Ships, Colonies & Commerce

Christopher Faulkner, Imperial Designs. Canada’s Ships, Colonies & Commerce Tokens. Spink, London 2019. 453 S., farbige Abbildungen. Hardcover, 19,3 x 25,4 cm. ISBN: 978-1-912667-11-6. £50.
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Am 1. Juli 1867 wurde das Dominion of Canada gegründet. Damit erhielten die Gebiete im Norden der Vereinigten Staaten, die vorher ein Tummelplatz der Hudson Bay Company und ein Paradies für Pelzjäger gewesen waren, eine offiziellere Stellung als je zuvor. Fortan übernahm die Regierung der kanadischen Territorien, selbstverständlich unter der Oberhoheit Großbritanniens, die Zuständigkeit dafür, ihre Bürger ausreichend mit Umlaufsgeld zu versorgen. Und damit wurden all die privaten Versuche, dem Geldmangel Kanadas abzuhelfen, obsolet.

Denn natürlich hatte es schon vorher Münzen und Marken in Kanada gegeben! Wie hätte man sonst einen halbwegs geregelten Ablauf des Handels aufrecht erhalten sollen? Eine der wichtigsten Währungen – neben dem allgegenwärtigen Biberfell – war ein bestimmter Typ von Token, der auf der Vorderseite ein Schiff, auf der Rückseite die Aufschrift Ships, Colonies & Commerce zeigte. Christopher Faulkner widmet diesem einen Typ, von dem mehr als 30 Jahre lang immer wieder neue Emissionen hergestellt wurden, eine umfassende Monographie mit mehr als 400 Seiten.

Der historische Kontext

Natürlich stellt sich da jedem Leser die Frage: Lohnt sich das überhaupt? Kann man so viel über diese Tokens schreiben?

Wir wissen nicht, wie oft der Autor diese Frage gehört hat. Aber es muss oft genug gewesen sein, dass sich Christopher Faulkner bemüßigt fühlt, diese Frage in einer kleinen dramatisch inszenierten Szene am Anfang seines Buchs zu beantworten. Und so stellt er fest, dass er nichts weniger will, als den wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund zu zeichnen, auf dem diese Tokens so und nicht anders entstehen mussten.

Der Autor stellt sich dabei vier fundamentale Fragen:

  1. In welchen historischen Kontexten – denn es gibt mehr als einen – tauchten die Ships, Colonies & Commerce Tokens mit der für sie typischen Devise und Beschriftung auf?
  2. Wann, wo und von wem wurden die verschiedenen Arten der Ships, Colonies & Commerce Tokens geprägt?
  3. Wann, wo und von wem wurden die verschiedenen Arten der Ships, Colonies & Commerce Tokens importiert und in Umlauf gebracht?
  4. Welche Teile der Geschichte der Numismatik befassen sich mit der Bestimmung und der Beschreibung der zahlreichen Varianten dieser Serie?

Und genau so geht der Autor dann an sein Thema heran. Zunächst zeichnet er den historischen Hintergrund, auf dem die Tokens entstehen konnten. Er erzählt vom Handel mit Bauholz und vom Schiffsbau auf dem Prince Edward Island. Er erklärt die Legende auf dem Hintergrund der damaligen Wirtschaftsideologie, dem Merkantilismus.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit all denjenigen, die diese Tokens herstellten. Wo befanden sich die Münzstätten? Wie sicher können wir ihnen die Produkte bestimmter Zeitspannen zuordnen?

Und wer – so das dritte Kapitel – brachte sie ins Land? Dies war natürlich nicht eine einzige Stelle. Es handelt sich um einen höchst komplexen Vorgang, den Faulkner für die einzelnen Territorien zu rekonstruieren versucht.

Der Katalog für Hardcore-Sammler

Und dann kommt der Hauptteil: Der Teil, der Hardcore-Sammlern die Tränen der Begeisterung ins Gesicht treiben wird, der Teil, in dem jede aber auch noch so kleine Variante beschrieben und auf sinntragende Bedeutung abgeklopft wird. Wie gesagt, nur für Hardcore-Sammler geeignet. Der Außenstehende wird auf den äußerst dunkel geratenen Bildern sowieso keinen Unterschied erkennen, auch wenn Ausschnitte darauf hinweisen, was man denn sehen sollte. Hier hätte der Drucker mal besser Andrucke liefern sollen, damit man die Farbeeinstellung hätte ein wenig verändern und aufhellen können. Nur zu gut, dass der Autor so ausführlich beschreibt, dass man anhand der Beschreibung die Varianten erkennen kann. Fast 300 der weit über 400 Seiten umfasst dieser Katalog. Und ich gebe ehrlich zu, dass ich darin ohne Vorkenntnis nicht wirklich gerne eine Variante bestimmen möchte.

Mit zwei Biographien der wichtigsten Sammler resp. Erforscher von Ships, Colonies & Commerce Tokens sind wir fast am Ende des Buchs angekommen. Christopher Faulkner stellt W. A. D. Lees und L. A. Langstroth vor, ehe er in einem Appendix noch auf Fehlprägungen eingeht. Ein Index erschließt das umfassende Buch.

Ein Buch für Spezialsammler und für diejenigen, die sich für Wirtschaftsgeschichte interessieren

Es ist ein beeindruckendes Buch, das Christopher Faulkner vorlegt. Und jede Zeile des Buchs atmet die Begeisterung des Autors für sein Thema. Um die Arbeit zu schätzen, die der Autor in diese erschöpfende Monographie gesteckt hat, muss man wohl selbst ein begeisterter Sammler von Ships, Colonies & Commerce Tokens sein.

Doch auch für den wirtschaftsgeschichtlich interessierten Leser hat das Werk einiges zu bieten. Es offeriert einen Einblick in die Wirtschaft eines neuerschlossenen Landes, ohne eine zentrale Autorität, die darauf besteht, ein bestimmtes Geld zu benutzen. Mit detailreichen Hintergrundinformationen wird für uns das Kanada der Pelzjäger und der kleinen Ansiedlungen lebendig, wo Menschen miteinander lebten, Handel trieben und Dienstleistungen verkauften – und all das ohne ein wirklich funktionierendes Geldsystem.

Dieser Teil der Abhandlung ist wichtig für alle, die verstehen wollen, wie eine Wirtschaft mit und ohne Geld funktioniert, wie sich Autarkie und gelegentlicher Handel ergänzen. Allerdings werden all diese Leser nur die wenigen Seiten der Einleitung genießbar finden und die anderen Seiten den Spezialsammlern überlassen.

 

Sie können das umfangreiche und reich bebilderte Werk direkt bei Spink bestellen.

Die Vorarbeit zu diesem Buch wurde 2016 publiziert. Das Werk, das momentan zum vergünstigten Vorzugspreis zu beziehen ist, trägt den wunderschönen Titel „Coins are like Songs“.