teilnahmer der Packaging Competition ausgestellt waren. Foto: UK.
Aber vielleicht ist das den Münzstätten auch nicht so wichtig, denn der traditionelle Sammler steht nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit. Münzen und Medaillen werden immer mehr zum Lifestyle Produkt, die als Souvenirs und Gadgets in aufwändigen Verpackungen an den Mann – und die Frau(!) – gebracht werden. Es geht um die Erschließung neuer Zielgruppen, und gerade die Royal Canadian Mint ist höchst ehrgeizig darin, wie viele Haushalte sie als Käufer ihrer Produkte gewinnen will. In diesem Zusammenhang ist auch der viel beachtete Wettbewerb um die schönste Verpackung zu sehen, der im Rahmen der MDC durchgeführt wird, und den diesmal die Monnaie de Paris in vielen Disziplinen für sich entscheiden konnte.
Es war schade, dass bei der MDC immer nur vom Verkauf gesprochen wurde, ohne sich darüber zu unterhalten, dass jede Münze implizit das Versprechen einer Wertbeständigkeit in sich trägt. Momentan kaufen die Kunden und Neukunden. Was geschieht, wenn sie verkaufen wollen, und dabei feststellen, dass sie das Geld, das sie investiert haben, nur zu einem winzigen Bruchteil wieder zurückbekommen? Wird es sein wie in den 80er Jahren, als bitter gelernt wurde, dass Medaillen auch in der schönsten Verpackung nur Metallwert haben? Noch heute geistert die (falsche) Behauptung durch Sammlerforen, dass jede Medaille ein Betrug am Kunden sei.
Peter Huber leitete die Morgensession des Technischen Komitees am Dienstag. Foto: UK.
Im technischen Bereich sind zwei große Entwicklungen zu beobachten: Auf der einen Seite geht es um Kostenreduktion, auf der anderen um die Sicherheit. Man könnte also die Kernfrage, die sich alle Techniker stellen, folgendermaßen zusammenfassen: Wie kann ich für möglichst wenig Geld eine möglichst sichere Münze herstellen.
Deshalb standen hier Themen im Mittelpunkt wie die optimale Grenze zwischen Münze und Geldschein, neue, kostengünstigere Legierungen, die Optimierung von Prozessen, sei es im Bereich der Prägung mittels Computersimulation oder beim Polieren der Schrötlinge mittels einer Reihenuntersuchung, es ging um Farbmünzen für den Umlauf und spezielle Farben für fälschungssichere Gedenkmünzen, um das neue Sicherheitssystem der Royal Mint und Latentbilder. Dazu gab es eine eigene – für alle Teilnehmer, die nicht aus Münzstätten kamen geschlossene – Sitzung zu aktuellen Fälschungsfällen.
Eine wichtige Leistung der MDC ist es auch, sich auf gemeinsame Maßstäbe zu einigen. So sammelte Matti Rastas von der Mint of Finland Kriterien, die zur Qualitätssicherung von Münzronden allgemeine Anwendung finden können. Und Peter Huber arbeitet daran, eine verlässliche Benchmark aufzustellen, was in der Münzindustrie möglich ist.
Die Teilnehmer des Kongresses erholten sich vom ersten Tagungsabend im Palacio de Bellas Artes. Foto: UK.
Ein neues Thema in der Diskussion ist die Aufgabe einer Münzstätte als Arbeitgeber; also wie man seine Mitarbeiter motiviert, mitzudenken, Verantwortung zu übernehmen und besser auf die eigene Gesundheit zu achten. Es geht um Sicherheit, Gleichberechtigung und darum, Visionen für eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Es ist kein Wunder, dass in der letzten Sitzung der Tagung vor allem die Marktführer sprachen. Schließlich dürfen Firmen, die sich auf einen gesunden und zufriedenen Stamm von Mitarbeitern verlassen können, auch mit höheren Umsätzen und Gewinnen rechnen. Und so berichtete die Royal Australian Mint über ihr Programm zur Steigerung der Mitarbeiter-Gesundheit. Die Royal Mint Großbritanniens stellte ihre Programme zur strukturellen Prozessverbesserung vor. Die Mint of Finland zeigte, wie sie Verantwortung für ihre Mitarbeiter, die Umwelt und ihre Auftraggeber wahrnimmt. Und die Münze Österreich stellte eine Umfrage vor, in der sie als Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern beurteilt worden war.
Wir werden über die einzelnen Vorträge noch ausführlich in einem weiteren Artikel der MintWorld berichten.
Prägesaal des Museums der Casa de Moneda. Foto: UK.
Trotz des voll gestopften Programms blieb noch Zeit für einige Abendveranstaltungen. Der Höhepunkt war traditionell das Galadinner, das an einem ganz besonderen Ort stattfand, in dem Münzmuseum der Casa de Moneda, einer voll funktionsfähigen Münzstätte mit einer Ausrüstung, wie sie etwa um 1900 dem letzten Stand der Technik entsprach.
Das Münzmuseum war so großartig, dass wir auch darüber getrennt berichten werden.
Die Gießerei des Museums der Casa de Moneda. Foto: UK.
In der geheimnisvoll beleuchteten, gewaltigen Gießerei der ehemaligen Münzstätte Mexikos fand das Programm des Gala-Abends statt, zu dem auch …
Ein unerwarteter Gast, der ehemalige Präsident der USA, George W. Bush. Foto: UK.
… ein unerwarteter Gast gekommen war.
Ein Flieger brachte einen Teil der Kongressteilnehmer zur mexikanischen Münzstätte in San Luis Potosí. Foto: UK.
Die Nacht wurde für einige Teilnehmer sehr, sehr kurz, denn am nächsten Tag fuhren die Busse schon um 5.30 in Richtung Flughafen. Während der größere Teil der Kongressteilnehmer im Hotel blieb, um seine geschäftlichen Termine wahrzunehmen, brachen knapp 100 übermüdete Personen auf, um der mexikanischen Münzstätte in San Luis Potosí einen Besuch abzustatten.
Die mexikanische Münzstätte. Leider war im Inneren das Fotografieren streng verboten. Foto: UK.
In mehreren Gruppen besichtigten sie die Produktionshallen. Eine hoch interessante Tour, denn die Casa de Moneda gehört zu den wenigen Unternehmen, in denen wirklich alle Schritte der Münzherstellung nachvollzogen werden können: Vom Gießen der Coils, aus denen die Ronden produziert werden, über das Entwerfen der Münzmotive und die Stempelproduktion bis hin zum Prägen und Verpacken
Schuler Pressen GmbH lud zum Abschiedsabend ein. Hier vertritt Dieter Merkle im traditionellen Kostüm des mexikanischen Charros die Firma. An seiner Seite Prabir De, Leiter des Technischen Komitees der MDC. Foto: UK.
Direkt vom Flughafen ging es für diejenigen, die in San Luis Potosí gewesen waren, zu einem original mexikanischen Vergnügen, einer Charrería. Dort trafen sie die anderen Kongressteilnehmer. Alle gemeinsam sahen in einer großen Arena Reiterspiele, die ein Europäer durchaus mit dem amerikanischen Rodeo verwechseln könnte.
Und damit war wieder eine erfolgreiche Mint Directors Conference zu Ende. Die nächste MDC wird von der Royal Thai Mint in Bangkok veranstaltet.
Wenn Sie mehr über die Casa de Moneda wissen wollen (und Spanisch sprechen), klicken Sie hier.
Eine englische Geschichte der Casa de Moneda finden Sie bei uns in der MünzenWoche.
Hier gibt es mehr Information über die Mint Directors Conference.
Wenn Sie selbst einen umwerfenden Vortrag von Professor Stephane Garelli erleben möchten, klicken Sie hier. Sie kommen auf seine Website. Wir empfehlen „From Breakdown to Breakthrough – Part 2“.
Was eine Charrería ist, sehen Sie hier.