Würzburg spielt jetzt in der Numismatik vorne mit

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von Wilhelm Müseler

2. März 2017 – Ende des vergangenen Jahres ist die Sammlung Griechischer Münzen des Würzburger Industriellen Herbert Wellhöfer der Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit ihrer als Teil des Martin von Wagner Museums in der fürstbischöflichen Residenz aufbewahrten Münzsammlung geschenkt worden, und zwar mit der Maßgabe, dass das Ensemble der Öffentlichkeit und der Forschung dauerhaft zugänglich gemacht wird. Zugleich hat der Stifter der Universität die Mittel zur Verfügung gestellt, dieser Aufgabe materiell und personell gerecht werden zu können.

Arkadien. Pheneos. Stater 360/350 v. Chr. Schultz in SNR 71, 1992, Tf. 8, 5.1. (dieses Exemplar). Ex Tripolis Hort 1950 und Slg. BCD. Gekauft ab Lager von NAC 2014.

Die mit viel Liebe und Sachkenntnis vor allem in den vergangenen 25 Jahren zusammengetragene Sammlung Wellhöfer ist zwar nicht sehr umfangreich, aber sie gehört von der Seltenheit und der Qualität ihrer Stücke her zu den bedeutendsten Beständen ihrer Art in Deutschland, welche sich bis in die jüngste Zeit in privater Hand befunden haben. Das Ensemble enthält 364 griechische Münzen, wobei der Bogen der Gepräge die gesamte griechische Welt von Emporion in Hispanien bis zu Kyrene in der Kyrenaika umspannt. Dazu kommen 44 römische bzw. provinzialrömische Stücke und ein postantikes Medaillon von der Hand des italienischen Renaissance-Künstlers Alessandro Cesati aus der Sammlung des Wiener Numismatikers Robert Göbl. 

Pars pro toto seien hier nur einige herausragende Beispiele angeführt:

Sizilien. Gela. Tetradrachme um 420 v. Chr. Jenkins, Gela 371; SNG Lloyd 970. Ex Auktion Parsy, März 2014, 6.

  • das hochklassische Tetradrachmon aus Gela mit der menschenköpfigen Stierprotome und der Nike aus einer anonymen Pariser Sammlung
  • das archaische Tetradrachmon von Naxos auf Sizilien mit dem ithyphallischen Silen aus der Sammlung John Ward
  • das Tetradrachmon der 1. Republik von Syrakus mit dem in ein Incusum eingepunzten Kopf der Nymphe Arethusa aus den Doubletten des Britischen Museums bzw. der Sammlung Alexander von Petrowicz
  • das (unsignierte) Drachmon des Eukleidas aus der Zeit des Tyrannen Dionysios I. von Syrakus aus den Sammlungen Gustav Philipsen, R. Jameson und Walter Niggeler 
  • das Trihemidrachmon von Leukas mit dem Kampf zwischen dem auf einem Pegasos reitenden Heros Bellerophon und der Chimäre aus der Sammlung Samuel Pozzi

 

Boiotien. Theben. Stater 450/440 v. Chr. BMC 32 Ex Slg. Montague (=Aukt. Sotheby 1896, 366, Slg. Sir Hermann Weber 3250 und Slg. Virgil Brand III (=Aukt. Sotheby Zürich 1987) 73. Ex Auktion PN 396, 2008, 257.

  • der Stater aus dem boiotischen Theben mit dem den Bogen prüfenden Herakles aus den Sammlungen Hyman Montagu und Virgil M. Brand
  • der Stater des Jahres 346 v. Chr. der Delphischen Amphiktionie zur Wiederherstellung des Alkmaioniden-Heiligtums aus den Sammlungen Edward P. Warren und Frank Sherman Benson
  • der Stater der 82.-87. Olympiade aus Olympia aus der Sammlung Pierre Strauss und der etwas spätere Stater der 98. Olympiade aus den Sammlungen Charles Gillet („Kunstfreund“) und BCD 
  • der Stater aus dem arkadischen Pheneos mit Hermes und dem Knaben Arkas aus dem Tripolis Hort von 1950 und der Sammlung BCD

Arkadien. Stymphalos. Stater um 350 v. Chr. Boston Coll. 1269 Ex Münzkabinett Gotha, Auktion M&M 19, 1959, 442 und Slg. „Prospero“ (= New York Sale XXVII, 2012) 400. Ex New York Sale XXXII, 2014, 150.

  • der Stater aus dem arkadischen Stymphalos mit dem Kampf des Herakles gegen die stymphalischen Vögel aus dem Münzkabinett Gotha und der Sammlung „Prospero“ sowie das eventuell von der Hand desselben Stempelschneiders geschaffene Pendant zu dieser Prägung aus dem kretischen Chersonesos aus der Sammlung George Le Rider
  • der Stater aus dem kretischen Gortyn mit der Nymphe im Baum aus den Sammlungen Athos Moretti und Roland Maly sowie der Stater aus dem kretischen Sybrita mit dem die Sandale bindenden Hermes aus den Sammlungen Charles Gillet („Kunstfreund“) und Jorge Abecassis
  • der Stater aus dem bithynischen Herakleia Pontika mit der Nike, die das Ethnikon auf den Schrötling schreibt, aus den Sammlungen Hans von Aulock und Denyse Behrend

Ionien. Ephesos. Tridrachme 394/387 v. Chr. SNG v. Aulock 7821; Kinns in Coin Hoards IX, S. 101, 3 a (dies Exemplar). Ex „Hekatomnos-Hort“, Auktion Sternberg 13, 1983, 175 und Slg. „Prospero“. Ex New York Sale XXVII, 2012, 502. $25.000.

  • die Tridrachme von Ephesos mit dem Herakliskos Drakonopnigon aus dem sog. Hekatomnos-Hort und der Sammlung „Prospero“
  • der Stater aus einer unbestimmten karischen Münzstätte am Golf von Telmessos mit einem geflügelten Jüngling (Hermes?) im Knielauf und einem Löwen aus dem Caria Hort von 1932, den Karl Schefold in seinem Buch Meisterwerke der Griechischen Kunst abgebildet hat
  • die Tetradrachme von der Insel Kos mit dem Diskuswerfer neben einem Dreifuss aus den Doubletten der Bibliothéque Nationale de France und der Sammlung William Henry Waddington

Lykien. Dynast Kherei. Stater um 425 v. Chr., Phellos Slg. Winsemann 167 var.; Müseler VI, 1 (dies Exemplar). Ex Auktion Roma VII, 2014, 709.

  • der Stater des lykischen Dynasten Kherei aus Phellos mit dem Nymphenkopf und der Eule und der etwas spätere aus Xanthos mit der Porträtbüste des Dynasten im Dreiviertelprofil
  • der Stater nach sidonischem Vorbild aus der Stadt Tarsos in Kilikien mit dem Grosskönig im Löwenkampf und die wenig spätere Prägung des persischen Satrapen Mazaios aus derselben Stadt auf die Wiedereroberung von Ägypten, die den thronenden Grosskönig mit den Kronen von Ober- und Unterägypten zeigt, aus den Sammlungen „Prospero“ und „Sunrise“
  • der Stater des Königs Sasamarios von Marion auf Kypros mit dem Epheben Phrixos und dem Widder 

Kreta. Gortyn. Stater um 300 v. Chr. Le Rider Tf. XIII, 4 Ex Auktion Leu 28, 1981, 122, Slg. A. Moretti und Slg. R. Maly. Ex Auktion LHS 100, 2007, 274.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und selbst wenn nicht jedes einzelne Stück bis ins 20. oder sogar bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann (ein Anspruch, der selbst bei einer so relativ kleinen Sammlung kaum durchzuhalten ist) finden sich bei der großen Zahl eindrucksvoller Pedigrees außer den genannten noch viele andere bekannte Namen wie Sir Arthur Evans, R. Cyril Lockett, Sir Hermann Weber, Athanasios Rhousopoulos, Roland Käppeli, Henri de Nanteuil usw. Gemeinsam ist allen Münzen aber die hohe künstlerische Qualität der Darstellung und zum Teil auch der überdurchschnittlich gute Erhaltungszustand. Sie spiegeln den erlesenen Geschmack des Sammlers, der sich ursprünglich vor allem mit Künstlergraphik befasst und erst relativ spät im Leben zur antiken Numismatik gefunden hat. Die Gesamtstruktur der Kollektion spiegelt darüber hinaus auch spezifische Interessen des Sammlers (und seines engsten Beraters) wider: So ist den höchst abwechslungsreichen und überaus lebendigen Nymphendarstellungen auf den thessalischen Kleinsilbermünzen des 4. Jahrhunderts v. Chr. viel Platz eingeräumt; und die südanatolischen Landschaften Karien, Lykien und Kilikien sind mit einer besonders großen Anzahl von außerordentlich seltenen Prägungen in hervorragender Erhaltung vertreten. 

Das Martin von Wagner Museum beherbergt eine der bedeutendsten universitären Sammlungen ganz Europas. Foto: © Martin von Wagner Museum Würzburg.

Das Martin von Wagner Museum gehört zu den bedeutendsten universitären Sammlungen in Europa und ist ganz zu Unrecht vergleichsweise wenig bekannt. Seinen Kernbestand bilden die großartigen Sammlungen antiker und neuerer Kunst des 1777 in Würzburg geborenen und 1858 in Rom verstorbenen Malers und Bildhauers Martin von Wagner. Wagner hatte den größten Teil seines Lebens als „Kunstagent“ (d.h. Kunsthändler) des bayerischen Königs Ludwig I. in Rom verbracht. Die Münchener Glyptothek verdankt ihm unter anderem den sogenannten Barberini-Faun und die Giebelfriese des Aphaia-Tempels von der Insel Ägina. 1857, ein Jahr vor seinem Tod, hat er seine großen privaten Kunstsammlungen der Universität seiner Heimatstadt Würzburg geschenkt. Im Mittelpunkt der Kollektion antiker Kunst steht vor allem die Sammlung bemalter griechischer Vasen, die zu den wichtigsten Beständen dieser Art in Deutschland zählt und die im Obergeschoss der Würzburger Residenz zu sehen ist. 

Im Mittelpunkt der Würzburger Sammlungen stehen die griechischen Vasen. Foto: © Martin von Wagner Museum Würzburg.

Dagegen war die Münzsammlung des Martin von Wagner Museums im Vergleich mit der Qualität der sonstigen Bestände bisher eher unbedeutend. Sie bestand bis vor Kurzem im Wesentlichen aus einer recht interessanten aber nicht weiter aufregenden Studiensammlung von etwas mehr als 100 griechischen Münzen, die in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dank des Einsatzes von Erika Simon dem Museum geschenkt worden ist. Mit der Wellhöfer Stiftung ist das Würzburger Kabinett nun aber auch numismatisch von der Kreisliga direkt in die erste Bundesliga katapultiert worden und kann der Öffentlichkeit hier künftig einen Bestand von höchstem Niveau präsentieren. 

Dank der großzügigen Stiftung durch Herbert Wellhöfer zählt das Martin von Wagner Museum jetzt auch in der Numismatik zu einer der wichtigen Adressen in Deutschlands Museumslandschaft. Foto: © Martin von Wagner Museum Würzburg.

Die Entscheidung, die Sammlung dem Martin von Wagner Museum zukommen zu lassen, ist indes keineswegs zufällig zu Stande gekommen und war auch nicht bloß von irgendwelchen lokalpatriotischen Interessen geleitet. Der Stifter, der die öffentliche Debatte der letzten Jahre in Deutschland und anderswo über die Legitimität des privaten Sammelns von Gegenständen des Altertums mit lebendigem Interesse aber auch mit wachsendem Unmut verfolgt hat, hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Vertreter der Universität Würzburg und des Martin von Wagner Museums – nicht zuletzt eingedenk der eigenen Geschichte – wenn überhaupt dann stets sehr zurückhaltend und mit dem erforderlichen Augenmaß zu diesem Fragenkomplex geäußert haben. An dem wenig sachgerechten und bisweilen von allerlei scheinheiligen oder auch komplett wahrheitswidrigen Behauptungen durchzogenen Gepolter von Seiten mancher Vertreter der verbeamteten Archäologie in Deutschland, die auf internationaler Ebene nach und nach ihre Felle davonschwimmen sehen und nun daheim zur Hexenjagd auf die privaten Sammler blasen, hat man sich hier nie beteiligt. Vielmehr war man in Würzburg stets auf einen Ausgleich zwischen privaten und öffentlichen Belangen bedacht und hat auf eine fruchtbare Kooperation gesetzt, was in der Folge natürlich auch manche Stiftung begünstigt und der Wissenschaft insgesamt zu Gute kommt. Für eine solche Politik der Zusammenarbeit stand und steht stellvertretend für viele Sammler antiker Objekte auch Herbert Wellhöfer.

Hier finden Sie die neue Seite des Martin von Wagner Museums.