Es gibt in der internationalen Welt der Münzen ein paar Fixtermine. Zu ihnen gehört Mitte August die „ANA“ – kurz und inoffiziell für die World’s Fair of Money der American Numismatic Association. Sie fand auch 2022 in Rosemont statt, jener von Münzhändlern aus aller Welt gefürchteten Retortenstadt nahe dem internationalen Flughafen von Chicago. Denn wer in Rosemont sein Quartier hat, der hat nicht viel Wahl. Es gibt nur eine begrenzte Auswahl sehr teurer Hotels mit dem Charme der 1970er Jahre. Die wenigen Restaurants sind zumeist überfüllt, weswegen man eine Reservierung braucht, wenn man plant, am Abend essen zu gehen. Einen Lebensmittelladen oder Kiosk sucht man vergebens, und um den kleinen Foodcourt in der benachbarten Shopping Mall aufzusuchen, muss man – hin und zurück – rund eine Dreiviertelstunde einplanen.
Deshalb hat sich außerhalb der eigentlichen World’s Fair of Money eine kleine Parallelwelt gebildet. Die Großhändler und Münzstättenvertreter sind auf eigene Faust und unorganisiert nach Downtown Chicago umgezogen, um dort die attraktive Stadt mit ihrer reichen Auswahl an exquisiten Restaurants genießen zu können. Nur noch drei Münzstätten sind überhaupt mit einem Stand auf der ANA vertreten, die einheimische US-Mint, die Royal Canadian Mint und die Pobjoy Mint. Das hat für einige Fachbesucher den Nachteil, dass sie mit enormen Transportkosten rechnen müssen. Denn der öffentliche Verkehr ist nicht wirklich attraktiv und selbst ein Uber-Transport vom Rosemont-Center nach Downtown kostet rund 50 $.
Doch das dürfte den meisten Besuchern der World’s Fair of Money ziemlich egal sein. Wer nur kommt, um Münzen zu kaufen und / oder zu verkaufen, für den bietet die World’s Fair of Money ideale Voraussetzungen.
Die Infrastruktur
Gedränge um die Stände, wie man es auf anderen Börsen vor allem in den ersten Stunden erlebt, gibt es bei der ANA kaum. Dafür ist sie zu groß und vor allem zu lang. Am Montag um 10.00 Uhr beginnt sie mit dem Händlertag, vom Dienstag bis zum Samstag ist sie jeweils von 10.00 bis 18.00 Uhr resp. am letzten Tag bis 16.00 Uhr geöffnet. Viele können sich eine solch lange Abwesenheit vom eigenen Büro nicht leisten. Deshalb ist eine der häufigsten Fragen unter Händlern: „Wie lange bist Du noch da?“ Man weiß, dass viele bereits vorzeitig abreisen, so dass hinterm Tisch eine reduzierte Mannschaft zurückbleibt, wenn der Stand überhaupt noch besetzt ist.
Die attraktive Kehrseite der langen Dauer ist die Möglichkeit, intensive Gespräche zu führen. Denn jeder, der die komplette ANA absolviert, hat Zeit und freut sich, wenn er diese mit interessanten Diskussionen füllen kann.
Wobei dieses Jahr das Geschäft sicher nicht zu kurz kam! Eigentlich war jeder mehr oder weniger zufrieden. Viele äußerten sich sogar enthusiastisch. Vor allem das B2B Geschäft, also der Münzhandel unter Händlern, florierte. Kein Wunder, derzeit wird überall via Internet bestens verkauft und irgendwo muss der Nachschub auch herkommen. Da war die ANA eine gute Möglichkeit für den Einkauf. Das Angebot war attraktiv. Wir dürfen nicht vergessen, dass die ANA die erste große Münzbörse nach Corona war, die von einem internationalen Publikum besucht wurde. Deshalb hatten alle frische Ware dabei.
Ein Käufer hatte also die Möglichkeit, Reihen um Reihen von Münzhändlern abzuschreiten. Der Verkaufsbereich ist tatsächlich so groß, dass man sich verirren kann – der Autorin dieses Artikels passierte das gleich zweimal. Ein eigener Teilbereich ist für die Händler reserviert, die mit antiken Münzen und Münzen aus aller Welt handeln, wobei der eher zu klein war. Etliche europäische Händler hatten keinen Platz mehr hier gefunden.
Neues von der US-Mint
Eine wichtige Rolle spielt auf der World’s Fair of Money traditionell die US-Mint, die immer einen großen Stand aufbaut, an dem man weit mehr tun kann als die neuesten Gedenkmünzen erwerben. Häufig ist an diesem Stand auch der Direktor der US-Mint anwesend. Meist für ein oder zwei Stunden. Noch nie war ein Direktor so lange da wie die neue Direktorin, die erste Afroamerikanerin, die als Münzmeisterin der US-Mint amtiert. Ventris C. Gibson, eine freundlich lächelnde Frau, die man sich auf den ersten Blick gerne als die eigene Großmutter vorstellen möchte, ist eine Naturgewalt, sobald sie um ihre Meinung gefragt wird. Denn sie hat Meinungen, und zwar sehr dezidierte. Was nicht heißt, dass sie sich gnadenlos durchsetzen will. Im Gegenteil. Ventris Gibson kann zuhören. Das hat sie in ihren ersten Wochen in der Münzstätte bewiesen. Sie hat sich alle Vorgänge im Rahmen der Münzherstellung angesehen und lange mit denen gesprochen, die für die jeweiligen Aufgaben zuständig sind. Wir sprechen hier nicht von fünf Minuten, sondern von Stunden. Und mehr als das: Sie hat die innere Größe, andere zu Wort kommen zu lassen. Bei der Fragerunde für Journalisten gab sie im Bedarfsfall das Wort an den zuständigen Fachmann weiter, ohne jegliche Furcht, sie könne dadurch auch nur ein Stückchen Autorität einbüßen. Das hat sie auch nicht getan, im Gegenteil.
Es war ein äußerst interessantes Podium, bei dem man zum Beispiel erfuhr, wie wichtig der Heimatmarkt für die US-Mint ist. Nur ein winziger einstelliger Prozentsatz der Prägung wird exportiert, wobei Deutschland der bedeutendste Abnehmer ist. Hier wäre also durchaus noch Luft nach oben. Auch Lateinamerika scheint als Absatzmarkt immer wichtiger zu werden, wenn es um Gedenk- und vor allem Bullionmünzen geht.
Interessant war auch die soziale Komponente, die in den Antworten von Ventris Gibson mitschwang. Befragt nach dem in der Produktion zu „teuren“ 1 Cent-Stück, wies sie darauf hin, dass es gerade in Zeiten wie diesen viele Menschen auf der Straße gäbe, die auf diese kleinen Münzen angewiesen seien, um zu überleben. Natürlich würde regelmäßig überprüft, ob ein Münztyp nicht günstiger hergestellt werden könne. Aber dabei habe man nicht nur die Kosten der US-Mint im Blick, sondern auch alle Folgekosten. Wie sinnvoll. Denken wir zum Beispiel daran, wie viele Automaten, Parkuhren und Geldlogistikzentren neu ausgestattet werden müssten, wenn sich zum Beispiel das Gewicht des Quarters ändern würde, relativieren sich die Einsparungen.
Ein Paradies für den sammelnden Nachwuchs
Wer jemals die Website der US-Mint besucht hat, wird begeistert darüber sein, was dort für Kinder geboten wird. Da gibt es Spiele und besondere Videos, lustige Versuche mit Münzen und natürlich kindgerecht aufbereitete Informationen rund ums Geld und das Münzsammeln. Vor Ort bekam jedes Kind ein Malbuch zusammen mit Wachsmalkreiden. Und das war nicht die einzige Aktivität, die möglich war.
Gleich am Eingang empfingen „Abraham Lincoln“ und „Benjamin Franklin“ die Besucher. Sie konnten vor passendem Hintergrund ihr Foto mit der historischen Berühmtheit machen konnten. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene machten gerne von dieser Möglichkeit Gebrauch.
In der Nähe der US-Mint gab es einen großen Stand mit Münz-Aktivitäten für Kinder. Am beliebtesten war ein Quiz. Bei der Beantwortung der vielen Fragen halfen etliche Münzhändler, die durch ein eigens am Stand angebrachtes Schild ihre Bereitschaft dazu erkennen ließen.
Ausstellungen, Vorträge, Awards und Sitzungen – Das Rahmenprogramm
Die World’s Fair of Money ist nicht wie die Berliner World Money Fair ein rein kommerzielles Unternehmen, sondern wuchs aus einem jährlichen Treffen aller Mitglieder der American Numismatic Association. Mit anderen Worten, die Münzbörse ist ein Teil, wenn auch inzwischen der bedeutendste, eines viel größeren Gesamtgeschehens.
Drei Seiten umfasst zum Beispiel das Vortragsprogramm, das ein interessierter Sammler absolvieren kann. Die Themen reichen dabei vom mittelalterlichen Penny bis zu einer Analyse neuester Trends auf dem Münzmarkt.
Genauso vielseitig sind die Themen, denen ANA-Mitglieder ihre kleinen numismatischen Ausstellungen widmen, für die jedes Jahr Awards vergeben werden.
Die ANA stellte übrigens selbst einige ihrer großen Schätze aus. Wer amerikanische Raritäten sehen wollte, war am richtigen Ort. So wurde nicht nur eine Sammlung von Medaillen ausgestellt, die sich mit George Washington beschäftigten, sondern auch ein kupferner Lincoln-Cent des Jahres 1943, als aus Gründen der Metallknappheit die Ronden aus verzinktem Stahl bestanden.
Tief beeindruckend waren die Funde aus dem Wrack der SS Central America, die 1857 sank. Auf ihr reisten Goldsucher zurück in die Heimat. Deshalb spiegeln die Funde die Welt der Goldsucher. Und da ist es dann schon berührend, eine alte Jeans zu sehen, wie sie vielleicht irgendwann Levi Strauss anfertigte. Oder die Schürfpfannen und Goldbeutel. Nicht zu vergessen, ein Exemplar des Grafen von Monte Cristo, mit dem sich ein Goldsucher vielleicht am Abend über den ausbleibenden Erfolg hinwegtröstete.
Was kann man also zusammenfassend sagen zur ANA? Vielleicht Folgendes: Dass es an ihr das eine oder andere durchaus zu verbessern gäbe (zum Beispiel wären neue Tischlampen durchaus keine Verschwendung). Dass Verbesserungen aber gerade deshalb von existentieller Bedeutung sind, weil der amerikanische Münzenmarkt die World’s Fair of Money braucht und nicht auf sie verzichten kann. Sie ist nicht nur für die Wahrnehmung der ANA zentral, sondern auch für die Verbindung zwischen europäischem und amerikanischem Münzenmarkt, und das gilt natürlich auch – selbst wenn sie nicht vor Ort tagten – für Münzstätten und Großhändler.
Der Fixtermin im numismatischen Kalender wird auf jeden Fall bleiben. Und für alle, die von Rosemont jetzt wirklich genug haben: 2023 geht die ANA nach Pittsburgh, und zwar in die Innenstadt. Nutzen Sie die Gelegenheit, ehe die World’s Fair of Money 2024 wieder in das wirklich scheußliche Rosemont zurückkehrt.
Auf unseren Artikel erhielten wir Zuschriften von ANA-Mitgliedern, die uns erklärten, warum die ANA ihre Börse gerade in Rosemont und nicht in einer Stadt wie Chicago abhält. Dies ist speziellen Umständen in den USA geschuldet, die außerhalb des Landes kaum bekannt sein dürften. Wir werden dazu bald ein Interview mit der ANA veröffentlichen.
Die Daten der World’s Fair of Money finden Sie auf der Website der ANA. Es gibt übrigens neben den internationalen Veranstaltungen auch nationale Treffen, die an ständig wechselnden Orten durchgeführt werden.