Workshop in Tübingen: Archaeology of Money

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von Ursula Kampmann

24. Oktober 2013 – Was ist eigentlich Geld? Wie funktioniert es? Und ist es sicher, dass es nur so und nicht anders funktionieren kann? Solche Fragen werden an numismatischen Kongressen eher selten gestellt. Und doch sind wir hier an der Wurzel unserer Fragestellungen. Wie können wir verstehen, warum die ersten Münzen entstanden sind, wenn wir das Phänomen Geld nicht begreifen?

Die Teilnehmer des Workshops „Archaeology of Money“. Foto: Thomas Zachmann, Institut für Klassische Archäologie Tübingen.

Außerdem ist die Numismatik sicher nicht die einzige Wissenschaft, die sich mit Geld beschäftigt. Da gibt es Ökonomen, Wirtschaftshistoriker und viele, viele mehr. Wie viele mehr, war mir vor dem Kongress, der auf Initiative von Colin Haselgrove (Leicester) und Stefan Krmnicek (Tübingen) vom 17. bis 18. Oktober 2013 in Tübingen stattfand, nicht klar gewesen. Ethnologen, Anthropologen, Archäologen, Sinologen, sie alle denken darüber nach, wie Geld funktioniert.

Eingang zum Schloss Hohentübingen, wo das Institut für Klassische Archäologie untergebracht ist. Foto: UK.

Der Kongress begann am Abend des 17. Oktober mit einem Vortrag von Bill Maurer, einem Kulturanthropologen, der sich besonders auf Geld und Fragen zu modernen Zahlungsmitteln spezialisiert hat. Er ist Gründungsmitglied des Institute of Money, Technology und Financial Inclusions, das von der Bill und Melinda Gates Foundation getragen wird, hat entscheidend an der Citi Money Gallery des British Museum mitgewirkt und ist heute Dekan der School of Social Sciences in UC Irving. Eine echte Kapazität also, auf deren Vortrag „Cashlessness, Ancient and Modern“ ich mich riesig gefreut habe. Über den Inhalt kann ich Ihnen leider nichts berichten, mein Englisch war einfach zu schlecht, um den Dialekt des Vortragenden wirklich zu verstehen. Was schade ist, ich bin mir sicher, ich hätte viel aus dem Vortrag lernen können.

Lorenz Rahmstorf (Universität des Saarlandes). Foto: UK.

Zum Glück waren die anderen Redner leichter zu verstehen, so Lorenz Rahmstorf, Vor- und Frühgeschichtler an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, der genau abgrenzte, in welchen Stufen sich Geld entwickelte: Seit der späten Altsteinzeit können wir einfache Formen von Geld erkennen, bei denen allerdings eine echte Unterscheidung zwischen Ware und Geld noch nicht möglich ist. Etwa um 3000/2700 v. Chr. wurden die ersten Rohmaterialien in einheitlichen Formen gehandelt, das erste Edelmetall gewogen. In Europa allerdings verbreiteten sich diese neue Kulturtechnik erst um 1400/1300 v. Chr. Die dritte Stufe war dann die Einführung von Münzen, die von einer Autorität garantiert wurden – und damit sind wir quasi schon fast bei unserem Zahlungssystem.

Yap-Steine vor einem Gemeinschaftshaus. Foto: Dr. James P. McVey, NOAA Sea Grant Program. http://www.photolib.noaa.gov/htmls/mvey0120.htm

Ein besonderer Schwerpunkt galt dem, was heute als prämonetäre Geldformen bezeichnet wird. So berichtete Lynn H. Gamble über die Verwendung von Muschelperlen auf dem Nordamerikanischen Kontinent. Und Scott Fitzpatrick stellte seine Forschungen auf Yap und Palau vor. Die Einwohner der Insel Yap bezahlten nämlich teuer für das Privileg, ihre berühmten Geldsteine von der benachbarten Insel Palau holen zu dürfen. Der Wert so eines Steins ergab sich nicht nur aus Größe und Schönheit, sondern auch aus dem Risiko, das die Männer beim Transport eingegangen waren, und aus den Geschichten, die sich um ihn rankten. Kam niemand bei der Überfahrt um, war das schon etwas Besonderes, wie der Namen des „Steins ohne Tränen“ beweist. Erst ein ausgewanderter Ire namens David O’Keefe, revolutionierte die Währung: Gegen Kopra holte er riesige Steine mit seiner Dschunke nach Yap, die übrigens trotz ihrer Größe wesentlich weniger wert waren als die, die sich vorher schon auf der Insel befunden hatten.

China. Banknote der Ming-Dynastie, 1368-1398, im Wert von 1.000 Ch’ien. Foto: MoneyMuseum.

Ein Höhepunkt des Kongresses kam aus einer Ecke, aus der man es nicht erwartet hätte, von den Sinologen. Hans Ulrich Vogel (Tübingen) hat 2012 ein viel beachtetes Buch herausgegeben, in dem er die Aussagen von Marco Polo über die Wirtschaft des chinesischen Reichs mit der zeitgenössischen chinesischen Überlieferung vergleicht. Sein Ergebnis lautet: „Marco Polo was in China“, anders hätte er nicht über so viele Detailkenntnisse in Sachen Geld verfügen können. Papiergeld lief nämlich nicht – anders als man es sich heute vorstellen mag – im ganzen Reich des Kublai Khan um, sondern nur in den Städten des Nordostens; im Südwesten dagegen verzeichnete Marco Polo noch den Gebrauch von Kaurischnecken. Exakt gibt er Gebühren an und beschreibt das vorherrschende Steuersystem.
Wer an dieser Materie interessiert ist, dem sei das Buch empfohlen. Man kann es für 176 Euro bzw. 245 $ über den Verlag Brill beziehen.

Josephus Platenkamp (Münster). Foto: UK.

Die ungewöhnlichsten Aspekte, zumindest für die Ohren von Numismatikern, bot der Ethnologe Jos Platenkamp aus Münster. Er beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie die Einheimischen auf den nördlichen Molukken in Indonesien Geld benutzen. Münzen kennt man dort seit Jahrhunderten. Von den Molukken kamen nämlich die Gewürznelken und Muskatnüsse – eine höchstwillkommene Ware, für die immer schon hohe Preise gezahlt wurden.
Der Ethnologe beobachtete nun, dass der intrinsische Wert der Münzen für die Einheimischen keine entscheidende Rolle spielte. Vielmehr richtete sich der Wert danach, ob die Münze als lebendes oder als totes Geld benutzt wurde. Lebendes Geld wurde für Ware bezahlt, die sich vermehrte, die Frucht trug, die zur Welt der Lebenden gehörte. Totes Geld dagegen gehörte den Ahnen, wurde gegeben für Beleidigungen, Totschläge, Verstöße gegen die Weltordnung eben, bei denen die Ahnen wieder versöhnt werden mussten. Den einheimischen Wert der niederländischen Gulden legte eine komplizierte Rechnung fest, die für den Außenstehenden nicht leichter zu durchschauen ist, als unsere Zins- und Zinseszinstabellen für ein Naturvolk.
Auf jeden Fall relativierte dieser Vortrag das, was wir glauben, sicher von Geld zu wissen. Gerade die Ethnologie bietet interessante Konzepte von einem Geld, das mit dem unseren nichts zu tun hat. Sie bietet Anregungen zum Verstehen uns unverständlicher Phänomene. Wobei wir erst einmal lernen müssen, die richtigen Fragen zu stellen, ehe wir uns an das Begreifen machen.

In dieser Zeit des Spezialistentums, in dem Allrounder beargwöhnt und belächelt werden, wird es immer wichtiger, über den Tellerrand hinauszublicken, um zu sehen, was andere Disziplinen zum eigenen Thema beizutragen haben. Es ist das Verdienst von Colin Haselgrove und Stefan Krmnicek, diesen ungewöhnlichen, innovativen und inspirierenden Workshop zusammengebracht zu haben. Was die einzelnen Teilnehmer daraus machen, welche fachübergreifende Zusammenarbeit möglich wird, das wird die Zukunft zeigen.

Eines aber ist klar: Die Forschung rund um das Thema Geld bleibt spannend!

Hier gibt es noch einmal alle Details zum Kongress.

Das ist die Website des Instituts für Klassische Archäologie in Tübingen.

Übrigens gibt es in Tübingen ein sehenswertes Museum für Alte Kulturen mit einer Münzsammlung.

Und hier geht’s zur School of Archaeology and Ancient History der University of Leicester.