von Ursula Kampmann
22. Oktober 2015 – Es gehört zum Wesen der Numismatik, dass sich die Forschung meist auf die ausgeprägte Münze oder Medaille beschränkt. Nur in den seltensten Fällen erhält man einen Einblick in das, was auch hätte sein können, also in den Gestaltungsprozess. Victor Huster hat nun einen Band vorgelegt, in dem er der deutschen Gedenkmünzenproduktion seine geprägten Münzmotivproben gegenüberstellt.
Victor Huster, Betrachtungen zur Grafik der aktuellen deutschen Münzgestaltung. Baden-Baden 2015, Eigenverlag. 272 S. mit zahlreichen großformatigen Farbaufnahmen. 21 x 21 cm. ISBN 978-3-00-049765-0.
„Betrachtungen zur Grafik der aktuellen deutschen Münzgestaltung“, so nennt Victor Huster sein Werk, und in der Tat geht das, was der Künstler hier vorlegt, weit hinaus über einen einfachen Katalog seiner Künstlerproben. Weit mehr als ein Drittel des Buches beschäftigt sich mit Dingen, über die ein Sammler nicht einmal nachdenkt: Es geht um die Voraussetzungen der Prägung, um den sehr persönlichen Blick eines der wichtigsten deutschen Medailleure der Gegenwart auf die deutsche Gedenkmünzenprägung. Sein Vorwort ist ein einziges Plädoyer für die Verantwortung des Künstlers: „Ein Kunstobjekt genau anzuschauen … soll den Betrachter … aus dem alltäglichen Seins-Gefühl entfernen, ihn entführen in eine Sphäre der Freude und des Entdeckens; dann ist es gelungen, dann ist Kunst eingetreten. … Daraus resultiert starke Verantwortlichkeit: Medailleure wirken in eine schier unbegrenzte Zukunft hinein.“
Und sie sehen sich dem Geschmack der Massen gegenüber, der die künstlerische Innovation nicht immer zu schätzen weiß: „Aus Leser- und Verfasserbeiträgen in Blogs und Münzzeitschriften geht hervor, dass die Majorität des deutschen Publikumsempfindens, inmitten der Zeiten fast revolutionärer gesellschaftlicher und technologischer Umbrüche weiterhin zur strikt klassisch angelegten Münzgestaltung à la Postkarte tendiert. Manche andersgearteten, überraschend neuartigen Gestaltungswege sehen sich bösartig angefeindet.“
Dass sich hier die Anforderungen des künstlerischen Anspruchs und der Massenproduktion gelegentlich diametral gegenüberstehen, hat Victor Huster durch seine Münzmotivproben aufgelöst. Er stellt mit seinem Schaffen der Realität der Gedenkmünze die Option einer nicht in Massen, sondern nur in kleiner Auflage gestalteten „Anti-Gedenkmünze“ vor, „anti“ im ursprünglichen, im griechischen Sinne verstanden, „anti“ als „für“ oder „anstelle von“, ja auch im örtlichen „gegenüber“. Die Anti-Gedenkmünze tastet die künstlerischen Möglichkeiten eines Themas aus, ohne sich um leichte Verkäuflichkeit und Massengeschmack zu scheren.
So ist das neue Buch von Victor Huster zwar auch ein Katalog im üblichen Sinne, aber was er beinhaltet geht weit darüber hinaus. Es handelt sich um das künstlerische Credo Victor Husters. Und als solches ist es in eine Form gegossen, die jeden Ästheten erfreuen wird. Das rund 270 Seiten starke Buch ist für jeden, der Bücher liebt, eine Freude. Von der Auswahl des Papiers über die großformatigen Fotographien bis hin zum großzügigen und geschmackvollen Layout, hier hat sich ein Künstler ein Buch geschaffen, das zu seinen Medaillen passt, durchdacht, modern, ohne Kompromisse.
Man muss an dieser Stelle das übliche Ceterum censeo für die moderne Kunstmedaille einfließen lassen. Keine numismatische Gattung ist derzeit vergleichbar unterschätzt wie diese. Was im Moment in Deutschland an innovativen Medailleuren wirkt, wird von einer breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Victor Huster ist hier schon fast als Altmeister zu bezeichnen, dessen Entwürfe es trotz ihrer kompromisslosen Gestaltung immer wieder bis zur Umsetzung als Umlauf- oder Gedenkmünze geschafft haben. Ein aktuelles Beispiel ist auf dem Titel abgebildet: 300 Jahre Fahrenheit Skala. Und dass gelegentlich auch innovative Entwürfe die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erlangen können, zeigt die Tatsache, dass es diese Münze auf die Shortlist zur Auswahl für den Preisträger des „Coin of the Year Award“ geschafft hat.
Zu bestellen ist „Betrachtungen zur Grafik der aktuellen deutschen Münzgestaltung“ direkt beim Künstler per Email.
Auf seiner Website können Sie viele der Künstlerproben noch käuflich erwerben.
Wir haben in der MünzenWoche schon mehrfach über Victor Huster berichtet, so über sein 2013 herausgegebenes Buch zu seinem Gesamtschaffen und über eine Ausstellung, die 2011 in Speyer mit seinen Werken stattfand.