Wer im Urlaub gerne mal ein Stückchen Marmor oder eine Scherbe vom Ausgrabungsplatz als Souvenir mitnimmt, sollte sich vorher gut informieren, wie die örtlichen Behörden dazu stehen. Was auf den ersten Blick bestenfalls als Kavaliersdelikt erscheinen mag, kann im Irak mit einer langjährigen Gefängnisstrafe oder sogar dem Tod geahndet werden. Diese Erfahrung mussten jetzt ein britischer und ein deutscher Tourist machen.
Kulturtourismus mit Folgen
Der britische Geologe im Ruhestand James (Jim) Fitton, 66, war zeit seines Lebens beruflich und privat um die Welt gereist und brachte immer wieder gerne kleine Souvenirs mit. Ein Verbrecher sei er selbstverständlich nicht, stellt seine Familie in zahlreichen Medien klar.
Im März besuchte Jim Fitton den Irak und dort auch die Ausgrabungsstätte Eridu. Neben dem Weg sah er einen Haufen Stein- und Keramikfragmente liegen. Der britische Reiseleiter erklärte, diese hätten keinen finanziellen oder historischen Wert und man könne sich durchaus ein paar mitnehmen. Bestätigen konnte der Reiseleiter diese Darstellung nicht, denn er verstarb am Ende der Reise infolge eines Schlaganfalls, wie Fittons Familie in ihrer Onlinepetition berichtet.
Fitton bediente sich jedenfalls an jenem Tag und nahm eine Handvoll Scherben und Steinfragmente mit. Aus Platz- oder Gewichtsgründen bat er später einen deutschen Mitreisenden, ein paar dieser Objekte in seinem Koffer zu transportieren. Der 60-jährige Deutsche Volker Waldmann tat Fitton den Gefallen.
Am 20. März 2022 wollte die Gruppe ausreisen, doch am Zoll stießen die Beamten auf die Objekte. Fitton und Waldmann wurden wegen des Verdachts, antike Gegenstände außer Landes schmuggeln zu wollen, verhaftet und kamen in Untersuchungshaft.
Vor allem Fittons Familie wurde aktiv. Seine Kinder und sein Schwiegersohn Sam Tasker kontaktierten das britische Konsulat, ersuchten auch das Außenministerium um Unterstützung und starteten eine Onlinepetition. Denn inzwischen hatten sie erfahren, dass auf den Anklagepunkt nicht nur hohe Geldbußen und Haftstrafen von bis zu fünfzehn Jahren, sondern sogar die Todesstrafe steht.
Ein hartes Urteil
Am 15. und 22. Mai 2022 tagte das Gericht. RTL News zufolge erklärten die Angeklagten, dass ihnen nicht bewusst gewesen sei, etwas Verbotenes zu tun. Einige der Scherben seien kleiner gewesen als sein Fingernagel, so Fitton, und als Geologe sei es nunmal sein Hobby, Steine und dergleichen zu sammeln und mitzunehmen. Er habe sie auch nicht weiterverkaufen wollen. Den Richter beeindruckte das nicht, er sah einen klaren Verstoß gegen irakisches Recht. Dieses bestraft bereits den Besitz, Handel und illegale Ausfuhr schwer und erwartet eine umgehende Meldung bei den Behörden, sollte man auch nur ein möglicherweise über 200 Jahre altes Objekt geschenkt bekommen.
Waldmann berief sich darauf, dass er gar nicht gewusst habe, woher die Objekte stammten, geschweige denn, dass er sich mitschuldig gemacht habe. Fitton bestätigte die Aussage.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
James Fitton wurde mittlerweile zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. Damit wäre er bei seiner Entlassung über 80 Jahre alt. Angeblich habe man ihm bei dem Strafmaß sein hohes Alter schon angerechnet.
Volker Waldmann hatte Glück im Unglück: Das Gericht folgte der Darstellung seines Verteidigers und meinte ihm keine wissentliche Straftat nachweisen zu können. Waldmann wurde freigesprochen und wollte umgehend nach Deutschland zurückkehren.
Für Fitton und seine Familie geht der Kampf weiter. Seine Angehörigen äußerten ihre Enttäuschung darüber, dass die britischen Stellen nicht auf die irakischen Behörden eingewirkt hätten. Die BBC zitierte in der Tat eine Stellungnahme des britischen Außenministeriums, dass man auf rechtliche Verfahren im Ausland keinen Einfluss nehmen könne. Fitton kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Der Richter soll übrigens geäußert haben, die Scherben und Marmorfragmente kämen in ein Museum.
Planen Sie Ihren Urlaub gut!
Schon vor fast zehn Jahren haben wir einmal Meldungen gesammelt, in denen es um drakonische Strafen in der Türkei ging. Dort wurden Menschen zu hohen Geldbußen und Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie irgendwo etwas eingesammelt oder gekauft hatten.
Was unschuldig wirkt und gemeint sein mag, sehen manche Länder völlig anders. Antikenschmuggel und illegaler Handel mit Antiken ist in vielen Ländern des Nahen Ostens ein Problem. Ob derart harte Strafen auch in solchen Fällen das Problem lösen, darf bezweifelt werden. Wenn Sie aber vermeiden möchten, am Ende Ihres Urlaubs im Gerichtssaal zu sitzen, informieren Sie sich vorab gründlich.
Das deutsche Auswärtige Amt gibt zu allen Ländern Informationen für Reisende heraus.
Dort finden sich entsprechende Hinweise auf harte Strafen z.B. bei der Türkei und Irak. Nehmen Sie diese Angaben ernst!
Über den Fall berichteten RTL News und Euronews.
International berichteten Daily Mail und BBC.
Der BBC gegenüber äußerten sich auch Fittons Angehörige, die außerdem eine noch laufende Onlinepetition starteten.