von Ursula Kampmann
5. Mai 2016 – Haben Sie schon einmal nachgedacht, was man im Iran tut, um sich zu erholen? Kurz gesagt, dasselbe wie bei uns: Man fährt in ein nahe gelegenes Ausflugsziel, isst gut und (zu) viel, promeniert einmal die Hauptstraße hinunter und wieder herauf und gibt mehr Geld beim Einkaufen aus wie geplant. Für Täbriz heißt dieser Ort der Naherholung Kandovan.
Montag, 7. März 2016
Heute verließen wir das Hotel erst um 9.30! Purer Luxus! Wir durften bis 8.00 schlafen!!! Eigentlich sollten wir mit dem Bus zur Blauen Moschee fahren. Wir gingen also zum Busparkplatz, setzten uns in den Bus, der fuhr los, und mit einem lauten „Puff“ sackte der Bus spürbar nach unten. Jetzt war das Ding endgültig kaputt. Was für ein Glück, dass uns das nicht gestern in der Einsamkeit des Gebirges passiert war. Also, alles wieder aussteigen.
Der Arg-e Ali-Shah – Nie fertig geworden und dann im 1. Weltkrieg zerstört. Foto: KW.
Es war kein großes Unglück. Täbriz bietet nicht allzu viele Sehenswürdigkeiten. Vor allem nicht an einem Montag, wenn Museen und museale Moscheen geschlossen sind. Dazu liegt die Stadt in einem Erdbebengebiet und litt unter vier russisch-persischen Kriegen.
Täbriz. Aus dem Journal du voyage de Chevalier Chardin von 1687. Quelle: Wikipedia.
Dabei muss die Stadt einst prachtvoll gewesen sein. Marco Polo, der Täbriz um 1275 besuchte, beschrieb sie als „eine große Stadt, umgeben von wunderschönen und angenehmen Gärten. Es ist herausragend gelegen, so dass die Handelswaren, die hierher kommen, aus vielen Gegenden stammen. Händler aus dem Abendland, vor allem Genueser kommen hierher, um Waren aus fremden Ländern zu kaufen.“
Ilchaniden. Gaykhatu, 1291-1295. Dinar, Täbriz. Aus Auktion Gorny & Mosch 226 (2014), 5170.
Täbriz war also ein wichtiges Handelszentrum und verfügte natürlich über eine Münzstätte. Diese Münze der Ilchaniden entstand kurz nach dem Besuch von Marco Polo.
Osmanen. Ahmad III., 1703-1730. Abazi, Täbriz 1703. Überprägung auf einer safawidischen Münze. Aus Auktion Gorny & Mosch 197 (2011), 6669.
Auch in osmanischer Zeit wurde in Täbriz noch geprägt.
Sowjetischer Panzer in den Straßen von Täbriz anlässlich der Invasion von 1911. Quelle: Wikipedia.
Heute sieht man nur noch wenig von der einstigen Pracht. Natürlich sind die Erdbeben daran schuld. Aber die Zerstörungen, die Täbriz während der vier Invasionen Russlands erlitt, sind auch nicht ohne. Wir dürfen die geopolitische Situation nicht vergessen. Alle russischen Zaren seit Peter I. wollten ihr Reich vergrößern, und mit dem 19. Jahrhundert wurde der Osten durch die Schwäche des Osmanischen Reichs und des iranischen Schahs immer vielversprechender. Na ja, Täbriz hatte Pech. Es lag zu nahe an russischem Gebiet…
Der alte Basar. Foto: KW.
Es gab also keinen Grund, traurig zu sein, dass wir einen halben Tag ohne Bus auskommen mussten. Taxis brachten uns in die Innenstadt. Damit gewann unser Busfahrer Nadir einen halben Tag, um entweder den Bus zu reparieren oder einen Ersatzbus zu besorgen.
Der letzte Schrei in Sachen Raumdekoration. Foto: KW.
Und wir hatten Zeit für den lokalen Basar. Das war großartig! Denn mal ehrlich, allzu viel Touristen dürften noch nicht hier gewesen sein. Souvenirs? Fehlanzeige! Dafür gab es jede Menge Zeugnisse von persischem Geschmack, der mit westlichem Minimalismus nichts anfangen kann. Je glänzender, je üppiger, je goldiger etwas ist, umso besser.
Trockenfrüchte im Basar. Foto: KW.
Aber nicht nur opulente Bildteppiche und Gemälde wurden angeboten, auch Alltägliches wie Unterwäsche und Töpfe, Vorhänge und Stoffe, und natürlich alle möglichen Nahrungsmitteln.
Rinderbeine – wahrscheinlich eine Spezialität. Foto: KW.
Manches eignete sich mehr, mitgenommen zu werden, wie die allgegenwärtigen Pistazien, Trockenfrüchte und Süßigkeiten, die gar nicht so süß sind, wie man es aus dem Orient gewohnt ist. Manches ließen wir lieber liegen…
Honig wird hier in Waben verkauft. Foto: KW.
Wie jeder Basar war auch dieser nach Gewerben geordnet. Nur die Teestuben fehlten. Zu gerne hätte ich mich mit einem Gläschen Tee in irgendein Ecklein verdrückt, um das bunte Treiben zu beobachten, aber wir fanden keine Gelegenheit. Und noch etwas fehlte: Kein einziger Händler versuchte, uns in seinen Stand zu zerren, um uns irgendeine Ware aufzudrängen. Nicht dass wir nicht als Ausländer bemerkt worden wären. Von überall her erschallte der Gruß: Welcome to Iran.
Noch etwas ist im Iran anders: Das Handeln entfällt. Es gibt feste Preise, und kein Verkäufer versucht, den Fremden über den Tisch zu ziehen (na ja, außer bei den ganz großen Sehenswürdigkeiten, dort haben sie in dieser Hinsicht schon europäische Standards). Aber nicht so in Täbriz. Ein paar Mitreisende, die – wie wir auch – mit dem iranischen Geld Schwierigkeiten hatten (wer bezahlt normalerweise schon mit Hunderttausendern und Millionen?) reichten dem Händler ihr Geldbündel. Und der nahm sich genau, was ihm zustand, nicht mehr und nicht weniger.
Die gute Stunde, die wir für unseren Bazar-Bummel hatten, war viel zu kurz. Aber das ist halt ein Nebeneffekt der Gruppenreise: Man richtet seine Zeit nicht nach den eigenen Bedürfnissen, sondern nach denen der Gruppe.
Mitten in die Tuffsteinkegel gebaut, das Dorf Kandovan. Foto: KW.
Zurück im Hotel gab es eine angenehme Überraschung: Unser Bus war repariert und bereit, uns in das malerische Dorf Kandovan zu bringen. Ich wusste nicht genau, was ich erwarten sollte. Man solle sich etwas Ähnliches wie das türkische Göreme vorstellen. Ich stellte mir also verlassene Tuffkegel vor … und wir kamen in ein Dorf, in dem die in den Tuffstein gehauenen Höhlen noch voll in den dörflichen Alltag integriert sind.
Bei diesen Höhenunterschieden sind Esel das zuverlässigste Transportmittel. Foto: KW.
Das Hotel, in dem wir ein hervorragendes Mittagessen einnahmen, zog sich über den halben Hügel hin und war zum Teil in den Tuffstein gebaut. Es war toll, aber man musste sich das Mittagessen verdienen. Gefühlte 300 Stufen führten zum Restaurant hinauf. Eine Alternative zum Treppensteigen gab es nicht.
Getrocknete Früchte: Achtung, die sind nicht so süß wie bei uns… Foto: KW.
Kandovan ist ein beliebtes Ausflugsziel für die Einheimischen von Täbriz. Das bedeutet, dass sich die Dorfbewohner auf ihr Klientel eingerichtet haben. Entlang der Hauptstraße gibt es viele Geschäfte, in denen es getrocknete Früchte zu kaufen gibt. Wir erwarben ein paar getrocknete Kirschen und stellten fest, dass sie irgendwie in Salz eingelegt worden waren. Schon ein interessanter Geschmack, diese Mischung aus Kirsche und Salz. Ich glaube nicht, dass ich eine Vorliebe dafür entwickeln werde.
Irgendwo muss die Wäsche getrocknet werden. Und wenn ein Straßenschild schon so günstig steht… Foto: KW.
Aber nicht, dass Sie den Eindruck haben, es habe sich um ein reines Touristendorf gehandelt, wie wir aus der Türkei, Südfrankreich oder Italien kennen. Hier reihte sich kein Andenkengeschäft an das andere. Stattdessen saßen am Dorfplatz die alten Männer auf dem Bänklein und kommentierten alle, die an ihnen vorbeigingen.
Wir wurden öfter fotografiert, als wir Iraner und Iranerinnen fotografiert haben. Foto: KW.
Überhaupt, die Iraner und Iranerinnen. Der Kontakt mit ihnen war die Hauptattraktion des Dorfes. Ein paar junge Mädchen aus Täbriz waren total stolz darauf, mit ihrem Englisch zu glänzen. Und sie wollten unbedingt ein Foto machen.
Der Hammel fürs Abendessen wird geschlachtet. Foto: KW.
Gleich nebenan wurde ein Hammel geschlachtet, enthäutet und zerlegt. Man hätte das natürlich auch eklig finden können, aber irgendwie erschien es mir viel natürlicher als das Fleisch säuberlich in Plastik abgepackt und abgewogen für 9.99 im Supermarkt zu kaufen.
Danach ging es wieder nach hause. Wir verzichteten auf das Abendessen. Das Mittagessen war erst um 14.00 und mehr als reichlich gewesen. Und irgendwann musste ich ja auch noch Tagebuch schreiben…
Dienstag, 8. März 2016
Heute war unser erstes Ziel die Blaue Mosche von Täbriz. Sie wurde von der Frau eines Stammesführers erbaut, dessen Herrschaftsraum unter dem neckischen Namen des Reichs des Schwarzen Hammels in die Geschichte eingegangen ist.
Gleich nebenan wurde ein Hammel geschlachtet, enthäutet und zerlegt. Man hätte das natürlich auch eklig finden können, aber irgendwie erschien es mir viel natürlicher als das Fleisch säuberlich in Plastik abgepackt und abgewogen für 9.99 im Supermarkt zu kaufen.
Danach ging es wieder nach hause. Wir verzichteten auf das Abendessen. Das Mittagessen war erst um 14.00 und mehr als reichlich gewesen. Und irgendwann musste ich ja auch noch Tagebuch schreiben…
Dienstag, 8. März 2016
Heute war unser erstes Ziel die Blaue Mosche von Täbriz. Sie wurde von der Frau eines Stammesführers erbaut, dessen Herrschaftsraum unter dem neckischen Namen des Reichs des Schwarzen Hammels in die Geschichte eingegangen ist.
Wenn wir schon beim Hammel sind: Das Reich des Schwarzen Hammels. Quelle: Arab League / Wikipedia.
Schahan Schah, der Ehemann der Erbauerin unserer Blauen Moschee, war der mächtigste Herrscher dieses Reiches. Und Täbriz war seine Hauptstadt.
Eine Münze des Bruders unseres Schahan Schah: Iskandar, 1420-1438. Tanka mit Gegenstempel. Aus Stephen Album Rare Coins 15 (2013), 580.
Welch wichtige Rolle dieser Schahan Schah spielte, sieht man daran, dass Alexios IV. von Trapezunt ihm nicht nur den Tribut zahlte, der vorher an Tamerlan gegangen war, sondern ihm auch seine Tochter zur Frau gab. (Ich möchte nicht wissen, was die Tochter zu dieser Idee ihres Herrn Papas gesagt hat.)
Die Blaue Moschee, von hier aus gesehen noch nicht wirklich blau. Foto: KW.
Wie auch immer, dieser Schahan Schah, der im 15. Jahrhundert zu den mächtigsten Männern im Nahen Osten gehörte, und von dem hierzulande kaum jemand weiß, der liegt in der Blauen Moschee von Täbriz begraben, die nach ihrer Zerstörung durch ein gewaltiges Erdbeben in den letzten sechs Jahren unter Verwendung alter Teile komplett wieder aufgebaut und restauriert worden ist – und zwar gut.
Ein Blick in die blaue Moschee. Foto: KW.
Man bekommt auf der einen Seite einen hervorragenden Eindruck davon, wie das Gebäude einst ausgesehen hat, ohne die so häufige Disneyworldisierung, die einen glauben machen will, das Gebäude hätte nie irgendwelche Zerstörungen erlitten.
Blau, zart mit Gold bemalt. Foto: KW.
Ihren Namen hat die blaue Moschee nach der einstigen Verzierung mit Kacheln in allen Blau- und Türkistönen, die man sich vorstellen kann.
Ein Blick in die Kuppel. Foto: KW.
Am eindrücklichsten ist die gewaltige Kuppel, die sich über den Hauptraum der Moschee spannt. Es war ein gewaltiges Erlebnis, vor allem, weil unsere Gruppe – wie bis jetzt eigentlich fast immer – völlig allein in der Anlage war. Über zu viele Touristen kann man sich im Iran sicher (noch) nicht beklagen.
Das hat natürlich auch unangenehme Nebenerscheinungen, so zum Beispiel den eklatanten Mangel an öffentlichen Toiletten. Kommen wir bei dieser Gelegenheit auf das etwas peinliche Thema. Toiletten sind im Iran sparsam verteilt. Es handelt sich praktisch ausschließlich um Stehtoiletten, und ihr Zustand nicht immer so, dass man sie gerne besucht. Wobei man die wirklich dreckigen Toiletten nur dort antrifft, wo viele Fremde sind, die nicht wissen, wie man eine Stehtoilette ordnungsgemäß benutzt. Wir haben auf unserer Reise öffentliche Toiletten in Städten besucht, in denen sich noch nie ein Tourist hat blicken lassen, und die waren die saubersten von allen.
Nein, ich werde hier keine Gebrauchsanweisung für Stehtoiletten geben. Das muss jeder selbst herausfinden. Nur eines: Werfen Sie nie, nie, nie, egal in welch vornehmem Hotel Sie sich befinden, Toilettenpapier in die Schüssel. Die Leitungen sind einfach nicht dafür gemacht. Sie riskieren eine Verstopfung. Und ich verspreche Ihnen, das wollen Sie bestimmt nicht erleben.
Langer Rede, kurzer Sinn. Die Blaue Moschee, immerhin Hauptsehenswürdigkeit von Täbriz, hatte keine Toiletten. Ein gewisses Problem für eine Touristengruppe nach dem Frühstück und vor einer dreistündigen Busfahrt. Unser lokaler Führer Ehsan löste das Problem bravourös: Er machte einen Deal mit dem benachbarten Provinzmuseum. Wir durften dort auf die Toilette gehen.
Ein wirklich kurzer Blick in die Münzsammlung des Aserbeidschan-Museums. Foto: UK.
Gott sei Dank verfügte das Museum nur über zwei Toiletten. Hochgerechnet auf eine Gruppe von 22 Personen gab mir das die Zeit, im Laufschritt durch das Museum zu eilen und den obersten Stock zu stürmen, der eine Münzausstellung barg. Also, sollten Sie einmal die Chance haben, Täbriz zu besichtigen, versäumen Sie nicht das Provinzmuseum. Die Erhaltung der Münzen ist zwar nicht besonders berückend, aber die Liebe, mit der die Stücke präsentiert werden, erfreut ein Numismatiker-Herz. Und im Übrigen: Es gibt noch viele leere Lücken für die fehlenden Stücke, vielleicht findet sich ja einmal ein edler Stifter, der dem Museum von Täbriz einige der Lücken füllt.
Der nächste Teil der Serie beschäftigt sich mit der Stadt Ardabil, wo das prachtvolle Grabmal des Gründers der Safawidendynastie zu sehen ist. Außerdem besuchen wir das Grab des hl. Judas Thaddäus, was ich Ihnen eigentlich schon für diese Folge versprochen habe. Aber ich wollte Ihnen dann doch nicht zu viel vom iranischen Alltag vorenthalten …
Alle Teile des Iranischen Tagebuchs finden Sie hier.