16. November 2017 – Bis heute ist der Name Richard Löwenherz mit der legendenhaft verklärten Vorstellung vom idealen Ritter und tatkräftigen König verknüpft. Wie kommt es zu diesem Mythos? Was zeichnet die Figur Löwenherz aus, dass sie seit Jahrhunderten als Projektionsfläche für Ritterlichkeit und Wagemut dient? Erstmals überhaupt widmet sich eine große Landesausstellung dieser faszinierenden Herrschergestalt: Vom 17. September 2017 bis zum 15. April 2018 zeigt das Historische Museum der Pfalz in Speyer die einzigartige Sonderausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“.
Blick in die Ausstellung
Im Mittelpunkt dieser Schau steht Richards Lebensgeschichte, seine Herkunft, sein Aufstieg und sein tiefer Fall auf dem Höhepunkt der Macht. Der Ausstellungsrundgang endet mit einem Blick auf die Verschiebung der Machtverhältnisse in England und Europa nach seinem Tod. Die spannendste Frage aber ist, wie es Richard gelang – trotz seiner mit zehn Jahren vergleichsweise kurzen Herrschaftszeit, von der er nur sechs Monate in England verbrachte – zu einer der berühmtesten Persönlichkeiten des gesamten Mittelalters aufzusteigen. Sein Name reiht sich mühelos in die Liste bekannter Größen ein wie Karl dem Großen, Walther von der Vogelweide, Friedrich Barbarossa oder Hildegard von Bingen.
Weingartener Welfenchronik mit Darstellung Friedrichs I. Barbarossa und seiner Söhne, datiert zwischen 1185 und 1191. Handschrift D11, folg. 14r der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. © Hochschul- und Landesbibliothek Fulda.
In der Geschichtswissenschaft galt Richard Löwenherz lange als „schlechter König“, der sein Reich vernachlässigte, ihm enorme finanzielle Belastungen auferlegte und seine persönliche Ruhmsucht über die Interessen des Reiches stellte. Im öffentlichen Bewusstsein konnte sich diese Interpretation seiner Lebensgeschichte aber nie durchsetzen.
Kreuzfahrerpaar, zweite Hälfte 12. Jahrhundert. Musée Lorrain, Nancy. © Musée Lorrain, Nancy / Foto: Michel Bourguet.
Schon in jungen Jahren arbeitete Richard an seiner eigenen Glorifizierung. Er umgab sich mit zahlreichen Troubadouren, die seine ritterlichen Tugenden und den bedingungslosen Einsatz im Kampf besangen. So erhielt er schon zu Lebzeiten den berühmten Beinamen „Löwenherz“ und wurde in einem Atemzug mit dem mythischen König Artus genannt. Nicht zuletzt ermöglichte seine lange Abwesenheit während des Dritten Kreuzzuges und der anschließenden Gefangenschaft die Stilisierung Richards zum idealen König, ganz im Gegensatz zu seinem präsenten Bruder Johann Ohneland. In späterer Zeit verbanden sich Legenden wie die Sage von Blondel, der singend seinen gefangenen Herren sucht, sowie die Geschichten um Robin Hood mit seinem Namen und sorgten für die Tradierung des Mythos in Literatur, Film und Musik bis in die heutige Zeit.
Schachfigur aus Elfenbein: Turm mit Belagerungsszene, 12. Jahrhundert. Douai, Musée de la Chartreuse. © Douai, Musée de la Chartreuse. Foto: Daniel Lefebvre.
Als Ausstellungsort kann Speyer direkt an die Geschichte des berühmten Königs anknüpfen. Hier war es, wo Richard als Gefangener des Stauferkaisers Heinrich VI. am 22. März 1193 in einer Art Schauprozess mit einer langen Liste an Vorwürfen konfrontiert wurde. Über ein Jahr verbrachte der englische Herrscher in Gefangenschaft – auf der Reichsburg Trifels, in der Kaiserpfalz im heute elsässischen Hagenau sowie in Speyer, Worms und Mainz, den bedeutenden Städten am Oberrhein. Für seine Freilassung wurde ein Lösegeld von nie dagewesenem Ausmaß verlangt: 100.000 Mark, was 23 Tonnen reinem Silber entspracht. An Weihnachten im Jahr 1193 war Richard erneut in Speyer. In diesem Winter verfasste er sein Lied „Ja nus hons pris“, in dem er beklagt, dass er so lange auf die Aufbringung des Lösegeldes warten muss.
Abgüsse der Grabplatten Richards I. Löwenherz und Eleonores von Aquitanien, seiner Mutter, aus dem Jahr 1912. Cité de l’architecture et du patrimoine, musée des monuments francais de le Vendée, Paris, © Département de la Vendée CDME / Foto: Patrick Durandet.
Über 150 Exponate aus Museen und Bibliotheken in Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz sind in der Ausstellung zu sehen. Darunter kostbarste Handschriften, die erstmals in Deutschland gezeigt werden, Reliquiare, beeindruckende Skulpturen und Waffen. So gehören zu den besonderen Schätzen dieser Ausstellung eine frühe Ausgabe der Magna Carta, die ursprünglich von Richards Bruder Johann Ohneland erlassen wurde, das vergoldete und mit Edelsteinen besetzte Kreuz Heinrichs des Löwen, historische Abgüsse der Grabmäler von Richard Löwenherz, Heinrich II. und Eleonore von Aquitanien aus der Abtei von Fontevraud und der sogenannte „Kopenhagen-Psalter“, der zur Erziehung junger Adliger an einem europäischen Fürstenhof angefertigt wurde.
Eigens für die Ausstellung angefertigte Animationen zeichnen Richards Reisewege durch Europa nach und bieten einen lebendigen Einblick in die Welt des Mittelalters.
Weitere Informationen erhalten Sie auf der Webseite der Ausstellung.
Jüngst hat auch die Familienausstellung „Robin Hood“ des Jungen Museums Speyer eröffnet, zu der Sie hier alles Wichtige erfahren.
Und mehr über Richard Löwenherz und seine Münzprägung lesen Sie in diesem Artikel der MünzenWoche, „Richard Löwenherz ruiniert England“.