von Ursula Kampmann
12. April 2018 – Der Gedanke ist verführerisch: Man gewinnt und bindet Münzsammler, indem man sie regelmäßig mit Gedenkmünzen zum Nominalpreis versorgt. Diese sehen nicht nur schön aus, sondern sind wegen eines Silberanteils in der Legierung auch wertbeständig und deshalb in weiten Kreisen der Bevölkerung sehr begehrt. Mit diesen Münzen kann ein Gewinn erzielt werden, da viele Käufer die Münzen nicht in den Geldumlauf einspeisen, sondern horten. Doch gerade aus diesem Grund hat der schöne Marketing-Trick hat auch seine Schattenseiten.
Historischer Silberpreis in US-Dollar sowie inflationsbereinigter Silberpreis. Quelle: Realterm / Wikipedia. BY-CC 3.0.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Der Silberpreis ist Schwankungen unterworfen
Eigentlich sind wir uns alle dessen bewusst: Der Silberpreis ist zum Teil enormen Schwankungen unterworfen. Aber es gibt eine kleine Nebenerscheinung, die einem nicht sofort ins Auge springt: Der Kurs für die Edelmetalle Silber und Gold steht in direkter Verbindung mit der Nachfrage nach Münzen – gleich ob numismatische Prägungen vor 1945 oder zeitgenössische Münzausgaben.
Es ist eigentlich einfach: Sobald das Vertrauen der Anleger in die wirtschaftliche Prosperität zurückgeht, also sobald die Aktienkurse fallen und an der Stabilität unserer Währungen gezweifelt wird, legen größere Kreise von Menschen ihr Geld in Anlageprodukte an – oder in das, was sie für Anlageprodukte halten. Deshalb ist die Nachfrage nach Gedenkmünzen mit einem Silberanteil in der Legierung besonders dann sehr hoch, wenn auch der Silberkurs hoch ist. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass diese Münzen genau dann in Mengen in Umlauf gesetzt (bzw. der Münzstätte / Nationalbank returniert) werden, wenn der Silberkurs im freien Fall ist.
Deshalb ist es von höchster Bedeutung, den Nominalwert solcher Münzen so zu wählen, dass man auch bei einem stark gefallenen Silberkurs keine zu großen Verluste drohen.
Österreichische 100 Schilling-Umlauf-Gedenkmünze von 1979.
Ein Musterbeispiel für die silberne Gefahr: Der Fall „Österreich“
Geradezu ein Lehrstück, wie gefährlich die unüberlegte Ausgabe von Gedenkmünzen bei explodierenden Silberpreisen sein kann, bietet das Beispiel der österreichischen 500 Schilling-Gedenkmünzen, die in den 80er Jahren geprägt und verkauft wurden.
Sie erinnern sich sicher: Diese numismatische Episode fand statt auf dem Hintergrund der großen Silberspekulationen der Gebrüder Hunt. Diese zwei Spekulanten, deren Familie als Vorbild der seinerzeit recht bekannten US-amerikanischen Fernsehserie „Dallas“ gedient haben soll, glaubten den Silbermarkt beherrschen zu können. Sie trieben den Preis für die Unze Silber von 6,70 $ (Februar 1974) auf 52,50 $ (18. Januar 1980), ehe der Silberpreis zusammenbrach, um im Juni 1982 wieder bei 5,00 $ zu enden.
Das Problem bei diesen Spekulationen war die Tatsache, dass ein Finanzministerium und seine Münzstätte – in diesem Fall das österreichische Finanzministerium und das Österreichische Hauptmünzamt, natürlich nicht in der Lage waren, schnell genug auf die dramatischen Änderungen des Marktes zu reagieren.
1979 gab das österreichische Finanzministerium, wie seit Jahren üblich, vier Emissionen von 100 Schilling-Umlauf-Gedenkmünzen heraus, und das mit einem Nominalwert von insgesamt 8,335 Mio. Schillingen. Die Münzen verkauften sich sofort, denn der Silberpreis war am Steigen. Am 18. Januar 1980 betrug allein der Materialwert eines 100 Schilling-Stücks fast 25 Dollar. Das entsprach etwa dem Dreifachen des Nennwertes und musste natürlich die Ausgabepolitik des Finanzministeriums ändern.
Österreichische 500 Schilling-Umlauf-Gedenkmünze von 1980.
Das setzte nun den Nennwert auf 500 Schilling hoch. Doch noch vor Ausgabe der ersten 500 Schilling-Umlauf-Gedenkmünze platzte die Silberblase und der Silberpreis fiel. Das erste verausgabte Stück hatte am Tag seiner Ausgabe noch gute 7 Dollar Materialwert, und das entsprach knapp einem Fünftel seines Nominalwerts.
Außerdem ging mit dem Fallen des Silberpreises – siehe oben – das Interesse am Sammeln von Münzen zurück. Die verausgabten Münzen fanden nicht genügend Käufer und die Auflagen konnten gar nicht so schnell gesenkt werden, wie das Interesse nachließ. Wurde die zweite Umlaufgedenkmünze des Jahres 1980 noch mit einer Million Stücken ausgegeben, fiel die Auflage bei der dritten Emission auf 750.000, um im selben Jahr bei 500.000 Stücken zu enden. Auch das Hochsetzen des Silberfeingehalts zwei Jahre später brachte das Interesse der Käufer nicht mehr zurück.
Auch Umlauf-Gedenkmünzen sind ein Teil der umlaufenden Geldmenge, der sich schnell summieren kann, vor allem weil kaum etwas an die Nationalbank zurückfließt. In Blau ist der Nominalwert der ausgegebenen Gedenkmünzen angegeben, in Orange der sich anhäufende Nominalwert.
Die Gefahr „schlafender“ Münzen
Und dabei hatten das österreichische Finanzministerium noch großes Glück. 1980 war konjunkturell gesehen kein schlechtes Jahr. Die Bürger des Landes sahen keine Notwendigkeit, ihre „schlafenden“ Umlauf-Gedenkmünzen wieder in den Geldkreislauf einzuspeisen. Deshalb beschränkte das Finanzministerium seine Maßnahmen auf eine Anpassung der Prägezahlen und unternahm sonst nichts.
Ein gefährliches Versäumnis, denn die Münzen blieben natürlich umlauffähig und summierten sich allmählich zu einem großen Teil des potentiell verfügbaren Bargeldes. Ende des Jahres 1987 standen in Österreich einem Banknotenumlauf von rund 98 Milliarden Schillingen ein Münzumlauf von 25 Milliarden gegenüber, von dem mehr als 18 Milliarden auf die gehorteten Umlauf-Gedenkmünzen entfielen.
Die Oesterreichische Nationalbank fand einen Ausweg aus dieser gefährlichen Situation: Sie kaufte dem Österreichischen Staat sein Prägerecht und die Münzstätte ab. Beides wurde in eine Aktiengesellschaft, die Münze Österreich AG, überführt und für 8 Milliarden Schilling an die Oesterreichische Nationalbank verkauft. Die Verantwortung, allfällige Rückgaben der Gedenkmünzen finanziell auszugleichen, blieb auch nach dem Verkauf beim österreichischen Finanzministerium.
Mit einer vorsichtigen Erhöhung des nominellen Geldumlaufs durch die Ausgabe von Bullionmünzen gelang es der OeNB in Zusammenarbeit mit der Münze Österreich, den gefährlich hohen Anteil der Gedenkmünzen am theoretischen Geldumlauf relativ schnell auf einen erträglichen Prozentsatz zu senken. Ein verträglicher Abbau dieses Berges an Umlauf-Gedenkmünzen erfolgte wirtschaftlich verträglich über mehrere Jahrzehnte.
Die deutsche Umlaufgedenkmünze 2011 „125 Jahre Automobil“ ohne Silber – ein echter Ladenhüter. Foto: Stphn / BY-CC 4.0.
Ein neuer Silberboom und drei Reaktionen: Deutschland, die Schweiz und Österreich
Ein einmaliges Ereignis? Nein, natürlich nicht. Der Silberpreis steigt und fällt. Und in der ersten Jahreshälfte 2011 war der Silberpreis wieder einmal so gestiegen, dass vielerorts überlegt wurde, wie man Nominalwert und Materialwert der auszugebenden Umlauf-Gedenkmünzen mit Silbergehalt in ein vernünftiges Verhältnis setzen könnte.
Deutschland entschied sich damals, den Nominalwert nicht zu erhöhen, sondern zwei Versionen jeder Umlauf-Gedenkmünze herzustellen: Eine Sammlerversion in Silber, die bei der Versandstelle für Sammlermünzen gegen einen jederzeit änderbaren Aufpreis gekauft werden konnte, und eine Umlauf-Gedenkmünze ohne Silberanteil, die es weiterhin zum Nennwert bei den Banken gab.
Das resultierte in einem zurückgehenden Interesse der Bevölkerung an den Umlauf-Gedenkmünzen ohne Silber. Die Auflage fiel von rund 1,8 Mio (2011) auf 1,5 Mio. (2012), 1,3 Mio. (2013), 1,2 Mio. (2014) und 1,1 Mio. (2015). Im April 2015 entschied das deutsche Finanzministerium, seine Entscheidung rückgängig zu machen, und die Umlauf-Gedenkmünzen wieder in Silber auszugeben. Allerdings wurde gleichzeitig der Nominalwert der Prägungen neu auf 20 Euro hochgesetzt.
In der Schweiz entschied man sich, einen anderen Weg zu gehen. Dort werden seit 2011 alle Umlauf-Gedenkmünzen – gleich ob in unzirkuliert oder Polierter Platte – für einen Aufpreis via Swissmint verkauft. Zunächst hob man den Verkaufspreis auf 30 Franken an, senkte ihn nach Rückgang des Silberpreises anfangs 2012 auf 25 Franken, um ihn Anfang 2017 wieder auf 30 Franken anzuheben. Allerdings scheint auch diese Maßnahme dem Verkauf der Münzen nicht gut getan zu haben. Die Prägezahl wurde von 50.000 Stücken im Jahr 2015 auf 35.000 Stücke gesenkt.
Die österreichische Kupfermünze 2011 wurde zu einem vollen Erfolg. Foto: Münze Österreich.
Einen völlig anderen Weg ging die Münze Österreich, wobei man erwähnen muss, dass diese Münzstätte mittlerweile nur noch ein Minimum an Umlauf-Gedenkmünzen ausgibt. Sie stoppte beim Ansteigen des Silberpreises die Ausgabe von Umlauf-Gedenkmünzen mit Silberanteil zum Nennwert völlig, um Zeit zum Nachdenken über ein neues Konzept zu gewinnen. Am 14. Dezember 2011 war es so weit. Es erschien eine neue Umlauf-Gedenkmünze, allerdings nicht in Silber, sondern in Kupfer.
Sie hat sich mittlerweile zu einem äußerst beliebten Sammelobjekt entwickelt und wird auch von Nicht-Sammlern gerne gekauft und verschenkt. Denn die Marketingabteilung der Münze Österreich hatte die geniale Idee, sie in einer ansprechenden Verpackung als optimales Geschenk anlässlich von Besuchen zwischen Weihnachten und Neujahr zu etablieren. Die Prägezahl mit 300.000 Stück liegt dabei etwa bei dem Doppelten dessen, was in Normalqualität vorher für die silbernen Versionen geprägt wurde.
Die kanadische Variante
Die Royal Canadian Mint ging anlässlich des Silberbooms einen komplett anderen Weg. Sie nutzte den Hype, der auf einmal in Sachen Silber entstand, um 2011 ihr Face Value Program zu lancieren.
Trotz des großartigen Namens ist dieses Face Value Program im Grunde nichts anderes als die Umlauf-Gedenkmünzen mit Silberanteil, die in Europa ausgegeben werden. Mit einem wesentlichen Unterschied: Während die europäischen Vorbilder tatsächlich legal tender sind, wurden die kanadischen Münzen als non-circulating legal tender definiert. Mit anderen Worten: Weder Handel noch Bank sind rechtlich gezwungen, sie in Zahlung zu nehmen.
Zunächst war das Face Value Program ein großer Erfolg. Die Royal Canadian Mint verkaufte 4,2 Mio. 20 $ Münzen zum Nominalwert an Kunden, die bis dahin noch nichts mit Münzen zu tun gehabt hatten. Zielgruppe waren vor allem die Jüngeren; deshalb wurden vor allem populäre Motive wie Bugs Bunny, Superman, Dinosaurier oder das Raumschiff Enterprise gewählt.
Doch dann begannen die Probleme: Käufer versuchten mit den Münzen – Surprise! Surprise! – zu bezahlen, um festzustellen, dass sie mit diesen Münzen nichts kaufen konnten. Natürlich resultierte das in Verärgerung und schlechter Publicity. Die Münzbesitzer konnten froh sein, wenn ihnen ein Händler den Silberwert für ihr Sammelobjekt bezahlte, und ihnen so den Weg zur kanadischen Münzstätte ersparte, wo die Stücke tatsächlich zum Nennwert zurückgenommen wurden und werden. Die Händler ihrerseits machten einen hübschen Gewinn, indem sie die Stücke sammelten und zum Nominalwert bei der Royal Canadian Mint zurückgaben.
Mittlerweile hat die Royal Canadian Mint Mittel und Wege gefunden, wie die Kunden mit möglichst wenig Aufwand und ohne den Umweg über einen Zwischenhändler ihre Face Value Program Münzen bei der RCM gegen Nominalwert eintauschen können. Die Post Canada spielt hier eine entscheidende Rolle.
Der unschöne Nebeneffekt bei dieser Rückgabe ist die Tatsache, dass nun die Royal Canadian Mint auf den Kosten sitzen bleibt, die durch die Schwankungen des Silberpreises angefallen sind. Schließlich hatte sie das Silber in den Münzen, das sie diesen beim Schmelzen wieder entzieht, für einen wesentlich höheren Preis gekauft. Diese Kosten sind so hoch, dass sie einen erheblichen Einfluss aufs Jahresbudget haben, dass 2016 um rund 17 Millionen $ niedriger ausfiel als im Vorjahr.
Aus der Geschichte lernen?
Es bietet sich also an, einen Blick in die Vergangenheit zu tun, wenn wieder einmal die Frage ansteht, wie man den wechselhaften Silberkurs mit Umlauf-Gedenkmünzen mit Silbergehalt in Verbindung bringen soll. Denn eines steht fest: Es dürfte wohl keine bessere Marketing-Strategie als diese beliebten Einsteiger-Münzen geben. Ihre Ausgabe birgt aber Gefahren, die man kennen sollte, ehe man dafür entscheidet.
Welche Folgen die Silberspekulation der Brüder Hunt langfristig auf die österreichische Münzprägung hatte, lesen Sie ausführlich in dem gerade erschienenen Buch „Der Wiener Philharmoniker – Eine Anlagemünze schreibt Geschichte.“ Hier erfahren Sie mehr über das Buch.
Dieser Artikel wurde auf Englisch erstmals in der Dezember-Ausgabe 2017 von Currency News veröffentlicht.