von Björn Schöpe
16. Mai 2013 – Die kleinsten Nominale unter den Münzen sind zu einer bedrohten Spezies geworden. Auf der ganzen Erde werden die Kleinstmünzen abgeschafft, vor allem wegen der gestiegenen Rohstoffpreise, die dazu geführt haben, dass die Produktionskosten den Nennwert übersteigen und die Ausgabe somit für den Staat zu einem Verlustgeschäft werden lassen.
Kanada hat den traditionsreichen Penny abgeschafft, Russland schafft die 1- und 5-Kopeken ab, die USA erwägen ein Ende des Pennys, in Polen entschloss man sich erst im letzten Moment, doch die 1- und 2-Grosz-Münzen zu behalten. In der Schweiz stehen die kleinen Rappen-Stücke seit Jahren auf der Abschussliste, und nun wurde bekannt, dass auch die Zukunft der 1- und 2-Cent-Stücke alles andere als gewiss ist.
Das Europäische Parlament und der Rat der Minister gab im vergangenen Jahr eine Studie in Auftrag, die Wirtschaftlichkeit und öffentliche Akzeptanz der Euro-Kleinstmünzen zu überprüfen. Dem ist die EU-Kommission nachgekommen. Am 14. Mai gab Olli Rehn, der für Wirtschaft, Währung und den Euro zuständige Vizepräsident der Kommission, bekannt: „Die Kommission hat Unternehmen und Verbraucherverbände, Finanzministerien, Münzprägeanstalten und Zentralbanken zum Pro und Contra einer weiteren Ausgabe von 1- und 2-Euro-Cent-Münzen konsultiert.“ Man wolle sehen, ob eine klare Richtung zu einer neuen Gesetzesvorlage führe.
Seit 2002, dem Beginn der Ausgabe von Euromünzen, belaufe sich das Verlustgeschäft der Prägung dieser beiden Kleinstnominale für die Staatengemeinschaft auf rund 1,4 Milliarden Euro. Es seien weniger die reinen Materialkosten als vielmehr der gesamte Herstellungsprozess, der zu Buche schlage. Die Kommission sieht vier Szenarios: Alles bleibt beim Alten; es gelingt, die Kosten zu senken, eher durch veränderte Produktionsbedingungen als günstigere Materialien wie Stahl oder Aluminium; die beiden Nominale werden schnell aus dem Verkehr gezogen; oder man lässt die Nominale leise auslaufen. In den ersten beiden Fällen würde sich die Nutzung nicht ändern, höchstens Aussehen und Beschaffenheit der Münzen. In den beiden letzten Fällen teilten die Münzen das Schicksal etwa des kanadischen Pennys, der ebenfalls gesetzliches Zahlungsmittel blieb, aber nicht mehr geprägt und ausgegeben wurde. An Automaten können die kleinsten Nominale ohnehin nicht eingesetzt werden.
Der Kommissionsbericht vermerkt deutlich, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch ist, und die Menschen im Falle eines Endes der 1- und 2-Cent-Münzen eine „Anpassung“ der Preise nach oben fürchten. Dafür müsste es eine gesetzliche Regelung geben.
Auch die Schweiz führte in den letzten Jahren eine Debatte über ihre Kleinstnominale. Schon 2006 schlug die Eigenössische Münzstätte Swissmint dem Bundesrat vor, nicht nur das 1-Rappen-Stück, sondern gleich auch das nächstgrößere Nominal, das 5-Rappen-Stück, aus dem Verkehr zu ziehen. Die Produktion der Kupfer-Aluminium-Nickel-Legierung überstieg auch in diesem Fall den Nennwert. Der Zweiräppler war bereits 1978 außer Kurs gesetzt worden, und 2007 folgte ihm tatsächlich der Einräppler. Den Fünfer allerdings wollte der Bundesrat doch behalten.
Der Sankt Galler SVP-Nationalrat Roland Büchel regte vor kurzem wieder an, den Fünfräppler aufzugeben, da er im Alltag kaum noch gebraucht werde und auch Automaten ihn nicht mehr akzeptierten. Doch nun hat der Bundesrat diese Motion abgelehnt. Der Fünfer bleibt also und widersetzt sich dem Trend, die kleinen Nominale aufzugeben. Kulturwert? Identitätsstiftung? Immerhin werde kein anderes Nominal so oft bei der Nationalbank gefragt wie der Fünfräppler, gab der Bundesrat zu bedenken. Das sollte für sich sprechen. Was für ein besseres Argument gibt es als eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung? Außerdem sei die Produktion heute kein Verlustgeschäft mehr. Hingegen könnten die Kosten für den Einzug der Münze, von der sich 2006 über 868 Millionen im Umlauf befanden, viel stärker ins Gewicht fallen – und teilweise auch bei der Privatwirtschaft liegen.
Wie die EU-Kommission die Pros und Kontras gewichtet, bleibt abzuwarten. 1- und 2-Cent-Münzen entsprechen im Wert eher den bereits abgeschafften 1- und 2-Rappen-Stücken. Vielleicht harmonisiert sich so auch Westeuropa auf ein 5-Cent/Rappen-Niveau als Kleinstnominal. Natürlich, wie könnte es anders sein, mit einer Ausnahme: Großbritannien. Dort hält man (noch) fest an den 1- und 2-Penny-Münzen, deren Anzahl auch 2013 den Großteil der ausgegebenen Münzen ausmachte.
Die Pressemeldung der EU-Kommission ist hier veröffentlicht.
Eine ausführliche Version des Berichts gibt es hier.
Über die Entscheidung des Schweizer Bundesrats berichtet die NZZ.
Über die Abschaffungspläne der Schweizer Kleinstnominale 2006 berichtete ebenfalls die NZZ.
Eine Statistik der 2013 ausgegebenen britischen Münzen finden Sie auf der Seite der Royal Mint.
Sie finden weitere interessante Artikel über aus dem Umlauf gezogene Münzen hier.