Wohin geht die Forschung?

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13. Oktober 2009

XIV. Internationaler Numismatischer Kongreß in Glasgow

Vom 31. August bis zum 4. September 2009 fand der XIV. internationale
Kongress in Glasgow statt. 550 Delegierte kamen aus aller Welt, um
Sitzungen zu besuchen und Vorträge zu halten. 375 Präsentationen konnte
man in dreieinhalb Tagen hören, 31 Poster sehen – und wer damit immer
noch nicht genug hatte, der ging zu den fünf Round-Table-Diskussionen.

Es war in erster Linie ein großes Familienfest. Die numismatische Welt
traf sich und sprach miteinander. Besonders die informellen Treffen
sind wichtig, um unsere zerstreute Wissenschaft zusammenzuhalten. Nur
an den wenigsten Institutionen gibt es mehrere Numismatiker, umso
wichtiger, daß jeder weiß, wo der Kollege sitzt, der einem in einer
ganz speziellen Frage weiterhelfen kann.

Begrüßung der Kongreßteilnehmer auf echt schottische Art mit dem Dudelsack. Foto: Ragnar Hedlund.

Außerdem ist es immer wieder interessant zu sehen, woran die numismatische Welt derzeit forscht. Es gibt ein ganz gutes Bild von der aktuellen Forschungslage, sich sorgfältig den Katalog der Veranstaltungen durchzusehen. Von den 124 Sitzungen beschäftigten sich fast die Hälfte, nämlich 59 mit antiken Münzen. Das Schwergewicht lag dabei bei den Römern: Den 30 Veranstaltungen standen 24 zu griechischen und 5 zu keltischen Münzen gegenüber.

 

Objekte der vielseitigen Sammlung von Dr. William Hunter, zu der auch eine bedeutende Münzsammlung gehört, ist in einem eigenen Museum ausgestellt. Foto: Ragnar Hedlund.

Bei den Griechen ist eine Verlagerung des wissenschaftlichen Interesses
auf Randgebiete zu beobachten. Während Sizilien und die Magna Graecia
jeweils nur eine Sitzung bekamen, waren gleich drei dem
Schwarzmeergebiet gewidmet.

Maria Caccamo-Caltabiano wird die Organisatorin des nächsten numismatischen Kongresses in Taormina sein. Foto: Hermann Twiehaus.

Beherrschend sind in der numismatischen Forschung – vor allem bei
den römischen Münzen – derzeit die Fundmünzen und die Hortfunde. Allein
16 Sitzungen der 30 Veranstaltungen zum Thema Römer beschäftigten sich
damit. Dazu kamen zwei Round Tables, einer zum Thema „Münzen im
Fundzusammenhang“ und einer zu „Netzwerke zur Auswertung von
Münzfunden“. Zum Vergleich, zur Interpretation von römischen Münztypen
waren nur vier Sitzungen angesetzt.
Auch die mittelalterliche
Numismatik fand reges Interesse. Hier gab es 23, teilweise hervorragend
besuchte Sitzungen. Hier hatten die Veranstalter anscheinend das
Interesse unterschätzt, der Saal wurde gelegentlich eng.
Geradezu
stiefmütterlich wird es dagegen im Bereich der modernen Numismatik. Nur
13 Sitzungen waren den westlichen Prägungen dieser Periode der
Geldgeschichte gewidmet. Für den Nahen und Fernen Osten inklusive
Afrika brachten es Antike, Mittelalter und Neuzeit zusammen auf 11
Sitzungen und einen Round Table. Noch schlimmer stand es mit den
Medaillen, hier gab es von der Renaissance zur Gegenwart lediglich vier
Sitzungen.
Es ist bedenklich, wie sehr sich die Numismatik derzeit
selbst auf die Fundmünzenforschung einengt und dabei völlig am
Interesse der breiten Öffentlichkeit der Münzsammler vorbeiforscht.
Dies liegt aber wohl auch am mangelnden Kontakt zwischen den
verschiedenen Zweigen der Numismatiker. Und hier müssen sich Sammler
und Händler an der eigenen Nase fassen.
Der Internationale
Numismatische Kongreß versteht sich per se als Treffpunkt ALLER
Numismatiker. Es ist zu wünschen, daß beim nächsten Mal wieder mehr
Sammler und Händler anwesend sein werden, um ihre eigenen Forschungen
vorzustellen. Und hinsichtlich der Sprache gibt es keine Ausrede.
Offizielle Kongreßsprachen sind nämlich Englisch, Französisch,
Spanisch, Italienisch UND Deutsch.

von Ursula Kampmann

Abschiedszeremonie in der Wellington Church. Foto: Ragnar Hedlund