Das österreichische Bundesdenkmalamt (BDA) tut seit wenigstens drei Jahrzehnten so, als ob archäologische Rettungsgrabungen im Kontext geplanter Baumaßnahmen vom Vorhabenträger entsprechend dem in der Valletta-Konvention angedeuteten Verursacherprinzip finanziert werden müssten. Eine genaue Analyse der tatsächlichen Rechtslage zeigt jedoch, dass dies – außer unter ganz bestimmten Voraussetzungen bei nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) genehmigungspflichtigen Vorhaben – durch das österreichische Denkmalrecht nicht vorgesehen ist.
Gilt das Verursacherprinzip bei Rettungsgrabungen?
Ganz im Gegenteil, das Denkmalschutzgesetz (DMSG) trennt scharf zwischen Erhaltungsmaßnahmen, die jeder durchschnittlich sorgfältige Eigentümer aus eigenem Antrieb laufend durchführen würde, die Eigentümern, Vorhabenträgern bzw. Antragstellern, die um denkmalrechtliche Genehmigungen (darunter solche für die geplante Veränderung bzw. Zerstörung geschützter Denkmale) angesucht haben, rechtmäßig aufgetragen werden können; und über diese ‚passive‘ Denkmalerhaltungspflicht hinausgehende ‚aktive‘ Erhaltungs- und Erforschungsmaßnahmen, die zum Nutzen der Öffentlichkeit durchgeführt werden und deren Kosten daher auch von der öffentlichen Hand zu tragen sind. Denn das erklärte ausschließliche Regelungsziel des DMSG und seiner relevantesten Schutzbestimmung, der des § 4 Abs. 1, ist die in Erscheinung, Wirkung und Substanz unveränderte Bewahrung geschützter Denkmale vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland.
Eine Erhaltung von (archäologischen oder beliebigen sonstigen) Denkmalen durch wissenschaftliche Dokumentation ihrer Zerstörung ist hingegen im DMSG nicht vorgesehen, sondern vielmehr dem gesetzlichen Regelungsziel diametral entgegengesetzt. Um die dadurch verursachten Probleme zu lösen – zu denen nicht zuletzt gehört, dass das BDA durch Vorspiegelung falscher Tatsachen der ‚Privatwirtschaft‘ massiven wirtschaftlichen Schaden verursacht hat, um notwendige archäologische Feldforschungen finanzieren zu können – ist entweder eine grundlegende Neuregelung des österreichischen Denkmalrechts oder eine massive Aufstockung der personellen und finanziellen Ausstattung des BDA, oder sogar beides, dringend erforderlich.
Wer zahlt für die Erhaltung in der Denkmalpflege?
Der Refrain eines bekannten alten deutschen Schlagers stellt die auch für die Finanzierung (angeblich oder tatsächlich) denkmalpflegerisch notwendiger archäologischer Feldforschungsmaßnahmen hoch relevanten Fragen: ‚Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat soviel Pinke-Pinke, wer hat soviel Geld?‘ (Der Spiegel 1950). Tatsächlich ist dieser Refrain so passend, dass bereits Ulf Ickerodt (2010) die erste Hälfte davon als Titel für einen Artikel über das Verursacherprinzip in der archäologischen Denkmalpflege in Schleswig-Holstein verwendet hat.
Meiner Meinung nach sollte allerdings, insbesondere wenn es um die Frage des sogenannten Verursacherprinzips in der archäologischen Denkmalpflege geht, die zweite Hälfte dieses Refrains im Vordergrund stehen. Denn eigentlich geht es dabei nicht darum, wer ‚das bestellt‘ hat, sondern darum, wer ‚soviel Geld‘ hat, dass er sich die Finanzierung der aus Sicht der archäologischen Wissenschaft wünschenswerten Grabungen leisten kann, die aus Sicht der archäologischen Fachwelt vor geplanten Bauvorhaben durchgeführt werden sollten, um archäologische Überreste, die ansonsten durch diese Baumaßnahmen zerstört werden würden, wissenschaftlich zu dokumentieren und somit in gewissem Sinn zu ‚retten‘. Denn der in diesem Kontext seit einigen Jahrzehnten zunehmend als ‚Verursacher‘ bezeichnete Bauträger hat – wenigstens normalerweise – an der Durchführung dieser archäologischen Maßnahmen kein Interesse. Er ist daher im eigentlichen Sinn des Wortes auch nicht der Verursacher solcher archäologischer Maßnahmen, weil er weder die archäologischen Hinterlassenschaften, die dadurch ‚gerettet‘ werden sollen, in den Boden des Grundstücks eingebracht noch die zu ihrer Erforschung, Erhaltung bzw. ‚Rettung‘ durchzuführenden Maßnahmen in Ermangelung eines eigenen Interesses daran von sich aus ‚bestellen‘ würde, wenn er das nicht müsste, um eine staatliche Genehmigung für die Durchführung seines geplanten Bauvorhabens zu bekommen.
Wer ist der Verursacher für archäologische Maßnahmen?
Verursacht im eigentlichen Wortsinn werden diese Maßnahmen vielmehr dadurch, dass irgendjemand vor Jahrhunderten oder -tausenden irgendwelche Sachen zurückgelassen hat, die sich bis heute im Boden erhalten haben, und dass heute ein öffentliches Interesse an der Erhaltung, Erforschung bzw. ‚Rettung‘ dieser Überreste besteht. Das vom Bauträger geplante Bauvorhaben ist damit nicht ursächlich dafür verantwortlich, dass die archäologischen Feldforschungen durchgeführt werden (müssen). Vielmehr müssen diese Feldforschungen völlig unabhängig von seinem geplanten Bauvorhaben durchgeführt werden, damit die Öffentlichkeit den Nutzen aus ihnen ziehen kann, den sie aus ihnen ziehen möchte, der somit das öffentliche Interesse an ihrer Durchführung kausal begründet (verursacht). Dieser Nutzen ist dem Europäischen Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert) (Art. 1 Abs. 1 Europarat 1992) zufolge als Quelle der kollektiven (europäischen) Erinnerung und Mittel der geschichtlichen und wissenschaftlichen Forschung zu dienen. Das geplante Bauvorhaben stellt daher eigentlich nicht die Ursache, sondern nur den Anlass dafür dar, dass die im öffentlichen Interesse gelegenen Forschungen zu einem gewissen, nämlich vor dem Beginn des Bauvorhabens, und nicht erst einem beliebigen anderen, späteren Zeitpunkt durchgeführt werden müssen. Schon das führt, wie ich bereits andernorts ausgeführt habe (Karl 2018a), zu einem nicht unerheblichen Problem und vor allem engen Grenzen für die Anwendbarkeit des Verursacherprinzips in der archäologischen Denkmalpflege.
Mehr Geld für die Feldforschung! Aber von wem?
Dass es beim archäologisch-denkmalpflegerischen Verursacherprinzip eigentlich nicht darum geht, den ‚Verursacher‘ der erforderlichen archäologischen Feldarbeiten zur Kasse zu bitten, sondern diejenigen Beteiligten, bei denen man annehmen kann, dass sie über die für die Kostentragung notwendigen Finanzmittel verfügen, geht auch in aller wünschenswerten Deutlichkeit aus Art. 6 Z ii der Valletta-Konvention hervor (Europarat 1992). Denn dieser spricht von der Verpflichtung, die Vertragsparteien eingehen, ‚die materiellen Mittel für archäologische Rettungsmaßnahmen‘ dadurch ‚zu erhöhen‘, dass sie dafür sorgen, dass die ‚Gesamtkosten etwaiger notwendiger archäologischer Arbeiten im Zusammenhang mit großangelegten öffentlichen oder privaten Erschließungsvorhaben aus Mitteln der öffentlichen Hand beziehungsweise der Privatwirtschaft‘ (Art. 6 Z ii Europarat 1992) gedeckt werden. Es geht also darum, mehr Geld für die archäologische Feldforschung zu gewinnen; und zwar von jenen, die über bedeutende finanzielle Mittel verfügen; nicht (unbedingt) von jenen, deren Handlungen diese Kosten tatsächlich verursachen.
Rein pragmatisch betrachtet, ist das auch durchaus sinnvoll: archäologische Feldforschungen kosten schließlich Geld; und dieses Geld muss irgendwo herkommen, wenn sie durchgeführt werden sollen (oder müssen). Es von jenen zu bekommen zu versuchen, die es nicht (in ausreichender Menge) haben, ist daher sinnlos; beschaffen kann man es nur von jenen, die genug davon haben. Ob das auch ethisch zu rechtfertigen vermag, die ‚Privatwirtschaft‘ mit einem Teil oder den gesamten Kosten der bei von ihr durchgeführten Erschließungsvorhaben notwendig werdenden archäologischen Maßnahmen zu belasten, soll an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden; auch wenn das auch eine durchaus diskussionswürdige Frage wäre.
Sie finden den kompletten Artikel mit allen bibliographischen Angaben und einer detaillierten Analyse der Rechtslage in Österreich als Blogbeitrag auf der Seite von Raimund Karl „Archäologische Denkmalpflege“.
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