von Ursula Kampmann
7. Juli 2016 – Es ist zu schön, um wahr zu sein. GESIS – das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften fragt Münzhändler und Auktionshäuser um ihre Meinung zum Handel mit Antiken. „Der Handel mit Antiken gehört für Sie zum täglichen Geschäft. Wir vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften führen derzeit eine Studie zum Thema ,Der Handel mit Antiken in Deutschland‘ durch. Das Ziel unserer Studie ist es, Informationen und Meinungen zu der Entwicklung und dem derzeitigen Stand des Antikenhandels in Deutschland zu sammeln. Der Schwerpunkt des Projekts liegt dabei auf den Antiken, die ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammen. Daher bitten wir Sie in diesem Schreiben, an unserer Umfrage teilzunehmen. Durch Ihre Teilnahme leisten Sie einen wichtigen Beitrag, um mehr über den Handel mit Antiken zu erfahren. Außerdem kann so Ihre persönliche Meinung zur Thematik in die Ergebnisse einfließen.“
Soweit das Schreiben. Danach folgen Ausführungen zum Vorgehen. Nach Abstimmung eines Termins reist ein Interviewer persönlich an, um seine Umfrage durchzuführen. Sein Tun wird folgendermaßen geschildert: „Unser Forschungsprojekt ,Der Handel mit Antiken in Deutschland‘ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ziel der Studie ist es, ein möglichst umfangreiches Bild über den Handel mit Objekten aus dem östlichen Mittelmeerraum und den angrenzenden Gebieten darzustellen. Dazu werden in dem Interview verschiedene Fragen zu Themen wie die Entwicklung des Handels in den letzten Jahren oder die tägliche Arbeit mit solchen Objekten gestellt. Es gibt auch einige Fragen, bei denen Sie Ihre persönliche Meinung zur Thematik darlegen können.“
Wer nun bei Google „Der Handel mit Antiken in Deutschland“ und „Projekt GESIS“ eingibt, wird nichts finden. Wenn man aber anhand der Namen der beiden Beteiligten, Dr. Nicole Biedinger und Simon Henke, sucht, kommt man sofort zu einer relevanten Seite. Die beiden Wissenschaftler zeichnen verantwortlich für das Projekt „ILLICID – Illegaler Handel mit Kulturgut in Deutschland – Verfahren zur Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage für Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter“. Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt freilich etwas anders, als von den Verantwortlichen in ihrem Schreiben geschildert: „Das Projekt ILLICID beschäftigt sich mit der Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage für Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter. … In einer Pilotstudie sollen effiziente Verfahren und Instrumente zur Erhebung, Dokumentation und Analyse von Informationen über den illegalen Handel mit Kulturgut in Deutschland entwickelt und erprobt werden.“
Wie Simon Henke, einer der Projektverantwortlichen schildert, handelt es sich bei seiner Meinungsumfrage nur um ein Teilprojekt: „Wir vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften arbeiten dabei an einem Teilprojekt und führen in diesem Rahmen verschiedene Befragungen für unterschiedliche Akteure durch, um alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen und dadurch eine objektive Datenbasis zu schaffen.“
Von der MünzenWoche um eine Stellungnahme gebeten, warum im Anschreiben nicht der korrekte Titel der Studie genannt wurde, antwortete Simon Henke folgendes: „Wie auch in anderen wissenschaftlichen Umfragen üblich, verwenden wir zur Kontaktaufnahme mit den zu befragenden Personen einen anderen, eingängigeren Titel (,Der Handel mit Antiken in Deutschland‘). Dies hat vor allem damit zu tun, dass wir bei der Gestaltung von Umfragen immer bestrebt sind, möglichst einfache und leicht verständliche Formulierungen zu verwenden. Sperrige und vor allem lange Titel laufen dem zuwider und letztlich ist ,Der Handel mit Antiken in Deutschland‘ ein treffender Titel für diese Umfrage in unserem Teilprojekt.“ Deshalb glaube man auch nicht, dass der Eindruck von einer Vorspiegelung falscher Tatsachen entstanden sein könnte. Simon Henke: „Die Nutzung von Alternativtiteln ist in der wissenschaftlichen Umfrageforschung üblich.“
Wie genau die Studie durchgeführt wird, schildert er so: „Wie im Anschreiben beschrieben, führen wir derzeit persönliche Interviews durch. Dazu vereinbaren wir im Vorfeld mit den einzelnen Personen individuelle Termine. Danach besucht eine Interviewerin oder ein Interviewer die zu befragenden Personen zu dem vereinbarten Termin und führt das Interview mit der Person durch. Es handelt sich um standardisierte Interviews, die Teilnahme ist freiwillig und anonym, die Fragen sind neutral und möglichst verständlich formuliert. Die Fragen werden während des Interviews von einer Interviewerin oder einem Interviewer von einem Laptop aus vorgelesen und die gegebenen Antworten über die Tastatur von der Interviewerin oder dem Interviewer eingetragen. Unser Ziel ist es, möglichst viele im Handel tätige Personen zu befragen, um dadurch ein breites und objektives Meinungsbild zu erhalten.
In der Umfrage werden verschiedene Fragen zu Themen wie die Entwicklung des Handels in den letzten Jahren oder die tägliche Arbeit mit solchen Objekten gestellt. Es gibt auch einige Fragen, bei denen die befragten Personen Ihre persönliche Meinung zur Thematik darlegen können.“
Befragt, warum ein Händler an der Studie teilnehmen sollte, antwortet Simon Henke folgendermaßen: „Für die Teilnahme an der Studie sprechen einige Argumente, die wir auch im Anschreiben angesprochen haben. Zum einen haben die teilnehmenden Personen in unserer Umfrage die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen auf dem Gebiet und ihre Meinungen zum Thema mitzuteilen. Zudem erhalten die Teilnehmenden Einblicke in unser wissenschaftliches Forschungsprojekt und tragen damit maßgeblich zum Gelingen unseres Projekts bei. Dadurch helfen sie aktiv der Wissenschaft und tragen in diesem Sinne zum Allgemeinwohl bei. Zum anderen ist die Thematik an sich sicher für jede teilnehmende Person von Interesse. Außerdem erhalten die befragten Personen für Ihre Teilnahme nach Auswertung der Umfrage ein Informationsschreiben, in dem erste Ergebnisse vorgestellt werden. Dort werden erste Ergebnisse präsentiert, für diese sie dann aktiv einen Beitrag geleistet haben.“