Sie interessieren sich für Münzen und sind neu in der Sammlerwelt? Wir erklären Ihnen einige Grundlagen und ihre Hintergründe. Heute geht es um das wichtige Thema Erhaltung. Sie werden sehen: Hier gibt für Einsteiger viel zu beachten. Wir beantworten häufige Fragen rund um das Thema.
Was sind Erhaltungsgrade?
Alte Münzen haben meist schon viel mitgemacht, bevor sie zu Sammelobjekten werden. Sie können jahrelang im Umlauf von Hand zu Hand gegangen sein oder Jahrhunderte im Erdreich oder im Wasser gelegen haben. Dabei werden Münzen oft stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie können abgegriffen, abgerieben, zerkratzt oder anderweitig beschädigt sein. Auch brandneue Münzen können durch einen ungeschickten Handgriff herunterfallen oder deutliche Fingerspuren aufweisen, sehr zum Ärger der Sammler.
Wenn man den Zustand einer Münze einschätzt, spricht man von ihrer Erhaltung. Um zu beschreiben, wie gut eine Münze erhalten ist, haben sich eine Reihe definierter Begriffe etabliert, mit deren Hilfe Sammler und Händler auf der ganzen Welt recht genau einschätzen können, wie gut eine Münze aussieht. Dabei spricht man von den Erhaltungsgraden. Ihren Ursprung haben sie in der Zeit, als Kataloge noch keine Fotos von Münzen beinhalteten und es deshalb notwendig war, in Worten einschätzbar zu machen, wie gut eine Münze erhalten ist. Denn wie gut eine Münze erhalten ist, hat entscheidenden Einfluss auf den Preis.
Welche Erhaltungsgrade gibt es?
Die üblichen Erhaltungsgrade sind einfache adjektivische Begriffe, deren Bedeutung aber klar definiert ist. Hier sollte man sich nicht auf den Klang der Wörter verlassen. Wird eine Münze beispielsweise mit dem Wort „schön“ (s, englisch fine, f) eingeschätzt, hat sie eine sehr schlechte Note bekommen. Bei so beschriebenen Münzen sind die Abnutzungsspuren sehr deutlich; sie werden Ihnen im Handel kaum begegnen. Schlechter wären nur „Sehr gut (erhalten)“ (sge, englisch very good (vg)“ und gering erhalten (ge, manchmal auch als „gut erhalten“ bezeichnet, englisch good, g). Solche Münzen kommen in der Regel nur dann auf den Markt, wenn der Münztyp extrem selten ist.
Erst mit dem nächsten Grad nach „schön“ beginnt das, was in der Numismatik normalerweise als „sammelwürdig“ eingeschätzt wird und regelmäßig im Handel auftaucht: Sehr schön. (ss, englisch Very Fine, vf). Noch besser ist Vorzüglich (vz, englisch extremly fine, ef). Der beste mit traditionellen Prägetechniken herzustellende Erhaltungsgrad ist Stempelglanz (Stgl.), jedoch findet man heutzutage bei den besterhaltenen Stücken daneben noch viele andere Synonyme wie „unzirkuliert“ (UNZ) und „Fleur de Coin“ (FDC). Eine wichtige Randnotiz an dieser Stelle: Mit einer Reinigung werden Sie den Erhaltungsgrad einer Münze nie verbessern können.
Was steckt hinter diesen Erhaltungsgraden?
Schauen wir uns doch einfach mal einige Beispiele an, um zu verdeutlichen, wie diese Unterschiede ausfallen. Hier sehen Sie fünf verschieden erhaltene Exemplare derselben römisch-republikanischen Münze. Werfen Sie einen Blick auf das erste Stück, eingeschätzt als „Stempelglanz“. Stempelglanz meint genau das, was es sagt: Auf der Münze darf nicht die kleinste Abnutzung erkennbar sein. Und ja, solche Münzen gibt es auch aus der Antike, wenn auch nicht so oft. Übrigens, weil der kleine Elefant ganz oben auf dem makedonischen Schild nicht perfekt ist, ist diese Münze auch nicht mit Stempelglanz beschrieben, sondern mit fast Stempelglanz. In unserem Beispiel erkennen Sie die sich verschlechternde Erhaltung am besten, wenn Sie beim Durchklicken durch die Galerie die einzelnen Perlen auf dem Schild im Auge behalten.
Ein weiteres Beispiel. Diesmal ist es eine Münze von 1872 aus dem Königreich Bayern, zu dem Zeitpunkt Bestandteil des Deutschen Kaiserreiches. Bei mit modernen Prägeverfahren maschinell hergestellten Stücken gibt es viel geringfügigere Unterschiede, daher lässt sich die Erhaltung an den Details besser festmachen. Am besten können Sie die Erhaltung beurteilen, wenn Sie sich den kleinen Schild ansehen, den der Adler auf der Brust hat. „Stempelglanz“ ist eine Münze nur dann, wenn dieser ganz kleine Schild völlig unberührt ist. Bei „vorzüglich“ müssen Sie den Schild noch genau sehen können. Bei „sehr schön“ sind Teile des Schilds abgenutzt und nicht mehr erkennbar. Bei „schön“ – und diese Qualität wird in Auktionen kaum angeboten, deshalb haben wir kein Foto davon – sehen Sie noch Konturen auf dem Schild.
Da die Einschätzungen vom jeweiligen Händler vorgenommen werden, gibt es natürlich Unterschiede, abhängig vom individuellen Ermessen. Der vergebene Erhaltungsgrad wird oft vom Alter der Münze beeinflusst, auch wenn es in der Theorie nicht so sein sollte. Antiken Münzen lässt man manchmal mehr Spuren der Zeit durchgehen.
Die Erhaltungen der beiden Seiten einer Münze können sich übrigens auch deutlich unterscheiden. In diesem Fall werden zwei Erhaltungen angegeben, getrennt von einem Querstrich. Die erste bezieht sich auf die Vorderseite, die zweite auf die Rückseite.
Was bedeutet „fast vorzüglich?“
Um den Erhaltungsgrad noch genauer anzugeben, sind heute drei Zwischenstufen zwischen den gängigen Erhaltungsgraden üblich. Nehmen wir als Beispiel den Erhaltungsgrad „sehr schön“ und die nächstbessere Stufe, „vorzüglich“. Dazwischen liegen die Stufen „Gutes sehr schön“, „Sehr schön bis vorzüglich“ und „Fast vorzüglich“, die Ihnen regelmäßig in Auktionskatalogen begegnen werden.
Was ist mit „Polierte Platte“?
Obwohl Polierte Platte (Proof) und Spiegelglanz (Proof like) oft als Erhaltungsgrade geführt werden, sind sie es nicht. Es handelt sich um Prägeverfahren, denn diese Münzen erhalten eine Sonderbehandlung vor der Herstellung. Die Ronde – das ist der runde Metall-Rohling, der dann ausgeprägt wird – und/oder der Stempel, mit dem die Münze geprägt wird, werden hierbei speziell vorbehandelt, um die Münzen mit einer fast schon spiegelartig reflektierenden Oberfläche zu versehen. Da der Prozess aufwändig ist, sind diese Münzen in der Regel in kleineren Mengen geprägt und bei Sammlern besonders beliebt.
Achten Sie allgemein darauf, dass es bei modernen Sammlermünzen heute viele Marketingbegriffe gibt, die Sie bei der Bewertung getrost ignorieren können. Der von der Münze Österreich gebrauchte Begriff „handgehoben“ bedeutet beispielsweise auch nichts anderes als „unzirkuliert.“
Ist die Erhaltung wichtig?
Das kommt auf Sie an! Sagen wir es mal so: Wenn Sie zu der kleinen Gruppe von Sammlern gehören, die sich nur an der Geschichte Ihrer Münzen erfreuen wollen, diese bis an Ihr Lebensende zu behalten beabsichtigen und es Ihnen eigentlich egal ist, wenn darauf einige Details nicht mehr zu erkennen sind, dann ist sie es nicht. Wenn die Sammlung dagegen auch als Investition gedacht und der Wert der Münzen eine Rolle spielt – und das ist, seien wir ehrlich, zumeist der Fall – ist die Erhaltung das absolut entscheidende Kriterium. Schauen Sie noch einmal auf die fünf unterschiedlich erhaltenen Exemplare der römischen Münze von vorhin in diesem Slider. In den Bildunterschriften finden Sie diesmal deren Verkaufspreis. Sie sehen: je nach Erhaltung kann die gleiche Münze zwischen 50 und 2.000 Euro bringen!
Ist das System der Erhaltungsgrade international einheitlich?
Jein. Viele Länder haben etablierte Gewohnheiten der Einstufung mit eigenen Begriffen. Die groben Abstufungen sind aber oft dieselben und die Entsprechungen in anderen Sprachen in der Regel klar festgelegt. Um die Übersicht zu behalten, welche Abkürzungen aus anderen Ländern was bedeuten und welchen Begriffen das wiederrum in Ihrer Sprache entspricht, empfehlen sich Tabellen wie diese hier von Wikipedia.
Was bedeuten Abkürzungen wie „MS64 NGC“ und „VF25 PCGS“?
Die Frage muss leider warten. Das inzwischen weit verbreitete amerikanische System zur Einschätzung von Erhaltungen weicht vom traditionellen europäischen System stark ab. Hier haben sich ab den 1970er Jahren aufgrund des anlegerorientierten Handels neue Gewohnheiten gebildet. Im nächsten Teil dieser Reihe beschäftigen wir uns daher in gebührendem Umfang mit den Themen Sheldon-Skala, Grading und Holdern.