von Ursula Kampmann
19. Oktober 2017 – Am 13. Oktober 2017 verstarb Wolfgang Haney. Er gehörte zu den profiliertesten Sammlern von Judaika, mit denen er die Alltagsgeschichte des Antisemitismus und des Holocausts illustrierte. Teile seiner mehr als 12.000 Objekte umfassenden Sammlung waren in unzähligen Ausstellungen in Europa und Übersee zu sehen – allein in Deutschland organisierte er zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung knapp 70 Ausstellungen. Er selbst hat etliche Bücher veröffentlicht. Die Gemeinschaft der Sammler verliert mit ihm einen Menschen, der die feste Überzeugung vertrat, dass er mit seinem Handeln die Welt ein Stück besser machen kann. Er kämpfte dafür, dass etwas Schreckliches wie der Holocaust nie wieder passieren wird.
Wolfgang Haney bei der Eröffnung einer Vereinssitzung der Berliner Münzfreunde im Mai 2017. Foto: Bodo Heyne.
Leben in Deutschland
Wolfgang Haney kam am 9. Januar des Jahres 1924 in Berlin zur Welt. Als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die politische Macht in Deutschland übernahmen, war er gerade einmal neun Jahre alt, ein Kind noch, aber ein Kind, das mit aufmerksamen Augen verfolgte, wie sich Deutschland um ihn herum veränderte. Haney war der Sohn eines katholischen Vaters und einer jüdischen Mutter. So erlebte er die Schrecken des Holocausts am eigenen Leibe. Er, der 1942 erfolgreich die Höchstbegabtenprüfung ablegte, wurde als „Mischling ersten Grades“ der Schule verwiesen und musste eine Maurerlehre aufnehmen; die Musikschule seines Vaters wurde geschlossen. Als das Haus der Familie 1943 bei einem Bombenangriff zerstört wurde, zwang man die Familie Haney, in einen Keller umzuziehen.
Viele Mitglieder von Haneys Familie fielen dem Holocaust zum Opfer. Seiner Mutter gelang es nur deshalb, nicht deportiert zu werden, weil sie in die Wälder um Berlin floh, wo sie sich in einer selbstgebauten Holzhütte versteckte. Trotzdem blieb Wolfgang Haney nach dem Ende des Kriegs in Deutschland. Er hatte noch 1942 mit einer Sondergenehmigung begonnen, das Ingenieurswesen zu studieren, und half im neuen Deutschland beim Wiederaufbau des zerstörten Berlins, erst als Stadtrat beim Berliner Magistrat, später als Dienststellenleiter bei der BEWAG.
Splitter aus der Vergangenheit
Obwohl Haney bereits als Kind Münzen und Briefmarken gesammelt hatte, fällt der wichtigste Teil seiner Sammeltätigkeit erst in die Zeit nach dem Beginn seiner Pensionierung im Jahr 1991. Der Sammler beschloss, die Objekte des antisemitischen Alltags zu sammeln, „um das Gedenken an all die Menschen zu bewahren, die aus unserer Familie gestorben sind.“
Objekte für seine Sammlung fand Haney genug. Sein Interesse reichte von Postkarten und Briefen, die aus KZs verschickt wurden, über Fotos, Poster, Flugblätter, Sticker, Briefmarken, Abzeichen, Karikaturen, Lebensmittelkarten bis hin zu den Zahlungsmitteln, die in Konzentrationslagern Verwendung fanden. Er unterstützte die Entstehung zahlreicher Bücher durch Bereitstellung von Material aus seiner Sammlung, darunter die Münzsammlern wohl vertrauten Titel von Hans-Ludwig Grabowski „Kennzeichen Jude“, eine Studie zu den deutschen Lebensmittelkarten für Juden, und „Der Jude nahm uns Gold, Silber und Speck“, eine Abhandlung über die Propagandascheine, also über Banknoten, die entweder bereits mit antisemitischer Botschaft gedruckt, oder mit Überstempelungen versehen wurden.
Ein einzelner kann die Welt ändern
Zu einem seiner größten Erfolge wurde das ebenfalls zusammen mit Hans-Ludwig Grabowski verfasste Buch „Das Geld des Terrors“, ein Katalog aller historischen Geldzeichen aus Lagern und Gettos. Es spielte eine wichtige Rolle bei der juristischen Aufarbeitung der Frage nach einem Anspruch von Holocaust-Überlebenden auf eine Rente. Mit Hilfe der Geldscheine konnte der Anwalt der Holocaust-Überlebenden beweisen, dass es sich bei der Tätigkeit eben nicht um freiwillige Lohnarbeit gehandelt habe. Die deutsche Rentenkasse verlor den Prozess.
Ein aktives Mitglied der numismatischen Gemeinde
Wolfgang Haney war aktiver Sammler und liebte den Umgang mit anderen Sammlern. Er war ein langjähriges Mitglied der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin und 30 Jahre lang Vorsitzender der Berliner Münzfreunde e. V. Wie sehr er das Zusammensein mit anderen Sammlern mochte, zeigt unser Bild, das erst vergangenes Jahr aufgenommen wurde: Wolfgang Haney besuchte auch mit über 90 Jahren noch regelmäßig die Treffen seines Vereins!
Für sein Engagement wurde Wolfgang Haney mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2006 erhielt er den Verdienstorden des Landes Berlin, die höchste Auszeichnung, die Berlin vergeben kann.
Die Gemeinschaft aller Münzbegeisterten wird Wolfgang Haney als einen engagierten Sammler und Menschen in bester Erinnerung behalten. Wir brauchen Menschen wie ihn, um uns daran zu erinnern, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden und dass sie alle ein Recht haben auf Leben und Freiheit und das Streben nach Glück.
Sie erfahren mehr über die Sammlerleidenschaft von Wolfgang Haney bei Tip-Berlin, auf schoah.org und israelogie.
Einige der oben genannten Bücher können Sie auf der Seite des Gietl-Verlags bestellen.
Wir danken Herrn Lutz Fahron für das Beschaffen eines aktuellen Fotos und für die schnelle und unbürokratische Hilfe beim Zusammenstellen des Materials.