von Björn Schöpe
21. Juli 2016 – Während andernorts Sondengänger als Problem und Gefahr für den Kulturgutschutz angesehen werden, zeigt England, wie entspannt man miteinander umgehen kann und dabei immer wieder bedeutende Funde für die Wissenschaft sichert – so wie jetzt eine anglo-sächsische Siedlung.
Bei Little Carlton, einem Ort in Lincolnshire stieß Graham Vickers auf Überreste einer bedeutenden anglo-sächsischen Siedlung aus dem 8./9. Jahrhundert n. Chr. Quelle: University of Sheffield.
Bereits 2011 hat der Sondengänger Graham Vickers auf einem Feld in Lincolnshire nahe dem Ort Little Carlton einen kostbar verzierten, silbernen Schreibgriffel gefunden.
Der Sondengänger Graham Vickers (li.) und sein PAS-Kontaktarchäologe Adam Daubney. Foto: University of Sheffield.
Er verständigte den Kontaktarchäologen des Portable Antiquities Scheme (PAS). Bekanntlich ist es dem Vereinigten Königreich gelungen, Sondengänger und Hobbyarchäologen über dieses Netzwerk in die archäologische Wissenschaft einzubinden.
Glas war im Frühmittelalter ein rares und hochgeschätztes Gut. Foto: University of Sheffield.
Gemeinsam fanden sie in der Folge noch mehr Objekte aus dem frühen Mittelalter, die auf eine überdurchschnittlich reiche Siedlung hindeuteten.
Diese Karte zeigt die Verteilung der gefundenen Metallobjekte. Quelle: University of Sheffield.
Die Fundposition der Objekte wurde präzise vermessen und diente den Archäologen der Universität Sheffield als Grundlage für ihre Untersuchungen. Um eine Störung des Geländes zu verhindern, wurden die Funde zunächst geheim gehalten.
Dr. Hugh Willmott von der Universität Sheffield (li.) und Graham Vickers (re.) auf dem Grabungsgelände. Foto: University of Sheffield.
Dr. Hugh Willmott von der Universität Sheffield lobte ausdrücklich die hervorragende Zusammenarbeit mit Graham Vickers: „Unsere Funde belegen, dass dieser Ort von internationaler Bedeutung ist. Aber seine Entdeckung und erste Deutung waren nur möglich durch die Zusammenarbeit mit einem verantwortungsbewussten Sondengänger aus der Gegend, der seine Funde dem Portable Antiquities Scheme gemeldet hat.“
Etwa 100 solcher Silbermünzen (sceat) wurden gefunden. Foto: Portable Antiquities Scheme.
Die Ergebnisse der gemeinsamen Erforschung sind spannend. Rund 100 Münzen (sceattas) aus der Zeit von 680 bis 790 n. Chr. sprechen für eine Besiedlung etwa in diesem Zeitraum.
Der erste Fund war ein kostbar verzierter silberner Schreibgriffel. 21 weitere folgten. Eine unerhört hohe Zahl für eine Siedlung dieser Zeit. Foto: Portable Antiquities Scheme.
Außerdem fanden sich 22 Schreibgriffel – eine außerordentlich hohe Zahl für diese Zeit, in der solch kostbare Werkzeuge einer intellektuellen Elite vorbehalten waren. Möglicherweise lebten Mönche an dem Ort. Auch 300 Gewandspangen, Tierknochen, Keramik und sogar Glasartefakte traten zu Tage.
In diese Bleitafel ist der Frauenname „Cudbert“ eingeritzt. Warum und von wem das gemacht wurde, ist nicht bekannt. Foto: University of Sheffield.
Von besonderem Interesse ist ein Bleitäfelchen, auf dem der Frauenname „Cudbert“ eingeritzt ist.
Der Doktorand Pete Townend unterstützte Dr. Willmott bei den Untersuchungen. Er führte geophysische und magnetometrische Surveys durch. Foto: University of Sheffield.
Verschiedene geophysikalische Begehungen und Grabungen helfen beim Verständnis der Anlage.
Während der Fundort heute im ebenen Land liegt (li.), zeigen Rekonstruktionen, dass die Siedlung um 750 n. Chr. inmitten einer Fluss- und Seenlandschaft lag und fast komplett vom Umland abgeschnitten war. Wichtigste Verbindung war vermutlich der Wasserweg. Quelle: University of Sheffield.
Außerdem zeigen sie, dass das besiedelte Gelände einst eine Art Insel im Marschland darstellte; damals war das Wasserniveau viel höher. Über Kanäle waren die Menschen mit dem Umland verbunden. Es scheint sich um ein wichtiges regionales Handelszentrum oder eine größere Klostersiedlung der Zeit zu handeln, das immerhin mehrere Jahrhunderte bestand.
Ein Siedlungsteil war offenbar für handwerkliche Nutzung vorgesehen, wie erste Grabungsbefunde zeigen. Foto: University of Sheffield.
Bei den Grabungen fanden die Archäologen auch Strukturen, die auf handwerkliche Nutzung hindeuten. Dr. Willmott äußerte gegenüber dem Guardian: „Es ist ganz klar eine wichtige sächsische Siedlung. Es handelt sich um eine der bedeutendsten Anlagen ihrer Art in dieser Gegend. Die Menge der Fundstücke auf dem Areal ist äußerst ungewöhnlich – es ist ganz klar kein Allerweltsfund.“
Das Ende der Anlage scheint mit dem Einbruch der Wikinger im 9. Jahrhundert zusammenzufallen. Auf eine Zerstörung durch marodierende Krieger haben die Archäologen bislang allerdings noch keine Hinweise.
Hier finden Sie einen Artikel im Guardian.
Auch die Daily Mail hat ausführlich berichtet.