von Ursula Kampmann
26. Januar 2017 – Es war kalt, bitterkalt, als Bundesrat Johann Schneider-Amman, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, Gottfried Locher, dem Ratspräsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds SEK, am 5. Januar 2017 nach Anbruch der Dunkelheit das erste offizielle Exemplar der Schweizerischen Reformationsmünze übergab. Es war deshalb so eiskalt, weil die Zeremonie nicht in, sondern vor dem Großmünster stattfand.
Die eigentliche Medienkonferenz wurde in der warmen Kirche abgehalten. Von links nach rechts: Michel Müller (Kirchenratspräsident Zürich), Corine Mauch (Bürgermeisterin von Zürich), Johann Schneider-Amman (Bundesrat) und Gottfried Locher (Ratspräsident des SEK). Foto: UK.
Wer darin eine kleine Anspielung auf die reformierte Opferbereitschaft und Verachtung der Körperlichkeit sehen will, geht fehl. Anlässlich des Reformationsjahres wurde eine Art geistlicher Sound & Light Show mit künstlerischem Anspruch geschaffen, deren Premiere man mit der Eröffnung des Reformationsjahres zusammengelegt hatte. Dass es in Zeiten des Klimawandels sogar im Schweizer Winter kalt sein kann, hatte das Organisationsteam nicht in seine Planung einbezogen.
Johann Schneider-Amman übergibt Gottfried Locher die Gedenkmünze zum Reformationsjubiläum. Foto: UK.
So war die Enthüllung des Motivs der Gedenkmünze wie die Übergabe selbst sehr kurz, knapp und trocken. Was schade ist, denn die Schweizer Reformation mit Zwingli und Calvin war mindestens genauso prägend für die Reformation wie ihre deutsche Variante mit Martin Luther. Und die Gedenkprägung steht in einer Jahrhunderte alten Tradition, numismatisch an den Beginn der Reformation zu erinnern.
Die neue Gedenkmünze: 20 CHF / 0,835 Silber / 20 g / 33 mm / Auflage: Unzirkuliert 30.000 in Blister (28.000) und Folder (2.000), PP 5.000.
Auf der Schweizer Gedenkmünze sind links Calvin, rechts Zwingli dargestellt. Zwingli ein wenig hinter Calvin, was historisch gesehen nicht korrekt ist, da Huldrych Zwingli (1484-1531) 1522 den Beginn der Schweizer Reformation inspirierte, nicht etwa mit einem Thesenanschlag, sondern mit einem großen „Wurstessen“.
Zürich. Dukat 1819 auf die 300-Jahrfeier der Reformation. Aus Auktion Künker 283 (2016), 5938.
Das „Froschauer Wurstessen“ fand am 5. März 1522, einem Aschermittwoch(!), statt. Christoph Froschauer gehörte zu den Anhängern der Reformation und demonstrierte mit seiner Fastenkost – dünne Scheiben von Rauchwurst auf Fasnachts-Chüechli – gegen das nicht-biblische Fastengebot der katholischen Kirche. Diesem Vergehen widmete der Große Rat der Stadt Zürich eine Untersuchung. Zwingli, der selbst nicht an der Demo teilgenommen hatte, verteidigte seinen Verleger mit einer Schrift, in der er gleich alle nicht-biblischen Gebote der Kirche in Frage stellte. Der Zürcher Rat folgte ihm in seiner Argumentation und ein knappes Jahr später wurden nach der Ersten Zürcher Disputation alle katholischen Fastenvorschriften aufgehoben. Wir können an dieser Stelle sicher nicht die wesentlichen Stationen der Schweizer Reformation nachvollziehen. Fassen wir es einfach so zusammen: Von Zürich aus verbreiteten sich die Ideen Zwinglis in einer Reihe von schweizerischen Städten.
Zürich. Bronzemedaillon 1835 von A. Bovy. Aus Auktion Sincona 29 (2016), 2390.
Jean Calvin (1509-1564) war seit 1541 der unbestrittene Reformator der Stadt Genf. Er gilt als Begründer des Calvinismus, der wohl strengsten Interpretation der Bibel, in der ein Vorrang des Geistlichen über das Weltliche gefordert wurde. Vor allem deshalb stritt sich Calvin immer wieder mit dem Rat von Genf. Vor allem deshalb galt der Augsburger Religionsfrieden nicht für die Anhänger des Calvinismus. Vor allem deshalb flohen viele Calvinisten in die Neue Welt, wo ihre Form der Gläubigkeit zum Fundament der Vereinigten Staaten von Amerika wurde.
Felix Manz wird in der Limmat ertränkt. Darstellung vom Beginn des 17. Jh.
Einer fehlt auf dieser Münze, und das ist schade. Denn zusammen mit der Zürcher Reformation entstand auch die Täuferbewegung um Felix Manz und Konrad Grebel. Die Täufer forderten nicht nur die Erwachsenentaufe. Ihnen ging die ganze kontrollierte, vom Staat organisierte Reformerei nicht weit genug. Sie wollten die Bilder verbrennen, die Kirchen niederreißen (oder wenigstens säubern) und jegliche Form des staatlichen Zwangs unterbinden. Der Zürcher Rat ließ daraufhin eine Disputation durchführen, in der die Täufer unterlagen. Was niemanden überraschte. Die Täufer wurden entweder zur Aufgabe ihres Glaubens oder zur Auswanderung gezwungen. Felix Manz predigte weiter. Damit handelte er sich im Jahr 1527 ein Todesurteil ein. Er wurde ertränkt, eine besonders schändliche Todesart.
Er war nicht der einzige Reformator, der eines gewaltsamen Todes starb. Zwingli geriet nach der Schlacht bei Kappel in Gefangenschaft. Die (katholischen) Innerschweizer, die sich gegen Zürcher Expansionsversuche zur Wehr gesetzt hatten, töteten ihn, vierteilten seinen Leichnam und verbrannten die Reste, um die Asche in den Wind zu streuen.
Einzig Jean Calvin starb nach langer Krankheit in seinem eigenen Bett. (Wenn man katholischen Gerüchten glauben will, zerfressen von Geschwüren und unter schrecklichen Schmerzen, genau wie der Erzschurke Herodes.) Auch Calvins Hände waren nicht frei von Blut. So hatte er zum Beispiel an der Hinrichtung von Michael Servetius mitgewirkt, weil der seine eigenen Vorstellungen von der Dreifaltigkeit nicht teilte.
Wenn wir heute den Beginn der Reformation feiern, sollten wir daran denken, dass auch die Christenheit auf eine Vergangenheit zurückblickt, in der es nicht selbstverständlich war, den theologisch Andersdenkenden am Leben zu lassen. Die Reformation hat ihr Gedankengut auf Strömen von Blut verbreitet. Genauso wie es die katholische Kirche Jahrhunderte lang getan hatte und nach der Reformation weiter tun sollte. Sie reformierte sich übrigens mit dem Konzil von Trient radikaler als es sich einer der ersten Reformatoren je hätte träumen lassen…
Wenn sich nach dem Reformationsjubiläum ein paar Menschen mehr bewusst sein würden, dass Radikalismus im Glauben nie zu guten Ergebnissen führt, dann hätte sich dieses Jubiläum wahrlich gelohnt!
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Der Reformations-Truck tourt durch 19 europäische Länder und hält an den wichtigsten Stationen der Reformation. Schauen Sie nach, ob Ihre Stadt auch dabei ist.
Die Reformierte Kirche Zürich bietet eine Fülle von Informationen über Huldrych Zwingli.
Und Johannes Calvin hat eine eigene Website.
Schweiz Tourismus wirbt mit diesen großen Vertretern des Landes.
Felix Manz ist nicht so repräsentativ vertreten, aber immerhin widmet ihm die NZZ diesen interessanten Artikel.