von Dietrich Klose
28. März 2103 – Bereits der traditionsreiche Name sagt es: Der Schwerpunkt der Staatlichen Münzsammlung München liegt seit alters her bei den Münzen – wobei die Medaillen, noch bis ins 19. Jahrhundert auch gerne als „Schaumünzen“ bezeichnet, stets dazugerechnet wurden. Münzen und Medaillen sind freilich nur ein – wenn auch historisch sicher immer noch der wichtigste – Aspekt der Interessen der Staatlichen Münzsammlung München in ihrer Sammel- und Ausstellungstätigkeit.
Der zweite Name, den die Staatliche Münzsammlung seit einiger Zeit quasi als Untertitel führt, macht aber ein über Münzen und Medaillen hinausgehendes Interesse deutlich: „Museum für Geldgeschichte“. Und wenn auch nicht in Antike und Mittelalter, so dann doch in der Neuzeit treten neben die Münze (und die immer mit ihr verbundene Medaille) andere Geldformen, die immer stärker das Geldwesen und die Entwicklung des Geldes bestimmen.
Und in diesen Bereichen können die Bestände bislang bei Weitem nicht mit den traditionellen Sammelgebieten einer Münzsammlung mithalten. Hier wäre einmal das Papiergeld zu nennen. Ein handelsüblicher Stahlschrank reicht derzeit aus, um den größten Teil der Papiergeldbestände der Staatlichen Münzsammlung unterzubringen. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sich in diesem Bereich für die Zukunft in der Staatlichen Münzsammlung ergeben, sei jedoch einer späteren Mitteilung vorbehalten.
Ein weiteres Sammelgebiet, das einen wichtigen Aspekt der Geldgeschichte des 18., des 19. und des 20. Jahrhunderts darstellt, sind die Wertpapiere: Aktien, Staatspapiere, Obligationen, Schuldverschreibungen usw. Bis vor wenigen Jahren war dieser Bereich bei der Staatlichen Münzsammlung noch überhaupt nicht vertreten. Dann kamen mehrere tausend Stück deutsche Aktien und Wertpapiere zumeist des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts aus den Restbeständen der alten Reichsbank über das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) als Dauerleihgaben in die Staatliche Münzsammlung. Dieser Zuwachs war freilich ein nach dem Zufallsprinzip ausgewählter, bunt zusammengewürfelter Haufen, zudem größtenteils leider durch Lochungen entwertet. Dennoch, hiermit war ein erster Anfang für das Gebiet der deutschen Wertpapiere gemacht.
Im Dezember 2012 gelang es dank einer Stiftung von Walter und Brigitte Kames, den Bestand der Staatlichen Münzsammlung an historischen Wertpapieren ganz wesentlich zu erweitern. Über mehrere Jahrzehnte hat Walter Kames Aktien und andere Wertpapiere gesammelt und eine mehrere tausend Stück umfassende Sammlung von Wertpapieren aus aller Welt aufgebaut. Darunter sind viele ganz besondere Exemplare, die sich durch ihre Seltenheit, ihre Schönheit oder ihre interessante Geschichte auszeichnen. Diese Sammlung ging nun über die Museumsstiftung zur Förderung der staatlichen bayerischen Museen als Dauerleihgabe an die Staatliche Münzsammlung, und es ist eine besondere Freude, Walter und Brigitte Kames für diese reiche Stiftung zu danken.
Actien-Verein für den Zoologischen Garten zu Dresden, Aktie über 50 Taler vom 8. Mai 1861.
Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt auf deutschen Wertpapieren, darunter viele frühe und seltene Stücke. Hier wären etwa zu nennen die Aktie des Actien-Vereins für den Zoologischen Garten zu Dresden im Wert von 50 Talern aus dem Jahr 1861, …
Prinzregentenplatz Actiengesellschaft, München, Aktie zu 1000 Mark vom 6. April 1900.
… die Aktie der Münchner Prinzregentenplatz Actiengesellschaft zu 1000 Mark von 1900, die 1000-Mark-Aktie der Stettiner Walzmühle von 1892, oder die 1000-Mark-Aktie der Allgemeinen Electricitäts-Gesellschaft von 1897, um nur einige wenige besondere Stücke aufzuführen.
Baltimore and Ohio Rail-Road Company, Baltimore, 25 Aktien über zusammen 2500 Dollar vom 3. März 1857.
Breiten Raum nehmen vor allem auch Aktien aus den USA ein. Hier haben Walter Kames besonders die Eisenbahnaktien des 19. Jahrhunderts interessiert, von denen es dank des unglaublichen Booms, den das Eisenbahnwesen in Amerika im 19. Jahrhundert erlebte, eine kaum überschaubare Fülle gibt. Eine Zeit lang hat Walter Kames versucht, dieses Gebiet möglichst vollständig zu sammeln – ein Unterfangen, das sich kaum realisieren ließ, aber doch dazu führte, dass nun viele Hunderte an Eisenbahnaktien in dieser Sammlung ein faszinierendes Bild vermitteln von diesem großen Boom, vom Gründerfieber beim Eisenbahnbau in Amerika und der explosionsartig voranschreitenden Eroberung und Durchdringung des nordamerikanischen Kontinents, dessen wirksamstes und stärkstes Medium eben die Eisenbahn war.
Breit dokumentiert wird in der Sammlung Kames auch die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs und Belgiens im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch eine große Zahl von interessanten Wertpapieren aus diesen beiden Ländern. Und auch die Blütezeit der Kolonialmächte Niederlande und Spanien im 17. und 18. Jahrhundert ist durch eine Anzahl hochkarätiger Papiere in der Sammlung Kames belegt:
Oost-Indische Compagnie, Rotterdam, Obligation über 3000 Gulden vom 30. August 1653.
… da finden wir eine Obligation der Oost-Indischen Compagnie aus Rotterdam von 1653 – das früheste Wertpapier der Sammlung Kames und eines der ältesten überhaupt – oder eine Aktie der West-Indischen Compagnie im Wert von 466 Pfund Sterling aus dem Jahr 1792.
Real Compania de San Fernando de Sevilla, Aktie über 250 Pesos vom 23. August 1748.
Dem Handel mit dem spanischen Kolonialreich in Lateinamerika widmete sich die Real Compania de San Fernando de Sevilla, deren Aktie über 250 Pesos von 1748 in der Sammlung Kames vertreten ist. Es handelt sich um einen äußerst prächtigen großen Kupferstich auf Kalbspergament, ein Musterbeispiel der graphischen Kunst der Rokokozeit mit zahlreichen Figuren, Draperien, ornamentalen Kartuschen, und auch die Stadt Sevilla und ein großes Handelsschiff, begleitet vom Meeresgott Poseidon, dürfen als Hintergrund nicht fehlen.
Auch die anderen spanischen Wertpapiere des 18. Jahrhunderts sind oft graphisch sehr aufwendig gestaltet. Das gilt ebenso dann natürlich auch für viele Papiere des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, für die begabte Graphiker herangezogen und aufwendige Drucktechniken und die besten Farben verwendet wurden.
Fabrica de Faiancas das Caldas das Reinha, Lissabon, Aktie über 20 Milreis vom 30. Juni 1884.
Ein besonders schönes Beispiel – und eines der Lieblingspapiere von Walter Kames – ist die Aktie der Fabrica de Faiancas das Caldas das Reinha aus Lissabon von 1884. Künstlerisch ist dieses Blatt seiner Zeit voraus – reinster Jugendstil von bester graphischer Qualität, passend zu den von der Gesellschaft produzierten Wandfließen (Azulejos), die in Portugal eine einzigartige Bedeutung für die künstlerische Gestaltung von Gebäuden erlangt hatten.
Aber nicht nur die graphische Schönheit kann an Wertpapieren begeistern, sie sind auch wichtige Zeugnisse der Wirtschaftsgeschichte, Dokumente der Geschichte der Unternehmen und Institutionen, die sie ausgegeben haben. Faszinierend erscheint aus heutiger Sicht, welche Fülle von Unternehmen einmal Wertpapiere emittiert haben. Da finden sich in der Sammlung Kames eine Aktie für die Nutzung von Teichen (Exploitation des Étangs de Capestanc et de Vendres; Paris, 1833), den Betrieb einer Gaststätte (Brasserie Lyonaise sous la raison L. Combalot Neveu et Compagnie; Paris, 1838), eines literarischen Kabinetts (Société du Cabinet Littéraire à Verviers; Verviers, 1851), eines städtischen Kasinos (Grand Casino Municipal de la Ville de Biarritz; Paris, 1900) oder einer Reitbahn (Actien-Reitbahn zu Plauen; Plauen, 1875), für den Bau einer Brücke (Pont de Bochemaure; Montélimar, 1847); oder etwa für Fahrradrennbahnen, Bestattungen, die Herstellung von Fischernetzen … Von besonderem Interesse sind natürlich auch die Unternehmen, die bereits von vorneherein mit betrügerischer Absicht gegründet worden waren, um ahnungslose und leichtgläubige Investoren auszunehmen, grandiose Pleiten, oder tollkühne und absurde Geschäftsideen.
Onderneming op The Lutine, Amsterdam, Renversaal über 125 Gulden vom 4. August 1858
Nennen wir hier nur die Renversale des Unternehmens Onderneming op The Lutine (Amsterdam, 1858), das zu dem Zweck gegründet wurde, das 1799 vor der niederländischen Küste mit einer großen Gold- und Silberladung gesunkene englische Schiff The Lutine zu bergen. Die Renversalen versprachen Anteile auf die gefundenen Schätze, und bis Ende 1859 konnten dank der geborgenen Gold- und Silberbarren die Investoren in der Tat eine Rendite von über 60 % einfahren. Weniger erfolgreich war der Versuch der von Ferdinand de Lesseps, dem Erbauer des Suezkanals, gegründeten französischen Gesellschaft zum Bau eines Kanals durch die Landenge von Panama (Compagnie Universelle du Canal Interocéanique de Panama). Das Vorhaben scheiterte vor allem an mangelhafter Organisation, Planungsmängeln und falschen geologischen Untersuchungen; das Unternehmen wurde 1889 liquidiert, 800.000 Franzosen hatten etwa 1,8 Milliarden Goldfranc gezeichnet.
Ein Schwerpunkt der Sammlung Kames soll hier auch noch angesprochen werden: Dank seiner Verbindung zu den Niederlanden interessierte sich Walter Kames für die Anleihepapiere niederländischer Stätte und Gemeinden, ein bislang völlig unbeachtetes Gebiet. Die Auflagen waren teilweise sehr klein, wie die zweistelligen Seriennummern zeigen, und weil sich niemand dafür interessierte, erwarb Kames in manchen Fällen en bloc gleich alle vorhandenen Stücke und damit einen großen Teil der ganzen Auflage.
Außer für die Wertpapiere selbst hat sich Walter Kames auch für das „Drumherum“ interessiert. Und so haben auch zahlreiche historische Darstellungen von Börsengebäuden, angefangen mit attraktiven Guckkastenblättern des 17. Jahrhunderts, Plakate, großformatige Karikaturen und auch das prachtvolle Buch mit 85 großformatigen Kupferstichen, das unmittelbar nach dem Scheitern der Unternehmungen von John Law in Frankreich erschienen war (Het groote Tafereel der Dwaasheid, 1720), nun den Weg in die Staatliche Münzsammlung gefunden. Schon im Untertitel dieses Buches findet sich im Übrigen die „Blase“ für ein mittlerweile wohlbekanntes Phänomen des Finanzmarkts, hören wir hier doch von „opkomst, voortgang en ondergang der Actie, Bubbel en Windnegotie“ (Entstehung, Fortschritt und Untergang der Aktie, Blase und Windgeschäfte). Alles schon mal dagewesen …
Karikatur auf den Bankier J. Pierpont Morgan: Wall Street bubbles – Always the same. Aus Puck, New York, 22. Mai 1901.
Da springen dann knapp 200 Jahre nach John Law und über hundert Jahre vor unserem letzten Finanzmarktcrash leichtgläubige Anleger nach den „Wallstreet Bubbles“ mit ihren „inflated values“, den „Wallstreet-Blasen“ mit ihren „aufgeblasenen Werten“, die der amerikanische Bankier J. Pierpont Morgan (1837-1913) in die Luft bläst – im Übrigen in Gestalt eines Stieres, der ja für eine florierende Börse steht. Das sehen wir auf einer Karikatur aus der amerikanischen Zeitschrift Puck vom 22. Mai 1901, mit dem Kommentar: „Always the same“.
Die Bereicherung ihrer Bestände durch die Sammlung Kames dokumentiert die Staatliche Münzsammlung im Jahr 2013 bis Anfang 2014 durch die regelmäßig wechselnde Ausstellung ausgewählter Wertpapiere und Bilder aus der Sammlung von Walter Kames. Den Anfang machen im März und April 2013 besondere Aktien aus Bayern.
Hier finden Sie die Internetpräsenz der Staatlichen Münzsammlung München.