von Ursula Kampmann
12. November 2015 – Vom 21. bis zum 23. Oktober 2015 fand in Madrid die Coin Conference statt. In sieben Sitzungen wurden neue Trends für Umlaufmünzen diskutiert. Logistik, Sicherheit, Kosteneffizienz, die Fortschritte des bargeldlosen Zahlens und das nachhaltige Management von Münzstätten standen im Mittelpunkt. Die MünzenWoche bringt eine kurze Zusammenfassung der in diesem Rahmen gehaltenen Vorträge.
Im ersten Teil berichten wir über Trends und neue Münzserien aus Schweden und Mexiko.
Sitzung 1: Trends und Herausforderungen
Astrid Mitchell, Currency News: Der Markt für Umlaufmünzen – ein Update
Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren seit der letzten Coin Conference in Berlin verändert? Wohin geht der Weg für Münzstätten und Umlaufmünzen? Astrid Mitchell, Organisatorin der zweitätigen Konferenz im Auftrag von Reconnaissance, stellte in ihrem programmatischen Vortrag die wichtigsten Entwicklungen zusammen.
Zunächst eine positive Meldung: Trotz der Unkenrufe, die einen Rückgang der Benutzung von Bargeld prophezeien, ist die Menge des sich in Umlauf befindenden Geldes gewachsen, sowohl weltweit als auch in der Eurozone. Weltweit stieg der Münzumlauf von 846 Milliarden auf 973 Milliarden. Der jährliche Münzbedarf kletterte von 42 auf 49 Milliarden Stück.
Durch die erhöhten Sicherheitsanforderungen gerade im oberen Wertbereich nehmen die Bimetallprägungen zu. Mittlerweile bestehen 13 % aller Münzen aus Ring und Pille. 38 % der Nominale werden mittlerweile, um Produktionskosten zu sparen, galvanisiert. Und doch ist fast die Hälfte aller Münztypen, nämlich 49 %, immer noch aus einer einheitlichen Buntmetall-Legierung, so dass hier ein enormes Sparpotential existiert.
Denn die Kosteneffizienz bleibt das große Problem der Zentralbanken. Durch hohe Metallpreise ist in den vergangenen Jahren vor allem bei kleinen Nominalen ein negativer Schlagschatz entstanden, was durch kleinere und leichtere Ronden sowie einen Wechsel zu galvanisierten Stahlronden ausgeglichen werden soll. Manche Staaten entscheiden sich stattdessen, die Kleinstnominale ganz abzuschaffen.
Überhaupt werden die Kleinstnominale zu einem großen Problem für Zentralbanken. Sie verursachen bei der Münzherstellung die größten Kosten. Außerdem laden sie zum Horten ein, so dass es eine entscheidende Aufgabe der Zukunft ist, die Frage zu lösen, wie es gelingen kann, die Endverbraucher dazu zu bringen, die Kleinstnominale wieder dem Geldumlauf zuzuführen.
Während im unteren Bereich die Kleinstnominale verschwinden, verschiebt sich nach oben die Grenze zwischen Münzen und Banknoten. In diesem Zusammenhang müssen noch einige Fragen der Sicherheit geklärt werden, da gerade die höherwertigen Münzen anfällig sind für Fälschungen. Viele neue Sicherheitsmerkmale werden derzeit entwickelt, welche sich auf die Dauer durchsetzen werden, ist noch nicht absehbar.
55 Münzstätten produzieren zur Zeit die rund 49 Milliarden Münzen, die weltweit für den Geldumlauf pro Jahr benötigt werden. Durchschnittlich stellt jede Münzstätte also 0,9 Milliarden Münzen her. Das ist nicht sehr effizient, wenn man dies mit dem Banknotenbereich vergleicht. Da stellen 62 Banknotendruckereien jährlich 2,75 Milliarden Banknoten her, um den weltweiten Banknotenbedarf von 170 Milliarden zu decken.
Astrid Mitchell schloss ihren Beitrag mit der Bemerkung, dass die Münzindustrie vor großen Herausforderungen stünde. Nur die innovativsten Münzstätten hätten eine Chance, auf diesem kompetitiven Markt zu überleben.
Genie Foster, International Association of Currency Affairs. Foto: Reconnaissance.
Genie Foster, International Association of Currency Affairs: Payment Trends
Genie Foster stellte in ihrem Vortrag die Frage aller Fragen: Sind die jungen Konsumenten dabei, die Barzahlung einzustellen? Schließlich sieht jeder Verbraucher an der Supermarktkasse, dass sich das Zahlungsverhalten ändert – nicht in jedem Land im gleichen Maße, und vor allem nicht für alle Generationen gleich.
Größte Bedrohung der traditionellen Geldbörse ist das Smartphone, das heute zum ständigen Begleiter geworden ist, sowie der online-Handel, bei dem Bargeld zugegebenermaßen keinen Nutzen bringt. Vor allem Jugendliche, die in ihren Gebräuchen noch nicht so festgefahren sind, wie ältere Menschen, lassen sich gerne von den Vorteilen des bargeldlosen Zahlens überzeugen.
Nichtsdestotrotz bleibt das stärkste Argument gegen das bargeldlose Zahlen die fehlende Notwendigkeit. Wenn es keinen Anreiz gibt, bargeldlos zu zahlen, nutzt der Kunde diese Methode nicht. Es liegt also im Interesse von Handelsketten, ihre Kunden mit Bonussystemen zum bargeldlosen Zahlen mittels Kundenkarte zu bewegen, um so die teure Bargeldlogistik zu vermeiden und die Kundendaten abzuschöpfen.
Der Trend geht in Richtung bargeldloses Zahlen, doch ob dadurch das Bargeld wirklich verdrängt wird, bleibt noch offen.
Rüdiger Voss, Europäische Kommission, Generaldirektion Economic and Financial Affairs. Foto: Reconnaissance.
Rüdiger Voss, Europäische Kommission, Generaldirektion Economic and Financial Affairs: Bausteine eines modernen Euro-Münz-Systems
Rüdiger Voss behandelte in seinem Beitrag verschiedene Probleme, denen sich der Euro heute stellen muss. Wie kann man zum Beispiel die Bedürfnisse von so unterschiedlichen Ländern wie Luxemburg und Lettland hinsichtlich der Nominalstruktur unter einen Hut bringen? Während die kleinste Münze nach der Rechenformel von Payne & Morgen aus dem Jahr 1981 in Luxemburg 2,8 Euro Cent wert sein müsste, würde Lettland eine Münze im Wert von 0,36 Euro Cent brauchen.
Auch sprach Rüdiger Voss das Problem an, dass die Kleinstnominale 1 und 2 Cent den größten Anteil an der europäischen Münzprägung haben. Dieser steigt ständig von 2005 41,4 % über 2010 44,4 % auf 2015 47,0 %. Damit wächst der Bedarf nach Kleinstnominalen schneller als der für alle anderen Nominale. Die Frage ist nun, was mit den Kleinstnominalen geschehen soll. Während eine Empfehlung von 2010 dahin geht, man solle keine neuen Rundungsregeln einführen, möchte, wie eine Umfrage von 2014 feststellt, eine große Mehrheit der Euro-Bevölkerung die Kleinstnominale vollständig aufgeben.
Während die Fälschungen im Euro-Raum immer noch Seltenheitswert haben, ist die Frage nach der Münzmenge nicht ganz so befriedigend gelöst. Die gewaltigen Überschüsse vor allem vom 1 Euro und 50 Cent-Stück verursachen gewaltige Lagerkosten. Für das 1 Euro-Stück liegen derzeit 11,9 Jahresproduktionen auf Lager, für das 50 Cent-Stück 8 Jahresproduktionen, für das 2 Euro-Stück 4,1 Jahresproduktionen, für das 20 Cent-Stück 3, für das 10 Cent-Stück 2,7 Jahresproduktionen. Die Kleinstnominale sind dagegen kaum noch auf Lager.
Neue Münzserien:
Marten Gomer, Sveriges Riksbank. Foto: Reconnaissance.
Marten Gomer, Sveriges Riksbank: Die Pläne zur Einführung von Schwedens neuer Münzserie
Über 1.530 Kilometer erstreckt sich Schweden von Nord nach Süd. 9,8 Millionen Menschen leben in diesem Land. Sie verfügen über 320 Millionen Banknoten und rund 2 Milliarden Münzen. All diese Münzen und Banknoten müssen Ende 2016 mit einem logistischen Gewaltakt gegen die neuen Zahlungsmittel eingewechselt werden. Die Schwedische Reichsbank bereitet dies bereits seit 2008 vor.
Damals begann eine Überprüfung der aktuellen Münzen und Geldscheine. Aus Gründen der Sicherheit entschied man sich für eine komplett neue Banknotenserie, aus Gründen der Effizienz für kleinere und leichtere Münzen, die aus einer Kombination von gesundheitlichen und Kostengründen den Bestandteil Nickel nicht mehr enthalten sollten. Lediglich das 10 Kronen-Stück wird nicht ausgetauscht. Zwei neue Denominationen wurden zusätzlich beschlossen. Die von der Reichsbank vorgeschlagene 20 Kronen-Münze, die den 20 Kronen-Schein ersetzen sollte, wurde allerdings vom Parlament abgelehnt.
Wichtig war der schwedischen Reichsbank von Anfang an die enge Einbeziehung der Wirtschaft. Dadurch wurde sogar die Ausgabepolitik der neuen Zahlungsmittel verändert. Hatte die Reichsbank zunächst vorgehabt, eine lange Phase des Übergangs einzuplanen, wünschte sich der Markt mehr Zeit für Vorbereitungen und nur eine sehr kurze Frist für den Austausch.
So wurden bereits 2010 die Spezifikationen der neuen Münzen festgelegt. 2012 erfolgten erste Probeprägungen, mit denen die Vending-Industrie ihre Automaten für die Umstellung fit machen konnte. 2015 begann die Massenproduktion. Am 3. Oktober 2016 werden die Münzen ausgegeben.
Vor allem über die veränderten Kosten freut sich die schwedische Reichsbank. Es ist gelungen, den Preis für das 1 Kronen-Stück von 70 SEK auf 0,13 SEK zu drücken, der Preis für das 5 Kronen-Stück sinkt von 1,50 SEK auf 0,43 SEK.
Was bleibt, ist das Problem des Einziehens der alten Währung. Dazu haben sich die wichtigsten Handelsbanken auf eine gemeinsam betriebene Logistikfirma verständigt. Sie wird in dem dünn besiedelten Land das Bargeld einsammeln, um es in ein zentrales Lagerhaus zu bringen. Statistisch verfügt jeder schwedische Haushalt über 779 Kronen an Bargeld. Die Reichsbank hat berechnet, dass rund 1,3 Milliarden 1 Kronen-Münzen und 265 Millionen 5 Kronen-Münzen eingesammelt werden müssen.
Eine der Voraussetzungen der Währungsreform war für Schweden der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten übernimmt. Und so scheint der Austausch von Banknoten und Münzen trotz der Kosten für die Neuproduktion ein gutes Geschäft für den schwedischen Steuerzahler zu sein: 250 Mio. SEK hat die Produktion der neuen Banknoten gekostet, 110 Mio. die Produktion der neuen Münzen. Für die Kommunikation wurden 40 Mio. SEK ausgegeben, für Lagerung 30 Mio. SEK. Rechnet man noch die verschiedenen anderen Posten mit 20 Mio. SEK dazu, kommt man auf 450 Mio. SEK Gesamtkosten, von denen die Metallkosten der eingesammelten Münzen abgezogen werden sowie der Schlagschatz der nicht rechtzeitig abgegebenen Münzen und Scheine. Bei den Münzen rechnet die schwedische Reichsbank, dass nur zwischen 30 und 50 % eingetauscht werden.
Alejandro Alegre, Banco de México: Mexikanische Umlaufmünzen
Andere Lösungsansätze für das problematische Auseinanderklaffen von Produktionskosten und Nominalwert fand die mexikanische Zentralbank. Als Vorbild dient ihr dabei ein Vorgehen aus dem Jahr 1997. Damals kostete die Produktion eines 5 Cent-Stücks geschätzt etwa 13 Cent. Die öffentliche Nachfrage nach diesem Nominal war sowieso zurückgegangen. Aus diesem Grund beschloss die Zentralbank, ohne öffentliche Ankündigung, die Herstellung der 5 Cent Münzen um 50 % zu drosseln. Durch den fehlenden Nachschub fiel die Nachfrage nach diesem Nominal im Jahr 1998 drastisch.
In der Folgezeit verstärkten sich fehlende Nachfrage und sinkende Produktion gegenseitig, so dass 2005 überhaupt keine Nachfrage nach diesem Nominal mehr bestand. Beschwerden von Seiten der Öffentlichkeit habe es keine gegeben. Allerdings habe man auch keine Untersuchungen darüber angestellt, ob diese Maßnahme Auswirkungen auf die Inflation hatte.
Die derzeit in Mexiko umlaufende Münzserie stammt aus dem Jahr 2009. Sie sollte große Kostenersparnisse bringen. Aus diesem Grund stellte man das Material der 20 und 50 Cent Münzen von Bronze-Aluminium auf rostfreien Stahl um. Außerdem benutzte man die ausgestanzten Pillen der Bimetallmünzen im Wert von 1, 2 und 5 Pesos, um daraus die 10, 20 und 50 Cent-Stücke herzustellen.
Die Benutzer haben diese kleinen Nominale nicht gut aufgenommen. Sie haben einen zu kleinen Durchmesser und sind leicht zu verwechseln. Deshalb kennt nun auch Mexiko seit 2009 das Phänomen des verschwindenden Kleingelds. Theoretisch waren im Juni 2015 pro Bürger 91 der 10 Cent-Münzen unterwegs. Damit repräsentieren die 10 Cent-Münzen 36 % aller Umlaufmünzen, aber nur 3 % des Wertes aller Münzen im Umlauf. Dazu ist der Schlagschatz für diese Nominale negativ. Sowohl das 10 als auch das 20 Cent-Stück kosten in der Produktion um die 30 Cent.
Die mexikanische Zentralbank plant also, das Vorgehen von 1997 mit dem 5 Cent Stück zu wiederholen. Man werde, ohne offizielle Ankündigung, die Produktion der 10 und 20 Cent-Stücke langsam zurückfahren. Man rechne mit einer Inflation zwischen 20 und 38 Prozentpunkte, die allerdings nur einmal stattfinden, und keinen dauerhaften Einfluss auf die Inflationsrate haben werde.
Ferner plane die mexikanische Nationalbank eine Umstellung für die Geldinstitute. Diese waren früher gezwungen, bestimmte Nominale nur zusammen zu ordern. Dadurch kam es zu Verzerrungen bei der Bestellung. Seit dem Mai 2014 können nun mexikanische Banken die Menge an Münzen ordern, die sie tatsächlich brauchen.
Seit 2013 gibt die mexikanische Nationalbank Gedenkmünzen im Wert von 20 Pesos heraus. Sie hat damit ein Problem, das man auch aus Deutschland kennt: Viele Händler weigern sich, die Gedenkmünzen als reguläre Zahlungsmittel zu akzeptieren. In einer umfassenden Medienkampagne ist es gelungen, auf der einen Seite diese Münzen bekannt zu machen, auf der anderen Seite den Stolz der Mexikaner in ihr Bargeld zu steigern.
Im letzten Teil seines Vortrags wies Alejandro Alegre auf die neue Münzserie hin, die 2018 ausgegeben wird. Sie wird neben der alten Münzserie umlaufen. Man erhofft sich eine jährliche Kostenersparnis von 11,3 Mio. USD. Das wird erreicht durch eine Reduktion der Nominale von neun auf sechs. Dazu wird eine 20 Peso-Münze die 20 Peso-Banknote ersetzen. Für sie sind ein Latentbild und Mikrotext als Sicherheitsmerkmal vorgesehen. Als Themen plant man berühmte Gebäude und Denkmäler, die die verschiedenen Epochen der mexikanischen Geschichte illustrieren sollen.
Die nächsten Teile der Vorträge finden Sie hier:
Teil 2: Geldlogistik
Teil 3: Sicherheitsmerkmale und soziale Verantwortung
Hier geht es zur Homepage der Coin Conference.
Einen guten Überblick zum Geschehen erhalten Sie hier.
Unter diesem Link können Teilnehmer der Konferenz sogar die Powerpoints der meisten Referenten herunterladen.
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