von Ursula Kampmann
21. Juni 2018 – Zwei Tage hatte ich für meine Besichtigung des numismatischen Warschau angesetzt, als ich im Rahmen der Coins Conference 2017 diese wunderschöne Stadt besuchte. Zwei Tage, so dachte ich, sollten doch eigentlich reichen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Wie sehr hatte ich mich getäuscht! Für die große Zahl der numismatischen Attraktionen war die Zeit zu kurz, und das obwohl die Wege in Warschau gar nicht so weit sind wie gefürchtet.
Das Zentrum der Altstadt, der Marktplatz, mit einer Fülle von äußerst appetitlichen Cafés und Restaurants. Foto: UK.
Im Herzen der Altstadt: Die Polnische Numismatische Gesellschaft
Ich wollte in Warschau nicht nur die Vertreter der Museen und der Universität kennenlernen, sondern auch die Sammler, die in Polen traditionelle eine ganz besonders große Rolle spielen. Deshalb hatte ich mich bei der Polnischen Numismatischen Gesellschaft angemeldet. Wir hatten ein Treffen am späten Nachmittag ausgemacht, und ich gebe durchaus zu, dass mir zu diesem Zeitpunkt die Füße schon ziemlich weh taten. Also beschloss ich, mich in einem der hübschen Cafés am Marktplatz zu erholen und mir dann eine halbe Stunde vor dem Treffen ein Taxi zu angeln, das mich fuß-schonend zum Treffpunkt bringen sollte.
Man kann sich kaum meine Überraschung vorstellen, als ich auf der Karte überprüfte, in welchen Teil Warschaus mich das Taxi bringen sollte. Ich saß keine 100 Meter von dem Sitz der Polnischen Numismatischen Gesellschaft entfernt! Diese ist mitten im Zentrum und für jeden numismatisch interessierten Besucher Polens ein absolutes Muss! Nicht nur weil die Leute dort so freundlich sind. Die Gesellschaft gibt eine Fülle von interessanten Publikationen heraus, die vor Ort gekauft werden können. Machen Sie also unbedingt einen Abstecher zur Jezuicka-Strasse 6/8. Frau Solarewicz freut sich über einen Besuch. Und sie spricht perfekt Englisch!
Von links nach rechts die Vertreter der Polnischen Numismatischen Gesellschaft: Szymon Bereska, Vorstandsmitglied, Przemyslaw Ziemba, Präsident, und Barbara Solarewicz, Geschäftsführerin. – Auch wenn es immer schwierig scheint, Polen für ein Foto zum Lächeln zu bringen, war ich überwältigt über den freundlichen Empfang. Foto: UK.
Mich empfingen sowohl die Geschäftsführerin, Barbara Solarewicz, als auch der Präsident der Polnischen Numismatischen Gesellschaft, Przemyslaw Ziemba, und eines der Vorstandsmitglieder, Szymon Bereska. Herr Bereska spricht perfekt Deutsch und besucht viele deutschen Münzbörsen, da seine Frau eine Münzhandlung betreibt.
Beachten Sie übrigens die Ausstellung der vielen Publikationen, die auf diesem Bild zu sehen sind. Sie können vor Ort käuflich erworben werden.
Im Vortragssaal hängen die Fotos der Präsidenten der Polnischen Numismatischen Gesellschaft. Foto: UK.
Alle drei können sehr stolz darauf sein, wofür die Polnische Numismatische Gesellschaft heute steht. Sie existiert in dieser Form erst seit 1991, kann ihre aber Vorgänger-Organisationen bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen.
Die Polnische Numismatische Gesellschaft prägt zu besonderen Anlässen Jetons. Ich war sehr stolz, dass mein Besuch so ein Anlass war. Foto: UK.
Mehr Sammler für den Internationalen Numismatischen Kongress
Heute gehören zu diesem Dachverband beeindruckende 49 Vereine und 19 Arbeitskreise. Insgesamt zählt die Gesellschaft etwa 2.500 Mitglieder. Und sie ist aktiv. Sie hält nicht nur Vereinstreffen mit Vorträgen sowie nationale und internationale Konferenzen ab, sondern gibt auch eine beeindruckende Menge von Büchern und wissenschaftlichen Zeitschriften heraus.
Es ist durchaus programmatisch zu verstehen, dass Przemyslaw Ziemba, der Präsident der Polnischen Numismatischen Gesellschaft, ein Mitglied des Organisationskomitees des Internationalen Numismatischen Kongresses ist. Er hofft nämlich, durch seinen Einfluss mehr Veranstaltungen im Programm lancieren zu können, die für Sammler interessant sind und so mehr Sammler als normalerweise zu einer Teilnahme am Kongress zu bewegen. Wir dürfen ihm bei diesem Unterfangen die Daumen drücken! Es wäre wirklich wichtig, dass die gesamte numismatische Welt durch ihre Anwesenheit bei diesem Großereignis präsent ist.
Das vierteljährliche Bulletin der Polnischen Numismatischen Gesellschaft.
Die Publikationen der Polnischen numismatischen Gesellschaft
Die Polnische Numismatische Gesellschaft ist ein wunderbarer Vermittler zwischen Sammlern und Wissenschaftlern, schon allein durch ihre Tätigkeit als Verlag.
Sie gibt zunächst einmal das Numismatische Bulletin heraus, das seit 1965 alle drei Monate erscheint. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der polnischen Numismatik, und wer die aktuellsten Detail-Kataloge zu diesem Gebiet haben möchte, wird auf das Biuletyn Numizmatyczny nicht verzichten können.
Wie stark Polen sich sprachlich öffnet, sieht man an der Tatsache, dass sogar bei dieser von Sammlern für Sammlern herausgegebenen Zeitschrift alle Titel im Inhaltsverzeichnis ins Englische übersetzt wurden.
Die Bibliothek der Polnischen Numismatischen Gesellschaft. Foto: UK.
Zusätzlich erscheinen immer wieder wichtige Monographien zu Themen der polnischen Numismatik. Bücher werden hier nämlich noch wichtig genommen und nicht als Belastung empfunden. So ist die Gesellschaft auf ihre Bibliothek besonders stolz: Sie umfasst mehr als 4.000 Bände ist damit eine der größten numismatischen Bibliotheken in Polen.
Das Denkmal für die Toten des Warschauer Ghettos. In Deutschland ist es vor allem bekannt durch Brandts Kniefall. Diese spontane Geste der Demut und der Beschämung angesichts des Nicht-Vorstellbaren wurde zu einem Symbol der neuen deutschen Ostpolitik. Foto: UK.
Zwei Tage standen mir für meine numismatische Exkursion nach Warschau zur Verfügung. Dies war viel zu wenig, um alles zu sehen. Aber ein Museum stand als absolutes „Muss“ auf der Liste. Zwar liegt der Schwerpunkt nicht auf der Numismatik, aber ich möchte es dennoch vorstellen, weil das Thema wichtig ist und weil das Museum für seine Form der Darstellung zahlreiche Preise kassiert hat.
Das Museum der Geschichte der polnischen Juden. Foto: UK.
Polin – Das Museum der Geschichte der polnischen Juden
Es handelt sich um das Museum der Geschichte der polnischen Juden, kurz Polin, dessen hypermoderner Bau gegenüber dem Denkmal für die Toten des Warschauer Ghettos steht.
5 Millionen Euro, einen Teil der Mittel, die für diesen Bau und die Ausstellung nötig waren, stellte übrigens die Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung.
Ein digitales Display, mit dem man eine eigene Münze mit hebräischen Schriftzügen designen kann. Foto: UK.
Der Schwerpunkt dieses Museums liegt sicher nicht auf den Originalen. Es ist ein typisches Beispiel für die heute so moderne inszenierte Geschichte mit zahlreichen Möglichkeiten, sich interaktiv in die Ausstellung zu vertiefen.
An dieser Station zum Beispiel, kann man …
Eine Münze mit der hebräischen Umsetzung von „Prägeherr Ursula Kampmann“. Foto: UK.
… seine eigene Münze digital herstellen – mit eigenem Münzbild, hebräischem Namen usw.
Wie diese Münze dem Numismatiker sofort zeigt, beginnt der historische Rundgang im Mittelalter.
In manchen Sälen erinnert dieses Museum an ein lebensgroßes Bilderbuch, in dem die Geschichte lebendig wird. Foto: UK.
Er schildert ausführlich das Zeitalter der religiösen Toleranz in Polen, ohne dabei das Bündnis zwischen Adel und Juden zu übergehen, die wirtschaftlich eng miteinander verquickt waren, so dass die Fehler der adligen Gesellschaft auf ihre jüdischen Helfer abfärbten.
Rekonstruktion der hölzernen Synagoge in Hwisdez / heute Ukraine. Foto: UK.
Detail aus dem bemalten Gewölbe von 1652: Elefant. Foto: UK.
Detail aus dem bemalten Gewölbe von 1652: Truthahn. Foto: UK.
Es gab bereits vor dem 19. Jahrhundert sehr reiche jüdische Gemeinden. Ihr Leben wird geschildert. Der Höhepunkte dieses Teils der Ausstellung ist die Rekonstruktion einer reich bemalten Synagoge, die während russischer Pogrome im Ersten Weltkrieg schwer beschädigt und 1941 von den deutschen Besatzern verbrannt wurde.
Eine Gasse in einem polnischen Schtetl. Foto: UK.
Judenverfolgungen unter Russen, Deutschen und Kommunisten
Es ist beklemmend, von Raum zu Raum zu beobachten, wie aus Normalität Ablehnung wird, wie der Antisemitismus von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ständig zunimmt. Die Ausstellung ist dabei nie reißerisch, sondern reiht eine Information an die andere, lässt die Quellen sprechen.
Für mich besonders erschreckend war die Tatsache, dass die Juden in Polen nicht nur von den Deutschen während des Nazi-Regimes verfolgt wurden, sondern während des Ersten Weltkriegs von den Russen und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Kommunisten.
Robert Janiszewski, mein Führer im Polin Museum. Foto: UK.
Ich hatte das große Glück, einen geschulten Begleiter zu haben. Herr Janiszewski ist eigentlich Numismatiker, hatte aber während seiner Studienzeit Reisegruppen durch das Polin Museum geführt. Er hatte mir bereits vor meiner Abfahrt angeboten, mich durch das Museum zu führen. Ein einmaliges Erlebnis! Wir waren über vier Stunden in der Ausstellung.
Robert Janiszewski meinte, das sei ein persönlicher Rekord 😉
Die Ausstellung der Polnischen Nationalbank, ein multimediales Zentrum zur Erziehung in Sachen Geld. Screenshot der Website des Museums.
Ein kleiner Ausblick: Die Polnische Nationalbank und die Polnische Münzstätte
Und damit haben wir bei weitem noch nicht alles gesehen, was Warschau an Numismatik zu bieten hat. Da gäbe es – ziemlich in der Mitte zwischen Königsschloss und Nationalmuseum gelegen – die hypermoderne Ausstellung der Polnischen Nationalbank zur Geldgeschichte, die ich aus Zeitmangel nicht mehr besuchen konnte.
2015 stellte die Polnische Münzstätte eine in Kugelform geprägte(!) Münze vor. Foto: Mint of Poland.
Eine weitere Attraktion, die man leider nicht so einfach besichtigen kann, ist die polnische Münzstätte, eine der wenigen Münzstätten auf der Welt, die tatsächlich vollständig privatisiert ist. Vielleicht gilt diese Münzstätte deshalb als ein Zentrum der Innovation, an dem ständig neue Methoden perfektioniert werden.
Es gibt übrigens einen Laden der Polnischen Münzstätte, wo man ihre Gedenkprägungen kaufen kann.
Und das wäre ein erster Eindruck, was uns numismatisch gesehen in Warschau erwartet. Und wir haben noch nicht einmal einen Blick auf die Nachbarstädte geworfen, die ebenfalls viel zu bieten haben. Da wäre natürlich Krakau mit dem Hutten-Czapski-Museum. Und und und und …
Ich hoffe, dass ich es vor dem Internationalen Numismatischen Kongress noch einmal schaffe, nach Polen zu reisen, um von all den anderen bedeutenden Orten zu berichten.
Ich habe mich in Polen verliebt. Es ist ein wunderbares Land zum Reisen. Ich hoffe, dass viele Münzbegeisterte 2021 die Gelegenheit nutzen, um dieses herrliche Land im Rahmen des Internationalen Numismatischen Kongresses kennenzulernen und dann immer wieder zu kommen.
Den ersten Teil des numismatischen Reiseführers von Warschau finden Sie hier.
Den zweiten Teil des numismatischen Reiseführers von Warschau finden Sie hier.
Hier erfahren Sie mehr über den Internationalen Numismatischen Kongress von 2021.
Wenn Sie mehr zur Polnischen Numismatischen Gesellschaft wissen wollen, es gibt eine Zusammenfassung in englischer Sprache.
Und schon jetzt informiert die Gesellschaft über den Internationalen Kongress, um viele Sammler zu einer Teilnahme zu animieren.
Die Polnische Numismatische Gesellschaft führt übrigens auch Auktionen durch.
Das Polin Museum hat eine überaus moderne Website.
Es gibt eine virtuelle Tour. Sie können zwischen vier einminütigen Filmen wählen.
Polin ist nicht nur ein Museum, sondern auch ein Dokumentationszentrum, in dem Menschen aus aller Welt ihre Wurzeln wieder finden können.
Für Liebhaber der polnischen Sprache gibt es hier eine ausführliche Website zum Wirtschaftsgeschichtlichen Museum der Polnischen Nationalbank.
Und wer nicht ganz so gut Polnisch kann und lieber englisch liest, erfährt in dieser Broschüre viel über die Planung der Ausstellung.
Natürlich hat die Mint of Poland eine eigene Website.
Sie finden dort nicht nur die wechselhafte Geschichte des Unternehmens, …
… sondern auch einen Webshop mit den Produkten der Münzstätte.
Einzigartig dürfte die Seite sein, auf der die Mint of Poland um Investoren wirbt.