von Björn Schöpe
31. Oktober 2013 – Kulturgüterschutz ist wichtig. Was allerdings türkische Behörden unternehmen, wenn ein Tourist sich als Andenken ein „Kulturgut“ einsteckt, ist in Fragen der Menschenrechte bedenklich. Und es handelt sich keineswegs um Einzelfälle …
So warnt sogar das deutsche Ausländische Amt auf seinen Reiseinformationen zur Türkei: „Erwerb, Besitz und die Ausfuhr von ‚Kultur- und Naturgütern‘“ werde „hart geahndet“, wer im Besitz eines solchen gefunden werde, müsse mit Haftstrafen, Untersuchungshaft oder hohen Geldbußen rechnen. Und der Begriff Antiquität werde „weit ausgelegt“. Wie weit, davon berichten zahlreiche Artikel im Internet.
Kürzlich erzählte ein Numismatiker auf CoinsBlog von Freunden, die an einem türkischen Strand ein paar alte Münzen fanden, die ein Münzhändler auf wenige Dollar Wert schätzte. Sie hielten die Stücke also nicht für besonders schützenswertes Kultureigentum – und täuschten sich. Am Zoll festgehalten, in U-Haft, mit einem Anwalt, der kein Englisch sprach und seinem Mandanten empfahl, auf „nur“ drei Jahre Haft zu plädieren – das ist die Geschichte, die dank der Unterstützung der Botschaft zuletzt doch noch ein glimpfliches Ende nahm. Glimpflich heißt hier: die beiden kamen – geradezu in Lichtgeschwindigkeit wie ihnen die amerikanischen Behörden versicherten – mit nur zwei Wochen Verspätung aus dem Urlaub zurück …
Ein Schweizer Polizeikommandant dagegen wurde in der Türkei wegen Schmuggel zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr und 15 Tagen verurteilt sowie zur Zahlung einer Busse von umgerechnet 260 Schweizer Franken. In der Heimat hat dieses Urteil keine Konsequenzen: Die Schweizer Regierung entschied, dass seine Karriere darunter nicht leiden sollte: Er hatte ein etwa zwanzig Zentimeter großes Stückchen Marmor mitgenommen, das Experten als Teil eines Kapitells identifizieren wollten.
Ein Vater, der mit Schwerverbrechern in einer Zelle sitzt, weil sein neunjähriger Sohn einen angeblich antiken Stein mitgenommen hatte, ein Ehepaar, das auf einem Markt einen Brocken Marmor gekauft haben will, den es für eine moderne Kopie hielt, die Experten aber für echt antik einstuften. Der Ehemann konnte nicht heimkehren. Er musste in der Türkei auf seinen Prozess warten.
Vielleicht am deutlichsten veranschaulicht die Verfolgungswut des türkischen Zolls die Bemerkung eines Autors, er habe einmal ein Faksimile eines arabischen Textes gekauft, das der Zoll kurzerhand beschlagnahmen wollte, da es historisch sein müsse – ungeachtet des aufgedruckten Copyright-Vermerks aus den 1980er Jahren!
So traurig diese Geschichten sind, zur Zeit kann man wohl nur jedem Türkeireisenden raten, die Finger von allem wegzulassen, was auch nur für antik oder historisch gehalten werden könnte (inklusive Fossilien und anderen Naturobjekten!). Besserung ist nicht in Sicht.
Die Geschichte des amerikanischen Pärchens, das ein paar nahezu wertlose Münzen mitnehmen wollte, lesen Sie hier.
Über den Polizeikommandanten berichtete der Tagesanzeiger.
Die Erfahrung mit dem Faksimile machte der Autor dieses Artikels.
Andere Geschichten erzählen die Welt …
… und die BZ.
Die aktuellen Sicherheitsinformationen bietet die Seite des Auswärtigen Amtes.
Mehr Artikel zum Thema Kulturgüterschutz und der unter diesem Gesichtspunkt schwierigen Haltung der Türkei finden Sie in unserem Archiv.