von Ursula Kampmann
5. Juli 2012 – Sie haben den Charme des archaisch, frühen, unfertigen, die Elektronmünzen, die – ja wann genau eigentlich – in Lydien, oder nicht doch eher in Ionien zum ersten Mal geprägt wurden. Wenn es um frühes Elektron geht, dann wird jeder, der etwas von Numismatik versteht, ins Stottern kommen, weil er weiß, wie wenig Tatsachen bisher eindeutig bewiesen sind.
Ein Blick in die neue Ausstellung des Israel Museum „Weißes Gold“. Foto: Israel Museum.
Wer prägte wann, wo und warum die ersten Münzen? Diese Frage mag für den Numismatiker von höchstem Interesse sein, der Laie ist eher von der Schönheit der Stücke fasziniert. Und genau darauf setzt Haim Gitler, Kurator der numismatischen Sammlung im Israel Museum und Verantwortlicher für die Ausstellung „Weißes Gold“.
Die Vitrine im Mittelpunkt der Ausstellung. Foto: Israel Museum.
Der abgedunkelte Raum zeigt auf allen vier Seiten wundervolle Vergrößerungen von den Münzen, die in der Mitte ausgestellt sind. Die Vitrine lockt zum genauen Hinsehen. Ihre Ähnlichkeit mit einer Vitrine, wie sie Juweliere benutzen, macht die Kostbarkeit der Stücke ohne große Worte klar.
Die Vergrößerungen sind dort zu sehen, wo auch die Münzen ausgestellt sind. Foto: Israel Museum.
Auf graphitschwarzen Sand ruhen die Stücke. Sie stammen aus zwei Privatsammlungen, die über die letzten Jahre zusammengetragen wurden. Die Sammler, Dr. Thomas S. Kaplan, seine Gattin Daphne Recanati Kaplan und Baron Thyssen-Bornemisza, waren bei der Eröffnung der Ausstellung persönlich anwesend. Es sind ihre Sammlerträume, die da auf dem Sand wahr werden.
Der Stater des Phanes, im Hintergrund Vergrößerungen. Foto: Israel Museum.
So sind vom berühmten Stater des Phanes nicht nur der Stater, sondern auch die Trite, die Hekte und weitere Teilstücke zu sehen. Hier liegt nun der enigmatische Stater aus Phokaia, der 2003 bei Triton angeboten wurde. Die Darstellung ist einmalig: Eine Robbe frisst einen Oktopus.
Ganz oben in der Mitte der Vergrößerungen sieht man den heftig diskutierten Stater mit den beiden Athleten. Foto: Israel Museum.
Nun taucht endlich ein zweiter Stater der beiden Athleten auf, die zwischen sich einen Kantharos halten, was sicher die Diskussion um das einzig andere bekannte Stück neu beleben wird.
Ein Blick in die Vitrine. Foto: Israel Museum.
Und dann die reichhaltige Auswahl von Kyzikenern. Man begreift die Schönheit dieser Münzprägung, das ganze Können der Stempelschneider erst, wenn man nicht nur einen einzelnen Stater aus Kyzikos sieht, sondern einen ganzer Haufen.
Die Kongressteilnehmer in der Ausstellung. Foto: Israel Museum.
Natürlich waren auch die Kongressteilnehmer begeistert, die aus 14 Nationen zu diesem wirklich internationalen Treffen angereist waren. Haim Gitler und Catherine Lorber hatten gemeinsam eine Gruppe zusammengestellt, die erwarten ließ, dass dieser Kongress epochemachend würde. Und tatsächlich gab es eine wissenschaftliche Sensation nach der anderen.
Koray Konuk bei seinem Vortrag. Foto: UK.
Koray Konuk war es zum Beispiel gelungen, die nur in einer alten Publikation schlecht abgebildeten Münzen aus dem Hortfund vom Artemision, der von so entscheidender Bedeutung ist für die Datierung des frühen Elektrons, zu fotografieren. Er hielt zusammen mit Michael Kerschner vom Österreichischen Archäologischen Institut einen Vortrag, in dem säuberlich Fundstellen und Fundmünzen zusammengebracht wurden. Endlich! Wer sich bis jetzt mit der Materie beschäftigte, sah sich mit einem Wust von unterschiedlichsten Theorien konfrontiert. Die beiden Wissenschaftler plädieren auf Grund ihrer Erkenntnisse nun für einen Beginn der Elektronprägung in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts. Sie stellten auch klar, dass Elektronmünzen im Gründungsritual bei Baumaßnahmen im Artemision eine Rolle gespielt zu haben scheinen.
David Schaps leitet die erste Sitzung des zweiten Tages. Foto: UK.
Und das waren nicht die einzigen spektakulären Ergebnisse. Geradezu mit offenem Mund saßen die Besucher da, als Nick Cahill, Mitglied des Ausgrabungsteam von Sardes, verkündete, dass man leider weder im Paktolos noch in den umliegenden Goldquellen in Lydien Elektron gefunden habe. In Lydien gäbe es nur Gold. Elektron könnte aus anderen Bergwerken kommen, z. B. aus einem in der Nähe von Pergamon, das die Lyder zur Zeit der Elektronprägung beherrschten.
Mariusz Mielczarek von der Nikolaus Kopernikus Universität in Thorn. Foto: UK.
Oder der sehr vernünftig klingende Vorschlag von Bob Wallace / Northwestern University die zweimal sieben Jahre, die Herodot Kroisos zugestehen will, nicht allzu ernst zu nehmen. Seiner Meinung nach müssen wir den Beginn der Herrschaft des Kroisos in die Jahre um 585/80 legen, was gerade mit den archäologischen Ergebnissen bei der Ausgrabung des Artemisions besser passen würde. Dort hatte man sich immer schon gefragt, wie so umfassende Baumaßnahmen, wie Kroisos sie durchführte, in so kurzer Zeit möglich seien.
Katerini Liampi von der Universität in Ioannina / Griechenland. Foto: UK.
Neben diesen grundlegenden Fragen wurden jede Menge arbeitsintensiver Detailprobleme gelöst. So zum Beispiel, in welchem Umfang auch in Thrakien und Makedonien Elektron geprägt wurde. Wolfgang Fischer-Bossert machte darauf aufmerksam, dass man über die Verringerung des Gewichtsstandards eine chronologische Ordnung in die Elektronprägungen bringen könnte. Und immer wieder wurde der Ruf nach einer umfassenden Stempeluntersuchung laut.
Francois de Callatay beim abendlichen Festvortrag. Foto: UK.
Francois de Callatay fasste beim abendlichen Festvortrag zur Eröffnung der Ausstellung mehr als etwas ironisch das Ergebnis folgendermaßen zusammen: Wir sind verwirrt, aber das auf einem wesentlich höheren Niveau.
Die Kongressteilnehmer vor dem Schrein des Buchs. Foto: UK.
Tatsächlich bleibt noch vieles offen, was erforscht werden muss. Immerhin sind entscheidende Weichen gestellt. Die Ergebnisse des Kongresses werden bald publiziert. Und wer bis dahin nicht warten will, der sei auf andere Publikationen in diesem Zusammenhang verwiesen.
Die Ausstellung hat eine eigene Website im Internet, auf der die ausgestellten Münzen in ihrer ganzen Schönheit zu sehen sind. Um dorthin zu kommen, klicken Sie hier.
Wie es zur Prägung der ersten Münzen kommen konnte, dazu haben die Ausstellungsmacher eine witzige Animation konzipiert. Versäumen Sie sie auf keinen Fall! Um den Zeichentrickfilm zu sehen, klicken Sie hier.
Leider ist derzeit der fantastische Katalog der Ausstellung mit den großartigen Bildern noch nicht über den Museumsshop im Internet zu haben. Aber das kann sich ja bald ändern…
Deshalb hier der Link zum Museumsshop.
Und hier finden Sie die Seite des Israel Museums.
Übrigens, die Schriftrollen vom Toten Meer sind online im Internet. Um sie zu sehen, klicken Sie hier.