12. Mai 2011 – Vom 29. April bis zum 1. Mai 2011 fand in Bad Säckingen ein Mittelalterfestival statt. Veranstalter war MPS, der weltgrößte reisende Veranstalter von derartigen Events. Die drei Buchstaben stehen dabei für Mittelalter – Phantasie – Spektakel.
Die Resonanz war gewaltig, ein guter Grund zu überlegen, warum das Mittelalter so in Mode ist, ohne daß Museen daraus mehr Nutzen ziehen können.
Das Plakat von MPS. Foto: KW.
Was ist Mittelalter?
Natürlich streiten sich darüber die Gelehrten. Aber Anfangs- und Enddaten interessieren die meisten Besucher eines solchen Mittelalterfestivals überhaupt nicht. Mittelalter, das ist einfach ganz weit weg: keine Technik, kein Staat, einfaches Leben und außergewöhnliche Kleidung.
In mittelalterlichen Gewändern fühlt man sich gleich ganz anders. Foto: UK.
Denn das Verkleiden gehört für echte Mittelalterfans dazu. Es gibt in Deutschland geradezu eine Mittelalterszene. Zu ihr gehören die Gothic, diejenigen, die sich einfach in Grabesmanier schaurig-schön in schwarze Gewänder hüllen und ihr Gesicht weiß anmalen, da gibt es diejenigen, die ihre Mittelalterkenntnisse aus Fantasy-Filmen beziehen, und diejenigen, die einfach einmal Spaß daran haben, ihre alltägliche Kleidung im Schrank zu lassen.
Historische Genauigkeit ist bei solchen Mittelalterfestivals nicht gefragt. Foto: UK.
Historische Genauigkeit scheint dabei Nebensache. Wichtig ist, daß alles möglich exotisch und sexy aussieht…
Was Mittelalter ist, wird zur Definition. Foto: UK.
…und man ein gutes Geschäft damit machen kann. Ob Fleischspießchen vom Grill, mittelalterliche Kartoffelnudeln, Schnäpse oder…
Eine große Auswahl an Schwertern. Foto: UK.
…beeindruckende Schwerter. Beim Wandern durch den „Mittelaltermarkt“ wird schnell klar, daß es nicht um Authentizität, sondern um den Gewinn geht.
Die Band Saltatio Mortis. Foto: Michael Müller.
Was soll’s, den Besuchern macht’s Spaß. Und an mittelalterliche Klänge erinnert das, was Bands wie Saltatio Mortis darbieten, nun wirklich nicht mehr. Können Sie selbst überprüfen, wenn Sie hier klicken.
Die Alamannen sind das Vorbild für diese Gruppe von Festteilnehmern. Foto: UK.
Auf der anderen Seite begegnet man dann auf einmal Besuchern, die sich tatsächlich mit der Zeit auseinandersetzen, in der sie ihre Kostüme ansiedeln. Die genau sagen können, welchem Volksstamm zu welcher Zeit ihre Ausrüstung nachempfunden ist. Hier zum Beispiel eine Gruppe aus dem Schweizerischen Solothurn, die sich die frühmittelalterlichen Alamannen als Vorbild gewählt hat.
Sie waren zunächst auch einfach nur „vom Mittelalter“ begeistert, haben sich dann aber damit beschäftigt und weitergemacht. Vielleicht liegt hier das Geheimnis. Vielleicht sollten unsere Museumsführungen weniger auf dem Zeigen und Erklären, sondern mehr auf dem Mitmachen beruhen, das Museum zu einem historischen Park werden, in dem jeder für kurze Zeit seine eigene Gegenwart vergessen darf, um in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Das Kunststück dabei muß sein, das Spiel wieder in die Wirklichkeit zu führen. Man darf nicht versäumen zu zeigen, daß auch das Mittelalter seine Probleme hatte. Ob das allerdings solche Besucher wissen wollen, muß dahingestellt bleiben.
Eine eigene Währung für das Mittelalter. Foto: UK.
Goldene Taler
Und Numismatik gab es natürlich auch auf dem Mittelalterfest. Man hat dafür „goldene Taler“ entworfen, die so „mittelalterliche“ Motive zeigen wie Hundeköpfe und Logos.
Geldwechsler auf Modern. Foto: UK.
Die interne Währung kann bei einem Geldwechsler eingetauscht werden. Und natürlich bekommt man an jedem Stand, wenn man mit „normalem“ Geld zahlt, goldene Taler heraus.
Halbe Goldtaler. Foto: UK.
Es gibt sie in 5-Euro, 2-Euro, 1-Euro und 1/2-Euro-Ausgabe, und jedes Jahr kommen zwei neue Ausgaben dazu.
Das ist wichtig, denn MPS will seine Besucher zum Sammeln anregen. Seit dem Jahr 2009 gibt es diese unsäglichen Taler. Bis 2016 wird es sie geben. Und die Besucher, die dann alle Ausgaben vorweisen können, die nehmen Teil an einer Verlosung. Ihre Teilnahme wird sie eine ganze Stange Geld gekostet haben: Ein Goldtaler entspricht einem Euro. Wenn man nun 8 Jahre lang die zwei Ausgaben in allen Nominalen sammelt, dann kommt da durchaus etwas zusammen. Und da sind all jene noch nicht einbezogen, die irgendwann stolz anfangen, ihre Sammlung anzulegen, um sie irgendwann zu vergessen.
Münzedikt aus dem 21. Jahrhundert.
Und damit wird es endlich richtig mittelalterlich: Ausbeutung der Marktteilnehmer durch die obrigkeitliche Währung. Und daß dazu ein Münzedikt gehört, nun das versteht sich von selbst.
Ein Besuch auf so einem Mittelalterspektakel kann nur empfohlen werden. Er ist lehrreich, und wirft einen auf die Frage zurück: Wie schaffen wir es, all diese Menschen für das wahre Mittelalter zu begeistern.
Weitere Impressionen zu spectaculum finden Sie hier.