Wie soll es weitergehen mit dem Münzkabinett Winterthur?

Seit 1982 hat das Münzkabinett Winterthur als eigenständiges Museum eine Heimat gefunden in der schicken Villa Bühler. Foto: Roland zh / CC BY-SA 3.0
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Das Münzkabinett Winterthur ist ein ganz besonderes Juwel. Liebhaber antiker Münzen wissen, dass dort große Teile der Sammlung seines ersten Konservators, des bekannten Numismatikers Friedrich Imhoof-Blumer, aufbewahrt werden. 1871 vermachte dieser der Stadt Winterthur seine über 10.000 Münzen umfassende Sammlung Schweizer Münzen, und auch zahlreiche seiner antiken Münzen sind dort verblieben. Seither ist das Münzkabinett auf mittlerweile nahezu 63.000 numismatische Objekte angewachsen. Wer das Münzkabinett einmal besucht hat, wird nicht nur von der Ausstellung schwärmen, sondern auch von dem Museumsgebäude selbst. Seit 1982 ist das Münzkabinett nämlich nicht mehr Teil der Stadtbibliothek, sondern eigenständiges Museum und residiert in der prächtigen Villa Bühler.

Aufgrund dieser historischen Entwicklung ist das Münzkabinett das einzige Schweizer Münzkabinett, das gleichzeitig ein eigenständiges Museum ist – und für die Stadt Winterthur eine kostspielige Angelegenheit. Dieser Umstand hat zu einer sogenannten Motion geführt, also zu einem Antrag des Stadtparlamentes an den Stadtrat, andere Formen der Trägerschaft zu überprüfen.

Winterthur ist die sechstgrößte Stadt der Schweiz. Aber kann sie sich ein Museum wie das Münzkabinett leisten? Manche Politiker möchten eine andere Trägerschaft. Foto: JoachimKohlerBremen / CC BY-SA 4.0

Worum geht es in der Motion zum Winterthurer Münzkabinett?

Im Kern geht es dabei um die Frage: Wer unterhält das Münzkabinett Winterthur? Die Motion nennt rund 700.000 CHF als jährlichen Kostenpunkt. Demgegenüber halten die Antragsteller „ein sehr kleines Publikumsinteresse“, das „v.a. für ein beschränktes, spezifisches, nationales und internationales (Experten-)Publikum“ arbeite. Gleichzeitig ist es „das einzige Münzkabinett in der Schweiz, das als selbstständige Betriebseinheit tätig und nicht Teil eines grösseren Museums oder eines Archivs ist.“

Das klingt zunächst nach den üblichen Sparzwängen, die Politiker einer Institution aufzwängen möchten, die nicht wirtschaftlich genug arbeitet. Tatsächlich unterschlägt die Motion, dass das Museum in den vergangenen Jahren die Eigenfinanzierung stark erhöht hat, wie Museumsleiter Benedikt Zäch gegenüber der MünzenWoche betont. Fragt man nach der Bedeutung des Museums, sollte man nicht nur auf die Besucherzahlen schauen, findet Zäch, selbst auch Abgeordneter im Winterthurer Stadtparlament. Man müsse auch die weiteren Aktivitäten des Münzkabinetts, insbesondere die breite und „überdurchschnittlich nachgefragte“ Vermittlungsarbeit berücksichtigen sowie die kürzlich begonnene Digitalisierung der Sammlung.

Dennoch muss man diesen politischen Vorstoß ernstnehmen und sollte ihn nicht als kulturignorantes Störfeuer abtun. Die Frage, ob eine Gemeinde alleine für ein derartiges Museum aufkommen kann, ist berechtigt. Schließlich sind Einrichtungen von überregionaler, ja internationaler Ausrichtung normalerweise nicht kommunal finanziert.

Soll das Winterthurer Münzkabinett einfach sparen?

Schon 1994 hat es eine ähnliche Motion gegeben, die das Münzkabinett Winterthur betraf. Benedikt Zäch hatte im Jahr zuvor die Leitung des Museums übernommen und erinnert an den zentralen Unterschied der beiden Motionen: „Der Vorstoß von 1994 war ebenfalls eine Motion, die aber klar verlangte, das Museum ,abzustoßen‘ oder zu schließen. Beides wird im neuen Vorstoß ausdrücklich nicht verlangt. Es ist auch auffällig, dass in der Debatte die Bedeutung des Museums ausdrücklich nicht in Frage gestellt wurde.“

Ausgangspunkt der Motion sind die Kosten für die Gemeindekasse. Wie sehr eine veränderte Trägerschaft Winterthur tatsächlich entlastet, ist offen. Und zunächst wird es einen Bericht des Stadtrates geben. Bild: stevepb via Pixabay.

Und wer soll nun zahlen?

Welche Alternativen kommen in Frage? Man könnte die Münzsammlung in das kantonale Museum überführen, wie es bei den meisten Münzsammlungen in der Schweiz der Fall ist. Demgegenüber gibt Benedikt Zäch zu bedenken, dass der Kanton Zürich gar kein kantonales Museum besitzt. Das Schweizerische Nationalmuseum im nahen Zürich (das nicht kantonal finanziert ist) hat als Sammlerauftrag ausdrücklich die Schweiz. Der Schwerpunkt des Münzkabinetts Winterthur hingegen liegt auf Münzen, die thematisch nicht mit der Schweiz verbunden sind. Auch stehen einer direkten Abgabe rechtliche Hindernisse im Weg, denn die wichtigsten Sammlungen des Münzkabinetts, die Sammlungen Imhoof-Blumer, Hüni und Tobler, wurden der Stadt Winterthur als unveräußerliche Schenkungen übergeben, wie Museumsleiter Zäch betont.

Aber auch Zäch wäre einer anderen Trägerschaft nicht grundsätzlich abgeneigt. Das Münzkabinett ist aktuell eine „Verwaltungsabteilung“ der Stadt, was dem Alltagsbetrieb nicht unbedingt förderlich ist. In jedem Fall müsste die Stadt aufgrund der Schenkungsbestimmungen der Sammlungen weiterhin hauptverantwortlich beteiligt sein – und würde damit nicht unbedingt sparen.

Eine finanzielle Beteiligung des Kantons oder einer Stiftung erscheinen daher als realistischere Optionen. Doch bevor konkrete Schritte angedacht werden, muss der Stadtrat bis Ende September 2022 eine Stellungnahme abliefern zu den Möglichkeiten und der aktuellen Situation des Museums. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder das Parlament sieht mehrheitlich keinen Handlungsbedarf. Oder eine einfache Mehrheit beschließt eine sogenannte Erheblicherklärung. Dann muss der Stadtrat eine Umsetzungsvorlage erarbeiten, also alternative Trägerschaftsideen entwickeln. Dies könnte sich über 18 Monate hinziehen – mit der Möglichkeit einer Fristverlängerung, wie der erfahrene Parlamentarier Benedikt Zäch erläutert. Die Motion selbst dient nun erstmal einer politischen Bestandsaufnahme und wird zeigen, wie das Museum aufgestellt ist.

Das Münzkabinett Winterthur 2022

Und dabei muss sich das Münzkabinett ganz sicher nicht verstecken! Abgesehen von der üblichen Ausstellungs- und Vermittlungsarbeit erhielt es im Frühjahr 2022 eine bedeutende Medaillensammlung als langfristige Leihgabe, die auch umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet werden soll.

Daneben wird die Digitalisierung der Münzsammlung vorangetrieben und der seit langem erwartete dritte Band der „Griechischen Münzen in Winterthur“ ist nun erschienen.

Anders als 1994 geht es also nicht um Leben und Tod des Münzkabinetts Winterthur. Denn selbst die Parlamentarier, die sich nicht für Münzen interessieren, erkennen 25 Jahre nach der ersten Motion die internationale Bedeutung des Münzkabinetts. Das ist fraglos eine bemerkenswerte Leistung des Museums. Die Frage, ob eine andere Trägerschaft sogar Vorteile für den Museums- und Forschungsbetriebes dieser wichtigen Schweizer Institution finden lässt, ist legitim.

 

Über die Motion berichtete der Landbote (hinter einer Abo-Schranke).

Hier finden Sie die Website des Münzkabinetts Winterthur.

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